Lehrermangel in Berlin: Gymnasiallehrer sollen an Grundschulen unterrichten
Die Bildungsverwaltung hat im Kampf gegen den Mangel an Pädagogen eine neue Idee: Gymnasiallehrer werden gebeten, vorübergehend an Grundschulen zu wechseln und ihre begehrten Arbeitsplätze für neue Bewerber frei zu machen.
„Horchen Sie doch mal rum, ob nicht ein paar Kollegen an eine Grundschule wechseln wollen?“ So oder ähnlich lautet zurzeit die meistgestellte Frage, wenn Schulräte bei den Gymnasien oder Sekundarschulen anrufen. Hintergrund ist der absehbare Mangel an Grundschullehrern ab Sommer und ein Überangebot von Studienräten, die an weiterführenden Schulen unterrichten wollen. Vor allem Gymnasien sind bei ihnen beliebt. Es hat sich nach der Sichtung der Bewerbungen herausgestellt, dass es zu wenig Angebote von Grundschullehrern gibt.
Deshalb ist die Bildungsverwaltung nach Tagesspiegel-Informationen auf eine Idee gekommen: Gymnasiallehrer werden gebeten, ihre begehrten Arbeitsplätze frei zu machen und vorübergehend an Grundschulen zu wechseln, damit man den Bewerbern aus Berlin oder anderen Bundesländern die gewünschten Schulen anbieten kann. „Um die zahlreichen Bewerbungen von Studienräten für die weiterführenden Schulen zu nutzen und die Einstellungsbedarfe an den Grundschulen zu realisieren, prüfen wir derzeit verschiedene Optionen. Eine davon ist die freiwillige Umsetzung von Lehrkräften an die Grundschulen“, bestätigte die Bildungsverwaltung auf Nachfrage.
Die Aktion soll zeitlich befristet sein
„Für die Grundschuljahrgangsstufen 5 und 6, die es auch an grundständigen Gymnasien gibt, können durchaus auch Studienräte geeignet sein“, rechtfertigt Sprecherin Beate Stoffers die überraschende Aktion. Im Übrigen könne der Einsatz an den Grundschulen „zeitlich befristet erfolgen – mit der Zusage auf Wechsel an eine weiterführende Schule nach einigen Schuljahren“.
Diese Aussage lässt die wechselwilligen Lehrer aufhorchen. Denn ihnen wird die Option zurzeit damit schmackhaft gemacht, dass ihnen ein Rückkehrrecht an ihre alte Schule nach „ein bis zwei Jahren“ angeboten wird. So jedenfalls haben es Schulleiter nach den Anrufen ihrer Schulräte berichtet. Die Unsicherheit wird dadurch verstärkt, dass bislang nichts schriftlich vorliegt.
Manche Schulleiter sind skeptisch
Ähnlich geht es den Schulleitern. Falls sie in ihren Kollegien erfolgreich werben und einzelne Lehrer bereit sind, es an einer Grundschule zu versuchen, wissen die Direktoren noch nicht, ob sie einen adäquaten Ersatz bekommen, der fachlich und menschlich in die Schule passt. „Wir fragen uns mit Sorge: Wer kommt nach“, sagt denn auch Annemarie Sardisong, die Leiterin des Lichtenberger Manfred-von-Ardenne-Gymnasiums. Berlins Lehrer des Jahres, Robert Rauh, stellt sich angesichts der neuesten Facette des Themas Lehrermangel die „Qualitätsfrage“: Studienräte seien nun mal keine ausgebildeten Grundschullehrer. Es gebe keine Garantie dafür, dass die versetzten Lehrer tatsächlich nur in Klasse 5 und 6 eingesetzt würden und nicht doch bei den Lernanfängern.
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