Jubiläumsgala "100 Jahre Ufa": Gute Filme, schlechte Filme
Mit einer Gala im Palais am Funkturm feiert die Ufa am Freitag ihr hundertjähriges Bestehen. Es gab Film,- TV- und Zeitgeschichte. Und der Bundespräsident hatte sogar eine neue Filmidee.
Das Benzinfeuerzeug an der Zapfsäule füllen lassen? Käme heute niemandem mehr in den Sinn, wäre ohnehin unmöglich, ja verboten: Mindestabnahme zwei Liter! Und zu feuergefährlich! Im Film dagegen, zumal in einem von vielen flotten Melodien – „Ein Freund, ein guter Freund...“ – beschwingten Lustspiel, geht es ohne weiteres, dass der sehnlichst erwartete erste Kunde einer neueröffneten Tankstelle nur wenige Tropfen ordert.
Klar, das ist aus „Die Drei von der Tankstelle“, der berühmten Ufa-Komödie mit Willy Fritsch, Heinz Rühmann, Oskar Karlweis und Lilian Harvey, die am 15. September1930 im Gloria-Palast am Kurfürstendamm Premiere hatte. Also auf den Tag genau 87 Jahr, bevor die Ufa am gestrigen Freitagabend im Palais am Funkturm anlässlich ihres 100-jährigen Bestehens zur „Ufa Anniversary Night“ geladen hatte – den Namen der Gala mit international-globalem Gestus in Englisch gehalten, was freilich gegenüber der Mehrsprachigkeit der frühen Ufa einen Rückschritt bedeutet: „Die Drei von der Tankstelle“ wurde, wie damals fürs Auslandsgeschäft üblich, parallel auf Deutsch, Englisch und Französisch gedreht.
Schon möglich, dass der eine oder andere Premieren- wie auch Galagast damals wie heute auf dem Weg zur Feier am originalen Drehort vorbeikam, vielleicht dort sogar rasch noch mal getankt hat. Die aktuelle Ufa GmbH, nach vielen Irrungen und Wirrungen aus der Firma von 1930 entwickelt, sitzt zwar in der Potsdamer Dianastraße gegenüber von Studio Babelsberg, in dessen historischen Ateliers der Film hauptsächlich entstand. Doch die Außenaufnahmen wurden an der Ecke Potsdamer Chaussee / Lindenthaler Straße in Zehlendorf gedreht. Dort befindet sich noch immer eine Tankstelle, die per stolz verkündet: „Wir sind der Drehort des Films ,Die Drei von der Tankstelle‘“.
Stell-Dich-Ein der Prominenz am Roten Teppich
So war also eine weitere, diesmal besonders glanzvolle Stufe der seit Monaten andauernden Würdigung des Ufa-Jubiläums erreicht. Recht früh im Jahr – die Gründung der Ufa datiert schließlich erst auf den 18. Dezember 1917 – wurde mit einem Symposium über Zwangsarbeit in der Traumfabrik der dunklen Seiten ihrer Filmproduktion gedacht. Im Kino Babylon in Mitte wie auch bei Arte laufen derzeit die Filme, die guten wie die weniger guten, ja sogar einige schlimme, rauf und runter, auch bastelt man in der Stiftung Deutsche Kinemathek bereits an einer am 24. November startenden Ausstellung „Die Ufa – Geschichte einer Marke“.
Die Gala liegt da mittendrin, dazu bei weniger schnupfenfördernden Temperaturen, als dies im Dezember der Fall wäre – von den Gastgebern Nico Hofmann und Wolf Bauer dem aktuellen und dem ehemaligen Ufa-Geschäftsführer, ein Akt der Fürsorge gegenüber der zahlreichen Prominenz aus Film und Politik auf dem roten Teppich, einschließlich des Bundespräsidenten Frank-Walter-Steinmeier.
Filmgeschichte im Schnelldurchlauf
Als „Show-Act“ war das Programm angekündigt, selbstverständlich gab es gleich zum Einstieg hundert Jahre Film,- Fernseh- und Zeitgeschichte im achtminütigen Schnelldurchlauf. Der Bundespräsident, begleitet von seiner Frau Elke Büdenbender, zeigte sich beeindruckt, widmete sich in seiner vielbeklatschten Würdigung des Jubliläums besonders Fritz Langs „Metropolis“, der uns eine Abbild seiner Zeit erhalten habe, ein Film, „der die Moderne feierte und zugleich das Unbehagen an ihr eingepflanzt hat“. Für Steinmeier ein sehr moderner Film: „Auch unsere Zeit kennt zwischen Verhängnis und Verheißung, zwischen Untergang und Erlösung manchmal nur wenige Nuancen.“ Und er hatte auch gleich einen Vorschlag für einen neuen Film parat: Viele Brüche und Aufbrüche habe die Ufa in ihrer Geschichte erlebt und überlebt. „Welch ein Stoff für ein Drehbuch! Und: Wer, wenn nicht Sie, die Ufa, würde es wagen, uns diese Story aufzutischen. Ich jedenfalls will sie sehen – unbedingt.“
Der Krieg sei der Vater aller Dinge, hatte der Grieche Heraklit befunden. Wenngleich das auch nicht immer stimmt: bei der Ufa schon. Ihr Gründungsdatum liegt im vorangeschrittenen Ersten Weltkrieg. Die Idee zu einem staatlich gesteuerten, national ausgerichteten Filmkonzern war in der Obersten Heeresleitung entstanden. Nicht erst Goebbels wusste um das Potential des Films, ein Volk propagandistisch zu beeinflussen.
Ein Krieg war damit allerdings nicht zu gewinnen, und nach der Niederlage 1918 wogen die wirtschaftlichen Interessen bald schwerer als die politischen oder gar militärischen. Bald wurde die Ufa gar zum künstlerischen Schwergewicht, prägte mit Filmen wie „Der letzte Mann“, „Metropolis“ oder „Dr. Mabuse“ sogar die Arbeit des „Master of Suspense“ Alfred Hitchcock, der 1925 selbst in Babelsberg gearbeitet und später die deutschen Filmemacher dieser Zeit zu seinen Vorbildern erklärt hat: „Die Deutschen legten damals größeren Wert darauf, ihre Geschichten über die Bilder zu erzählen“.
Fritz Langs "Metropolis" war damals an den Kassen ein Desaster
Den Ruhm von „Metropolis“, dem Opus Magnum der frühen Ufa, konnten sich die Zeitgenossen freilich noch nicht recht vorstellen, und den Ufa-Bossen raubte er den Schlaf. Fritz Langs jeden Kostenrahmen sprengender Mammutfilm erwies sich an der Kinokasse als Desaster, was 1927 ein Hauptgrund für die Übernahme der mehr als klammen Ufa durch den deutschnationalen Medienunternehmer Alfred Hugenberg war.
Kästner schrieb das "Münchhausen"-Drehbuch unter Pseudonym
Zur Verstaatlichung des Konzerns durch die Nationalsozialisten war es da ideologisch kein allzu großer Schritt mehr, trotz so jeglichem Chauvinismus unverdächtiger Riesenerfolge wie dem „Blauen Engel“ 1930. Doch selbst nach 1933 gelang noch Großes wie „Münchhausen“ 1943, für den sogar der verfemte Erich Kästner als ausgewiesener Humorist, wenngleich unter Pseudonym, das Drehbuch schreiben durfte – gewiss ein Film, der das gebeutelte Volk bei Laune halten sollte, und doch ein Meisterwerk.
„Gute Zeiten, schlechte Zeiten“, der Titel der Ufa-Dauerserie, trifft eben das Auf und Ab der Ufa ziemlich gut. Und es ist ihr hoch anzurechnen, dass sie immer wieder versucht, sich auch der dunklen Seiten der deutschen Geschichte, deren Teil sie auch war, zu stellen – in einer Weise, die, um den Titel des erfolgreichen wie heiß diskutierten TV-Dreiteilers, zu variieren, nicht nur für unsere Mütter und unsere Väter von Interesse ist.