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Boris Palmer (Bündnis 90/Die Grünen), Oberbürgermeister von Tübingen, provoziert immer wieder mit umstrittenen Aussagen.
© Christoph Soeder/dpa
Update

„Rechtspopulistischer Pöbler“: Grüne aus Berlin wollen Boris Palmer ausschließen – der hat die "Schnauze voll"

Tübingens Bürgermeister habe sich als „rechtspopulistischer Pöbler“ etabliert, schreiben Parteifreunde in einem offenen Brief. Palmer weist die Kritik zurück.

In einem offenen Brief an den Kreisverband der Grünen in Tübingen fordern einige Berliner Grüne den Ausschluss des Tübinger Bürgermeisters Boris Palmer aus der Partei. „Ein wichtiger, nicht selbstverständlicher Konsens, der uns ausmacht, ist die offene, vielfältige und gewaltfreie Gesellschaft, für die wir kämpfen“, heißt es in dem Schreiben, das von den Sprechern der Berliner Landesarbeitsgemeinschaft Migration und Flucht, Svenja Borgschulte und Jian Omar, und von Jonas Krone aus dem Kreisverband Steglitz-Zehlendorf verfasst wurde und jetzt in den Berliner Kreisverbänden verbreitet wird.  

„Mal leise murrend, mal mit lautem Entsetzen verfolgen wir deshalb schon viel zu lange, in welche Richtung sich der grüne Bürgermeister von Tübingen seit Jahren bewegt“, heißt es weiter. Boris Palmer habe sich mittlerweile „als rechtspopulistischer Pöbler“ etabliert. „Die Reihe seiner meist offener, aber zumindest immer in ihrer Tendenz rassistischer, hetzerischer Postings ist lang.“

Doch durch Palmers aktuell diskutierten Facebook-Beitrag vom 23. April, in dem er die Deutsche Bahn dafür kritisiert, die deutsche Gesellschaft in einer seiner Meinung nach nicht zutreffenden Weise darzustellen, sei den Verfassern des offenen Briefs klar geworden, „was Boris Palmer noch mit unseren Werten einer vielfältigen Gesellschaft verbindet: Gar nichts.“  

"Offen zur Schau gestellter Rassismus"

Dieser „offen zur Schau gestellte Rassismus, diese Verachtung für ein Bild der Vielfalt in Deutschland“ sei mit dem grünen Selbstverständnis unvereinbar. Und Palmer, so der Vorwurf, stehe damit auch im Widerspruch zu dem im Grundgesetz definierten Gesellschaftsbild: „Die Gleichbehandlung aller Menschen, egal welcher Herkunft oder Hautfarbe.“

In einer Mail an die Kreisverbände fordern Borgschulte, Omar und Krone die Mitglieder auf, sich dem Aufruf zu einem Ausschlussantrag gegen Palmer bis Donnerstagabend anzuschließen. „Je mehr, umso stärker ist das Signal.“ Mehr als ein Signal aus Berlin wird es auch nicht werden. Denn zuständig für die Initiierung eines Parteiausschlusses von Palmer wäre der grüne Landesverband Baden-Württemberg.

Deutliche Kritik an Palmer kommt auch von den Bundesvorsitzenden von Bündnis 90/Die Grünen Robert Habeck und Annalena Baerbock. „Er hat Menschen nach äußeren Merkmalen beurteilt und die Frage, wer zu unserer Gesellschaft gehört, daraus abgeleitet. Beides ist nicht richtig“, teilten die beiden Parteivorsitzenden am Donnerstag auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur mit. „Boris Palmer hat eine Tür zu einem rassistischen Weltbild aufgestoßen - er sollte sie schnell wieder schließen.“

Ein Parteiausschlussverfahren sehen die beiden aber kritisch: „Das zeigen unter anderem Erfahrungen der SPD mit Thilo Sarrazin.“

Palmer: „Ich hab die Schnauze voll von sowas“

Am Donnerstagnachmittag reagierte der viel gescholtene Tübinger Oberbürgermeister dann selbst. Er sagte zu Forderungen nach einem Parteiausschluss: "Ich halte das für den Ausdruck einer antidemokratischen Debattenverweigerung." Er vertrete die Werte der Grünen und lasse sich von "Meinungstyrannen" in keiner Weise beeindrucken.

Bei den Grünen gebe es Menschen, die Meinungsfreiheit nur dann ertrügen, wenn es um die eigene Meinung gehe. Debatten könne man nicht dadurch entscheiden, dass man andere mundtot mache. Das Ansinnen der Berliner Grünen-Politiker sei deshalb "absurd und lächerlich". Es sei nicht der erste Versuch, ihn aus der Partei auszuschließen. „Ich hab die Schnauze voll von sowas“, sagte Palmer.

Tübinger Kreisverband will Palmer nicht ausschließen

Der Tübinger Kreisverband der Partei strebt allerdings keinen Ausschluss Palmers an. „Ein solches Verfahren löst das Problem nicht“, hieß es in einer Stellungnahme, in der sich der Vorstand zugleich vehement von den Äußerungen des Oberbürgermeisters distanzierte. Ein Ausschluss sei aber nur schwer durchzusetzen. Und: „Wir wollen auch nicht, dass OB Boris Palmer in so einem Verfahren in irgendeiner Form eine Opferrolle zugewiesen würde.“ Palmer hatte einst den Status eines Hoffnungsträgers, wurde gar als möglicher Nachfolger von Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (70) ins Spiel gebracht. Inzwischen ist er in der Partei aber ziemlich isoliert. Zum aktuellen Wirbel äußerte sich Kretschmann zunächst nicht, er ist gerade im Urlaub.

Bei den Berliner Grünen gibt es mittlerweile immer mehr Unmut über Kretschmann. "Er ist der politische Ziehvater und muss den einfangen", sagte ein Abgeordneter in Bezug auf Palmer dem Tagesspiegel.

Als Palmer im vergangenen November bundesweit Schlagzeilen machte, weil er in Tübingen den Hilfssheriff gab, sagte Kretschmann, die Stadtoberhäupter seien für ihr Handeln selbst verantwortlich. „Ich bin nicht ihr Papa.“ Palmer hatte damals in Tübingen einen Studenten zur Rede gestellt, der ihn zuvor angeblich beleidigt haben soll. Der OB verlangte daraufhin den Ausweis, um die Personalien aufzunehmen. (mit dpa)
„Mit lautem Entsetzen“: Den kompletten Brief der Grünen finden Sie hier als pdf.

Laura Hofmann

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