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Humboldt-Forum: Grundsteinlegung in Berlin: Schloss jetzt

Mit der Grundsteinlegung für das Stadtschloss in der historischen Mitte Berlins geht eine mehr als 20-jährige Diskussions- und Planungsphase zu Ende. Doch Was genau entsteht da eigentlich?

Mit der Grundsteinlegung zum Berliner Schloss/Humboldt-Forum geht am heutigen Mittwoch eine mehr als 20-jährige Diskussions- und Planungsphase zu Ende. Nun ist offizieller Baubeginn – vorbereitende Arbeiten finden allerdings schon seit geraumer Zeit statt. Der bereits für vergangenes Jahr angekündigte Baubeginn wurde auf den heutigen Tag verschoben, zum einen zur Streckung der Finanzierung, zum anderen aber auch, weil sich bei den bauvorbereitenden Arbeiten Probleme stelllten, wie die im sumpfigen Untergrund steckende Holzpfahlgründung des ursprünglichen Schlosses. Zudem wird der Schildvortrieb der U-Bahnlinie vorbereitet, die schräg unter der Grundplatte des Schlosses hindurchführen wird.

Errichtet wird ein Gebäude, das in seinen Außenansichten an das im Herbst 1950 gesprengte Schloss der Hohenzollern erinnert. Im Inneren entsteht ein völlig neues Gebäude für das geplante Humboldt-Forum. Rekonstruiert werden die drei barocken Fassaden des rund 200 mal 120 Meter messenden Bauwerks. Lediglich die an die Spree grenzende Ostseite des einstigen Schlosses, die überwiegend aus älteren Bauteilen des Schlosses bestand, wird durch eine völlig neue Fassade nach dem Entwurf des „Schloss-Architekten“ Franco Stella ersetzt.

Wie soll das Gebäude genutzt werden?

„Das Berliner Schloss wird zum Humboldt-Forum“, so verkündet es die eigens errichtete, mit der Bauherren-Funktion betraute „Stiftung Berliner Schloss – Humboldt-Forum“. Das Humboldt-Forum ist eine neue und neuartige Institution, die die derzeit noch in Dahlem beheimateten Sammlungen außereuropäischer Kunst und Kulturen der Staatlichen Museen Berlin in die Mitte der Stadt bringen wird. Hinzu kommen die kunsthistorischen Sammlungen der nahen Humboldt-Universität sowie Räume für die Zentral- und Landesbibliothek Berlin.

Was sind die besonderen Charakteristika des Humboldt-Forums?

Die Idee zum Humboldt-Forum stammt von dem damaligen Präsidenten der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Klaus-Dieter Lehmann. Mit dem Bezug auf die Brüder Wilhelm und Alexander von Humboldt wollte er einem umfassenden Ansatz der Welterkenntnis praktische Form geben. Die materielle Grundlage bilden die Sammlungen der Staatlichen Museen, die Teil der Stiftung Preußischer Kulturbesitz sind, und die das Ergebnis der wissenschaftlichen Tätigkeit der Berliner Museen darstellen. Hinzu kommen die Sammlungen derjenigen Universität, die den Namen ihres Schöpfers Humboldt trägt, und ausgewählte Bestände der Landesbibliothek, die selbst Wissen in gedruckter Form verkörpert.

Das Humboldt-Forum soll, darauf aufbauend, ein Ort der Selbstverständigung über „Welt“ sein, ein Ort des Wissensaustauschs und der Wissensproduktion. Es gilt, „Zugänge zur Welt jenseits der engen Grenzen der klassischen Disziplinen zu schaffen“, wie es Hermann Parzinger, derzeitiger Präsident der Preußen-Stiftung und selbst Wissenschaftler von weltweitem Rang, ausdrückt. Kurzum, das Bildungs- und Wissensideal, das die Humboldt-Brüder gelebt haben, soll hier in institutioneller Gestalt fortwirken.

Wie es zu der Entscheidung für den Bau des Stadtschlosses kam

Wie kam es zu der Entscheidung, ein Schloss mit Humboldt-Forum zu errichten?

Am Anfang war der Platz, auf dem bis 1950 das Schloss gestanden hatte. Mit der Wiedervereinigung Berlins und Deutschlands am 3. Oktober 1990 stellte sich erstmals die Frage, ob die Entscheidungen der SED, zunächst im Herbst 1950 das Schloss abzureißen und später, von 1973 bis 1976, den „Palast der Republik“ zu errichten, das letzte Wort bleiben sollten. Der Essayist Wolf Jobst Siedler schrieb bereits im November desselben Jahres: „Die Stadtplanung für das innere Berlin sollte die Überlegung nicht ausschließen, das Schloss wiederaufzubauen. Das Stadtbild verlangt an dieser Stelle einen Raumkörper, der die beziehungslosen Bauteile um den Lustgarten wieder verklammert.“ Aus der anschließenden Diskussion in ganz Deutschland entstand 1992 der gemeinnützige „Förderverein Berliner Schloss“.

Bereits im folgenden Jahr initiierte der Verein die Errichtung einer maßstabsgetreuen Fassade aus gelb bemalten Plastikplanen über einem riesigen Gerüst. Diese Kulisse führte erstmals vor Augen, welche städtebauliche Bedeutung das Schloss für die historische Mitte Berlins besaß und künftig erneut besitzen würde. Im Laufe der zunehmend heftiger geführten Debatte kam es – zur Vorbereitung einer politischen Entscheidung – zur Berufung der internationalen Kommission „Historische Stadtmitte Berlin“. Sie empfahl im Frühjahr 2002 mit knapper Mehrheit einen Bau in der Kubatur des alten Schlosses, also in den Ausmaßen von 200 mal 120 Metern bei 31 Metern Höhe. Der Bundestag legte sich dann am 4. Juli 2002 mit 380 zu 133 Stimmen auf die zweite der von der Kommission vorgeschlagenen Varianten fest: den Wiederaufbau der Schlossfassaden sowohl außen als auch im Schlüterhof sowie die Nutzung als Humboldt-Forum. In weiteren Beschlüssen ebnete der Bundestag den Weg zum Wiederaufbau bis zur Bewilligung der ersten Kostenrate im November 2007. Daraufhin fand der Architekturwettbewerb statt, aus dem die Jury am 28. November 2008 den Architekten Franco Stella aus Vicenza als Preisträger bestimmte.

Wie wird der Bau finanziert?

Die vom Bundestag ursprünglich bewilligte Bausumme betrug 552 Millionen Euro, von denen die öffentliche Hand 472 Millionen finanzieren sollte, während der Förderverein für die Einwerbung von 80 Millionen Euro Spendengeldern zur Rekonstruktion der barocken Bauteile einstehen wollte. 32 Millionen Euro muss das vertraglich gebundene Land Berlin beisteuern. Dafür sollte anfangs ein Teilbestand der Landesbibliothek einziehen; ob es bei diesem Plan bleibt, nachdem Berlin mittlerweile einen 270-Millionen-Neubau für die gesamte Landesbibliothek in Tempelhof plant, ist fraglich. 2011 wurden die Gesamtkosten einschließlich des Umzugs der Dahlemer Museen und deren Neueinrichtung vom Haushaltsausschuss des Bundestages auf 590 Millionen Euro „gedeckelt“ – plus der üblichen Baukostenindex-Steigerung bis zur geplanten Eröffnung im Jahr 2019. Daraus ergibt sich bereits jetzt eine Summe von 621 Millionen Euro. Intern wird mit bis zur geplanten Eröffnung 2019 deutlich höheren Gesamtkosten von um die 900 Millionen Euro gerechnet. Zudem müssen die Aufträge für die aufwendigen Steinmetzarbeiten bereits jetzt vergeben werden – auch ohne die erwarteten, aber noch fehlenden Spendeneinnahmen. Die mit dem Projekt befassten Politiker verweisen jedoch darauf, dass die Kosten anderer Vorhaben, etwa der Neubau des BND, weitaus stärker gestiegen sind. Die Gestaltung der barocken Gebäudehülle, wie sie der Bundestag ausdrücklich wünscht, werde jedenfalls, so heißt es, nicht an den Haushältern scheitern. Das schließt die nach-barocke, 1845-1853 hinzugefügte und 74 Meter hohe Schlosskuppel ein. Für sie sagte ein anonymer Spender im März 25 Millionen Euro zu, so dass sie in die Ausführungsplanung aufgenommen wurde.

Wie wird der Bau geplant?

Den Architekturwettbewerb gewann 2008 der bis dahin kaum bekannte Italiener Franco Stella. Er hat sich mit den Berlin-erfahrenen Großbüros Hilmer & Sattler und Albrecht – die beispielsweise die Gemäldegalerie entworfen haben – und gmp (von Gerkan, Marg und Partner) – durch Hauptbahnhof und Flughafen BER bekannt – zu einer Planungsgemeinschaft zusammengetan. Die Entwurfsidee stammt von dem der Architekturmoderne verpflichteten Stella, die Ausführungsplanung mit ihren Aberhunderten von Detailplänen wird von den beiden deutschen Büros geliefert. Stella hat die Wettbewerbsjury vor allem mit der Verbindung von wiederaufzubauender Substanz, wie dem Innenportal des Eingangsportals III am Schlossplatz, und der Struktur der Neubauteile überzeugt. Die strenge Rasterung der Neubauteile, die Reihen von Vierkantpfeilern wie auch die regelmäßige Ostfassade zeigen Stellas Bezug auf den italienischen „razionalismo“.

Was vom alten Schloss wird rekonstruiert?

Die Bundestagsbeschlüsse beziehen sich auf die Fassaden, die Andreas Schlüter in seiner Funktion als Hofbaumeister ab 1699 für den umfassenden Neubau des Hohenzollern-Schlosses entwarf, sowie auf die Fassaden an drei Seiten des nach ihm benannten Schlüterhofes im Ostteil des Schlosses. Schlüter, zugleich Hofbildhauer, entwarf auch den reichen figürlichen Schmuck, von dem Einzelteile im Schutt der Schloss-Sprengung aufgefunden wurden und als Vorbild der neu zu schaffenden Skulpturen dienen. Schlüters Nachfolger ab 1706, Eosander von Göthe, vergrößerte das Schloss aufs Doppelte, hielt sich aber bei der Gestaltung ganz an Schlüters Entwurfsgedanken.

Von den Innenräumen wird zunächst keiner rekonstruiert werden. Gedacht ist an den Wiederaufbau der monumentalen Anlage der „Gigantentreppe“ im Schlüterhof, für die innerhalb der neu geplanten Ostseite Platz freigehalten wird. Zumindest ermöglicht wird die Rekonstruktion einzelner Prunkräume an der Lustgartenseite des Schlosses, die in Lage und Größe vorzusehen sind, aber nicht historisch ausgestaltet werden. Die „Kunstkammer“, die Wiege der Berliner Museen, soll am eigentlichen Schlossplatz im Süden des Gebäudes wiedererrichtet werden, und das geplante Schlossmuseum wird einen Zugang zu den erst während der Bauvorbereitung entdeckten und freigelegten Kellermauern des originalen Schlosses ermöglichen. Die Kuppel, entworfen von Schinkel-Schüler Friedrich August Stüler, wird in ihrer historischen Form wiedererrichtet werden, die darunter gelegene Schlosskapelle jedoch aufgrund der umlaufenden Saalfolge für das Humboldt-Forum nicht.

Dass übrigens die historische Ausstattung des Schlosses verloren sei, hat der Berliner Historiker Guido Hinterkeuser eindrucksvoll widerlegt. Er konnte über 400 Positionen an einzelnen Kunstwerken oder auch Ensembles wie dem „Silberbuffet“ nachweisen, die sich bis zum Zweiten Weltkrieg im Schloss befanden und anderenorts, etwa im Kunstgewerbemuseum Köpenick, aufbewahrt werden. Mithin könnte weit mehr vom Schloss und seiner kunsthistorisch bedeutenden Gesamterscheinung rekonstruiert werden, als dies zur Zeit des Bundestagsbeschlusses überhaupt nur zu ahnen war.

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