Botanischer Garten: Großes Tropenhaus: Pflanzenpalast mit Wohlfühlklima
Seit gestern ist das sanierte Große Tropenhaus wieder offen für alle Berliner. Am Wochenende steigt ein Familienfest.
Im Großen Tropenhaus des Botanischen Gartens ist die Welt wieder in Ordnung. Konstant 22 Grad Celsius, 85 Prozent Luftfeuchtigkeit und ein rauschender Wasserfall. Das ist Urlaub pur. Am Morgen wurde das runderneuerte Pflanzenparadies den Berlinern übergeben. Zwei Eheleute aus Spandau bekamen als erste Gäste eine Jahreskarte samt Ehrenpatenschaft für den Riesenbambus. Am Wochenende startet ein großes Familienfest. Der Eintritt kostet dann nicht wie üblich fünf, sondern nur einen Euro.
Die Besucher werden deutlich besser an die Hand genommen, als vor der dreijährigen Sanierung des Hauses. Am Rande der Pflanzbeete stehen Infosäulen, die das Herkunfsgebiet der Pflanzen erklären und jeweils eine Art näher beschreiben. Die Kosten von 160 000 Euro haben größtenteils die Freunde des Botanischen Gartens aufgebracht.
Wer seine Lieblingspflanze sucht, wird in der Regel nicht enttäuscht. Die meisten Exemplare haben die Sanierung heil überstanden. Der Leberwurstbaum ist wieder da, der Ameisenbaum, der Schraubenbaum und die Palmfarne, die ältesten Bewohner des Hauses. Neu ist ein Weihrauchbaum aus dem Jemen, der bisher „hinter den Kulissen“ in einem der Anzuchthäuser stand. Dauerhaft ausgezogen sind fünf große Palmen, sie wurden dem Spaßbad Tropical Islands vermacht, sind dort aber nicht alle angewachsen.
Den Pflanzen geht es im neuen Tropenhaus wahrscheinlich besser als in ihrer Heimat. 20 Gärtner kümmern sich um die richtige Feuchte und das Substrat. Sie zupfen jeden Morgen die welken Blätter von den Ästen. Das Gießwasser ist auf 16 Grad vorgewärmt. Eine hochkomplexe Technik, mit Umlufttürmen, die als Urwaldbäume getarnt sind, mit einer Fassadenheizung in den Fenstersprossen, einer Vernebelungsanlage und dem selbstlernenden Steuerungsprogramm sorgt für das richtige Wohlfühlklima und senkt die Heizkosten um 50 Prozent.
Tiere sind im neuen Tropenhaus eher geduldet als erwünscht. Zur Schädlingsbekämpfung werden Schlupfwespen und Marienkäferlarven eingesetzt, Kröten, Vögel und Eidechsen gibt es aber weiterhin nur im Tropischen Nutzpflanzenhaus. „Der Pflegeaufwand für die Gärtner wäre zu hoch“, sagt Gärtnermeisterin Henrike Wilke. Tiere können viel Ärger machen. Ins Nutzpflanzenhaus, das auch dringend saniert werden muss, sind Spatzen eingedrungen. Sie zanken sich, brechen Blätter ab und fressen den Zebrafinken das Futter weg.
Sanierungs-Architekt Friedhelm Haas hatte Mühe, Bauvorschriften, Botanik und Denkmalschutz unter einen Hut zu kriegen. Besonders schwierig war die Suche nach dem richtigen Glas. Die Denkmalschützer wollten ein engeres Glasgitter, um der Optik des vor 102 Jahren eröffneten Originals näher zu kommen. In den sechziger Jahren waren große Acrylglastafeln eingebaut worden. Die Botaniker verlangten nach viel UV-Licht und Wärme. Das Baugesetz schreibt aber Sicherheitsglas vor, das kein UV-Licht durchlässt. Haas reiste bis in die USA, um den Widerspruch aufzulösen.
Der Berliner Botanische Garten ist mit 22 000 Pflanzenarten der drittgrößte weltweit - zum Vergleich: in Deutschland gedeihen nur etwa 3000 verschiedene Wildpflanzen. Als Genreservoir sei der Garten von großem Wert, sagte Bundesumweltminister Siegmar Gabriel zur Eröffnung. „Was sie hier sehen, ist in anderen Teilen der Erde großflächig bedroht.“ Die Aussterberate von Arten habe sich durch die Naturzerstörung des Menschen inzwischen um das tausendfache erhöht.
Als Forschungsstätte genießt der Botanische Garten weltweites Ansehen. Die Berliner nutzen das 43 Hektar große Gelände eher zum Abschalten und Ausspannen. Hier kann man für fünf Euro Eintritt botanisch um die Welt reisen. Für rund 200 Euro bietet sich der Garten als Heiratskulisse an. Im viktorianisch anmutenden Mittelmeerhaus, umgeben von Lorbeer, Thymian und Lavendel, lässt sich der Ehebund ganz natürlich schließen. Die Termine für dieses Jahr sind allerdings komplett ausgebucht.
Einfacher ist, eine Pflanzenpatenschaft zu übernehmen. Für mindestens 250 Euro im Jahr gibt es eine Stiftertafel vor der Pflanze und eine Urkunde. Bisher sind 80 Paten eingetragen, da ist noch viel Grün zu haben. Moderator Wigald Boning hat sich für den Borstenfarn entschieden, Renate Künast kümmert sich um den Pfauenradfarn, Architekt Haas hat sich die Welwitschia mirabilis aus der Namib-Wüste augesucht. Siegmar Gabriel ist jetzt Patenonkel eines Schraubenbaums von den pazifischen Bonin-Inseln, auch eine gefährdete Art.
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