Was macht die Familie?: Große Momente beweinen
In der heutigen Familienkolumne beschreibt Tanja Buntrock, wie sie ihrer Tochter das Fahrradfahren beibringt und dabei einen großen Moment beweint.
Meine Tochter ist nun groß. Gerade erst war ihr fünfter Geburtstag. Die Momente, in denen mir das Älterwerden bewusst wird, sind nicht nur die, in denen ich zu klein gewordene Klamotten aussortiere oder die vielen digitalen Fotos von ihr herunterlade. Es sind Momente wie dieser. Frage: „Räumst du bitte dein Zimmer auf?“ Antwort: „Vielleicht. Vielleicht aber auch nicht.“
Bei dieser Antwort hatte ich Mühe, ernst zu bleiben. Genauso, wenn ich mich morgens erkundige, was sie zum Frühstück möchte. „Das klären wir später.“ Meine Worte aus ihrem Mund. Das Kinderzimmer heißt bei ihr nun „Arbeitszimmer“.
Welcher ist für die meisten Eltern der Moment, der ihnen klarmacht, dass ihr Kind nicht mehr klein ist? Die meisten sagen mir: als es die ersten Schritte gemacht hat. An dem Tag, an dem meine Tochter erstmals aufrecht lief,kullerten bei mir keine Tränen der Rührung. Auch knutschte ich nicht die restlichen Anwesenden ab. Ich dachte: Gott sei Dank. Jetzt muss ich sie nicht mehr in den vierten Stock schleppen!
Der besondere Moment für mich war das Fahrradfahren-Lernen. Erst übte meine Tochter mit einem Laufrad. Als das funktionierte, folgte ein kleines Kinderfahrrad. In wechselnder Besetzung gingen wir aufs Tempelhofer Feld, um ihr das Radfahren beizubringen: Einen schöneren, besseren und historisch bedeutsameren Ort, um das Gleichgewicht auf zwei Rädern halten zu lernen, kann man einem Kind kaum bieten.
Mein Mädchen weigerte sich zunächst. Dann traute es sich, „aber nur mit Festhalten, Mama“. Immer wieder ließ ich heimlich los. Das Kind fiel um und schrie. Viele Male. Ich lockte es mit Eis als Belohnung. Manchmal klappte das.
Und dann kam er, dieser eine Moment für die Ewigkeit, den kein iPhone und keine Kamera festhalten können. Meine Tochter strampelte auf ihrem kleinen Kinderrad alleine übers Tempelhofer Feld. Ohne umzufallen. Sie drehte sich zu mir um und klingelte. Mir kamen die Tränen.
Fahrradfahren kann man nicht nur auf dem Tempelhofer Feld lernen. Auch etliche Verkehrsschulen bieten Fahrradtraining an. Oder man geht auf die Gelände der Jugendverkehrsschulen der Bezirke.