Berlin: Große Gefühle im Kleinformat
Heimkino hat jeder, aber Heimoper? Die war bislang unbekannt Jetzt machen ein paar Dänen in privaten Wohnstuben „Home Opera“.
Ganz schön intim die Aufführungssituation. So mit dem eigenen Kinn direkt am Knie des Sängers. Hetna Regitze Bruun lacht. Na ja, ganz so hautnah sei es nicht, sagt sie. „Vor allem lagen wir selbst auf den Knien, als wir was aus Humperdincks Oper ,Hänsel und Gretel’ gesungen haben.“ Aber die erste Stuhlreihe stand in der Tat direkt an der Bühne. Das ist auch ganz der Stil des Hauses beim von Bruun erfundenen und neulich zum ersten Mal gelaufenen Opernabend in heimischer Wohnstube, genannt „Home Opera“. Kein Orchestergraben, keine Distanz zwischen Zuschauersaal und Bühne, keine Hemmschwelle. Die Sänger hören jeden Atemzug, jeden Seufzer der Zuhörer. Und die Leute in der ersten Reihe können bei dramatischen Duetten einen Schirm aufspannen.
Aber was heißt in dieser hübschen, lichten, aber nur aus zwei Zimmern samt Küche und Bad bestehenden Wohnung in Prenzlauer Berg eigentlich Bühne? Na, das nur wenige Zentimeter erhöhte Podest im Erker, wo jetzt ganz normal die Möbel, also ein Sessel, eine Lampe und der Fernseher stehen. „Genau hier müsste man Oper spielen!“, hat Hetna Regitze Bruun der dänischen Freundin, die hier wohnt, gesagt, als sie zum ersten Mal bei ihr Kaffee trank. Gesagt, getan. Inzwischen fand hier die Premiere der Home Opera statt. Mit Mini-Ensemble, 50 Zuschauern im Wohnzimmer, der Küche als Bar und dem Schlafzimmer als Künstlergarderobe.
Das Heimoper-Ensemble sind drei Dänen und ein Deutscher: Mezzosopranistin Bruun und Sopranistin Dénise Beck, beide aus Kopenhagen, der Bariton Simon Duus, der beim Treffen fehlt, weil er gerade ein Engagement in Dänemark hat, und ihr Pianist Clemens Göschel-Hund. Der stammt aus Waldsieversdorf, hat an der Musikhochschule Hanns Eisler studiert, und lebt jetzt mit Beck in einer Musiker-WG in Weißensee. Die Musiker sind jung, leben von professionellen Engagements daheim in Dänemark, Wien oder bei den Bregenzer Festspielen und haben eine Mission, die Leute ihres Fachs immer wieder umtreibt. „Wir wollen zeigen, dass man vor Oper keine Angst haben muss“, sagt Dénise Beck. Sie selbst sei erst Rockfan gewesen und verspätet zur Klassik gekommen, erzählt die Dänin in fließendem Deutsch. Aber dann hätten die großen Gefühle und Bilder sie ganz und gar gefangen genommen. Oper kann cool sein, und man muss sie einfach lieben, ist die von den anderen heftig benickte Quintessenz ihrer leidenschaftlichen Rede für das gerne mal als verzopft geschmähte Musiktheatergenre.
Das Klassik-Publikum ist immer noch sehr konservativ, finden die drei, auch wenn es in Berlin abenteuerlustige Häuser wie die Neuköllner Oper gibt. Trotzdem passiere im Musiktheater verglichen mit der sonstigen Kunstszene wenig Innovatives, sagt Bruun. „Wir müssen neu denken und ein neues Publikum gewinnen“, ergänzt Beck und diese Stadt mit ihrer Subkultur sei dafür gut geeignet. Und das Prinzip Privatwohnungsveranstaltung erfreut sich ja auch bei Popmusikern oder Literaten steigender Beliebtheit.
Bruun, die jahrelang zwischen Berlin und Kopenhagen pendelte und seit vergangenem August nun mit ihrer Tochter in Mitte lebt, hat daheim schon 2003 eine Art „Oper für Nicht-Operngänger“ etabliert, die „Stand-up Opera“. Die fand auch für kleines Geld mit kleinen Ensembles und ohne Konzertsaalkrampf statt, aber in Gastwirtschaften und nicht in Wohnstuben wie die Home Opera. Die vereint witzige Moderationen mit einem von Mozart bis Wagner oder zum Belcanto reichenden Repertoire und theatralischen Darbietungen, wie sie in Wohnungserker passen. Das Ganze soll Qualität haben und Spaß machen. Auch dem Pianisten und den Sängern. „Für uns ist das nicht so ein Druck wie bei klassischem Liederabend und die Leute können ruhig mal mit den Bierflaschen klirren“, sagt Bruun.
Gastgeber der Home Opera kann jeder werden, der Raum und Möbel hat, gern die für die Akustik günstigen hohen Wände samt Holzdielen, und vor allem ein Klavier. Die Nachbarn bekommen natürlich Bescheid, und um sie nicht groß zu strapazieren, ist bei jeder Home Opera um 22 Uhr definitiv mit dem Gesinge Schluss. Für die nächste Aufführung am 24. August kann man sich jetzt anmelden. Und damit die Sache auch den Nimbus des Geheimen und Überraschenden behält, bekommt jeder Besucher, der sich per Mail mit vollem Namen registriert hat, erst morgens über den Spielort des Abends Bescheid. Ein bisschen Bohei muss dabei sein – quasi Guerilla-Oper – schon klar.
Home Opera, 24. August, 20 Uhr, 10 bis 20 Euro, Infos und verbindliche Anmeldung: www.homeopera.net
Gunda Bartels
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