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Mit einem Gottesdienst im Berliner Dom wurde des 20. Juli 1944 gedacht. Auch Bundespräsident Joachim Gauck nahm teil (zwischen Lebensgefährtin Danilea Schadt und Irmgard Schwaetzer, Präses der EKD-Synode).
© epd

Gedenken am 20. Juli: Gottesdienste und Gelöbnis am Jahrestag des Attentats auf Hitler

Berlin gedachte heute der Widerständler des 20. Juli. Am Abend fand das Gelöbnis junger Bundeswehrsoldaten statt, zuvor gab es eine Feierstunde und Gottesdienste.

An beiden Veranstaltungen nahm Bundespräsident Joachim Gauck teil – im Bendlerblock auch als Redner. Er sagte, der Tag „erinnere uns daran, wie wichtig es sei, mutig zu unseren Werten zu stehen und uns nicht mitschuldig zu machen“, wenn anderen Unrecht geschehe. „Wir haben eine Wahl zwischen Handeln und Untätigkeit, auch zwischen Reden und Schweigen.“ Zur Feierstunde kamen unter anderem auch die Alt-Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker und Christian Wulff, Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen, Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit und Kanzleramtsminister Peter Altmaier. Später wurden in der Gedenkstätte Plötzensee Kränze niedergelegt.

Im Bendlerblock, wo einst die Hitler-Attentäter hingerichtet wurden, findet seit 1999 auf Weisung des damaligen Verteidigungsministers Scharping auch das Gelöbnis für Nachwuchssoldaten der Bundeswehr statt. Das Strammstehen in der Hitze übten die Soldaten am Samstagabend bei einer Generalprobe – in Uniformjacke. Am Sonntag traten die jungen Soldaten zum Gelöbnis, das um 19 Uhr begann, in kompletter Uniform an. 2006 durften die Rekruten ohne Jacke und mit kurzen Ärmeln erscheinen, damals hatte das Verteidigungsministerium die Bekleidungsvorschriften wegen der Hitze gelockert. Denn 2003 waren zwei Dutzend Rekruten umgekippt, sie mussten das Gelöbnis nachholen.

Einige wenige Soldaten kippten in der Hitze um

Doch trotz der vermutlich noch mehr als 30 Grad am Sonntagabend gab es diesmal keine Ausnahme. Die Soldaten „stehen zu 98 Prozent im Schatten“, sagte Oberstleutnant Klaus Neumann. Wie immer bei der aufregenden Feier kippten einige wenige Soldaten um; es verlief aber alles im Rahmen und ohne Störungen etwa durch Demonstrationen.

Seit 12 Uhr mittags war das Reichpietschufer am Landwehrkanal für den Autoverkehr dicht, Polizisten hatten rot-weiße Sperrgitter aufgestellt. Doch die Zeit der großen Proteste gegen das Zeremoniell vorbei – weil die Bundeswehr die Wehrpflicht abgeschafft hat. Bis vor zehn Jahren hatte es noch riesige Polizeieinsätze mit 2000 Beamten gegeben, die Zeremonie war massiv gestört worden.

„Ich gelobe, der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen und das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen“: Das sagten die Frauen und Männer verschiedener Bataillone der Bundeswehr, auch am gestrigen Sonntag wieder. Die Bundeswehr will, so heißt es, durch das Zeremoniell am 20. Juli die große Bedeutung des militärischen Widerstands für das eigene Traditionsverständnis unterstreichen.

Zwei Gedenkgottesdienste - da gab es Ärger

Beim Fernsehgottesdienst war alles exakt getaktet. Besonders an diesem 20. Juli darf nichts schief gehen, an dem sich das Attentat von Claus Schenk Graf von Stauffenberg auf Adolf Hitler zum 70. Mal jährt. Eine halbe Stunde vorher müssen die Gäste ihre Plätze eingenommen haben. Auch die gut 50 Angehörigen der Widerstandskämpfer, die in den Berliner Dom gekommen sind.

Die Mehrheit der Angehörigen ist an diesem Vormittag zur Hinrichtungsstätte nach Plötzensee gefahren. In dem Raum, wo ihre Väter und Großväter von den Nazis ermordet wurden und wo bis heute Fleischerhaken an der Wand an die grausigen Umstände erinnern, feiern sie ebenfalls einen Gedenkgottesdienst. Und zwar so, wie sie ihn seit den fünfziger Jahren feiern: ökumenisch, mit evangelischem Abendmahl und katholischer Eucharistiefeier.

Dass es dieses Jahr zwei Gedenkgottesdienste gibt, hatte einige katholische Angehörige verärgert. Denn der Gottesdienst im Dom ist prominent besetzt, es predigt Nikolaus Schneider, der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Und in der ersten Reihe sitzt der Bundespräsident. Durch seine Anwesenheit bekommt die Feier einen offiziellen Charakter. Die Fernsehkameras unterstreichen das noch.

Durch Joachim Gaucks Entscheidung, in den Berliner Dom zu gehen, sei eine „unglückliche Situation“ entstanden, sagt Anton Wirmer, dessen Vater Josef Wirmer 1944 in Plötzensee hingerichtet wurde. Dadurch dass es nun zwei Gottesdienste gebe und Gauck den Wunsch geäußert habe, in den Dom mögen ebenfalls Angehörige kommen, werde die Gemeinschaft der Angehörigen unter Druck gesetzt und womöglich gespalten. Nun müsse man sich plötzlich entscheiden, wohin man gehe. Das tue dem ökumenischen Erbe nicht gut, sagt Wirmer.

Für viele Widerstandskämpfer spielte ihr Glaube an Gott eine wichtige Rolle bei der Entscheidung, in den Widerstand zu gehen. Die konfessionellen Unterschiede rückten dabei in den Hintergrund. Das war in der damaligen Zeit etwas Besonderes und setzte ein wichtiges Zeichen auch für die Annäherung von Katholiken und Protestanten nach dem Krieg.

EKD-Chef Schneider predigt im Berliner Dom über das Gewissen. „Heute, wenn ihr seine Stimme hören werdet, so verstockt eure Herzen nicht“, heißt es im Hebräerbrief. Die „wirksame Arznei“ gegen die Verstockung der Herzen sei die Bindung an Gott, sagt Schneider. Wer Gott zu sich sprechen lasse, werde innerlich frei von äußeren Zwängen und Bedrohungen. Auch heute werde jeder einzelne von Gott angesprochen. „Lassen wir unser Herz durch Gottes Stimme berühren“, fordert Schneider, „damit wir in der Alltagsgeschäftigkeit die Nöte unserer fernen und nahen Mitmenschen nicht übersehen.“

Ein Störer brüllt "Nie wieder Holocaust"

Kaum hat Schneider zu Ende gesprochen, stürzt ein Mann, das Hemd mit einer Friedenstaube bestickt, nach vorn und brüllt „Nie wieder Auschwitz“. Das ist nicht geplant. Ordner führen ihn weg, die Gemeinde übersingt ihn mit „O komm, du Geist der Wahrheit, und kehre bei uns ein.“ Schnell sind 45 Minuten vergangen, der Gottesdienst ist zu Ende. Auf dem Weg nach draußen zündet Gauck zwei Kerzen an. Ein berührender Moment. Doch die Kameras sind schon abgeschaltet.

Der Vorstand der „Stiftung 20. Juli 1944“, in der sich Opferfamilien zusammengeschlossen haben, begrüßte übrigens die Zweiteilung der Gedenkgottesdienste: So bleibe der intime Charakter der Feier in Plötzensee bewahrt, und gleichzeitig werde mit der Fernsehübertragung aus dem Dom in der breiten Öffentlichkeit auf das Thema hingewiesen. „Wir wollten eine größere Öffentlichkeit an dem Gedenken teilnehmen lassen“, sagt auch Irmgard Schwaetzer, Präses der Synode der EKD, die bis zu ihrem Amtsantritt als Synodenpräses Vorsitzende des Domkirchenkollegiums war. Die Irritationen bedauere man sehr. Bei den ZDF-Fernsehgottesdiensten wechselten sich Katholiken und Protestanten ab. Es sei Zufall, dass der Fernsehgottesdienst auf den 20. Juli gefallen sei und die Protestanten dran gewesen seien. Aber da es nun einmal so sei, habe man den Gottesdienst dem Gedenken widmen wollen, sagt Schwaetzer. Und der Dom sei eben in Berlin dafür der angemessene Ort.

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