Berlin-Kreuzberg: Google öffnet die Tore vom "Campus Berlin"
Der US-Konzern startet eine Charme-Offensive für seinen Start-up-Campus in der Ohlauer Straße. Der neue Nachbar ist nicht bei allen gern gesehen.
Alter und Geschlecht, Herkunft und Hintergrund – spielt alles keine Rolle. Mutter mit Säugling – kein Problem. „Jeder, der eine Gründungsidee hat, ist willkommen“, sagt der Chef vom „Campus Berlin“. Die Tore zum Umspannwerk sind weit geöffnet. Nur die breiten Männer mit schwarzen Hemden und Bluejeans am Eingang und das halbe Dutzend Polizisten mit Schutzwesten, das plötzlich da steht, machen deutlich: Google steht dahinter, und das mit dem weltumspannenden Konzern und Berlin ist noch nicht die große Liebe.
Dabei ist es gar nicht so leicht, die Tekkies und Durchstarter mit sonnigem Gemüt nicht zu mögen. Erst recht nicht nach einem Rundgang durch die mit motivierenden Mottos und beflügelnden Beispielen aus der Industriegeschichte bepflasterte Halle in Begleitung von Manager Rowan Barnett.
Google sei von dessen Gründer doch in einer Garage ersonnen worden, und ähnlich, wie die Elektrizität im Umspannwerk die Industrie befeuert habe, so fördere Google Projekte. Davon, dass sie nun „etwas zurückgeben“ wollen, spricht er, von der „Mission“, Unternehmer weltweit zu vernetzen: 225 000 Mitglieder hat der Campus schon, in 125 Ländern mit 50 Partnern.
Das Genehmigungsverfahren läuft noch
Gefeiert wurde der Konzern trotzdem nicht beim Einzug in Kreuzberg: Er kaufe Tausende von Wohnungen und das ganze Umspannwerk dazu, behaupten Kritiker. Alles falsch: 3000 Quadratmeter hat das Unternehmen gemietet, ein Viertel des Umspannwerkes. Zehn Arbeitsplätze von Google und 22 für Gründer entstehen dort. Alles andere soll sich aus der Start-up-Szene selbst heraus entwickeln, die hier eine Halle und gute Ratschläge umsonst bekommt. Die Sieger von Wettbewerben dazu noch Geld.
Da schlendert plötzlich der Baustadtrat Florian Schmidt durch die Halle. Nach Amtsantritt hatte der Grünen-Politiker Google ausgebremst, den Bauantrag auf Eis gelegt. Und jetzt? „Wir haben uns angenähert“, sagt er. Dass Google seine Tore öffne, sei „Teil des Baugenehmigungsverfahrens“.
Etwas zerknirscht räumen die Googlianer ein, Fehler bei der Kommunikation ihres Vorhabens gemacht zu haben. Aber Schmidt widerspricht: „Google ist eine Weltmarke“ und wo diese sich niederlasse, sähen sich Immobilieneigentümer oft veranlasst, die Mietpreise zu erhöhen. Google sei nicht schuld daran, erklärt Schmidt, es gebe zu wenig Gesetze dagegen, doch der Konzern könne etwas tun: Gewerbeflächen zu günstigen Mieten sichern.
Das dürfte so gar nicht zur Konzernstrategie passen, die ja offensichtlich auf maximale Kenntnisse und Durchdringung der Gründerszenen aller Metropolen besteht – bei minimalem Kapitaleinsatz.
Die im Campus wie Lockvögel aufgereihten Start-ups zeigen das: Da ist etwa das Magazin „Straigth“, das online, aber auch sechsmal in zwei Jahren als Print-Produkt erscheint und von einer früheren Mitarbeiterin des öffentlichen Rundfunks gegründet wurde. Da ist die App für Straßenkinder „Mokli“, die Ausreißern Hilfe anbietet. Und da ist die „RockitBiz“, die Unternehmerprojekte in Schulen hineintragen. Google hilft, immer, überall. Man könnte den Konzern dafür fast lieb gewinnen – wenn er bloß nicht so mächtig wäre.