zum Hauptinhalt
Franziska Giffey (SPD), Regierende Bürgermeisterin von Berlin, denkt über Pläne für den Notfall nach.
© Annette Riedl/dpa

Quarantäne-Regelung für kritische Infrastruktur: Giffey schließt Einsatz von infiziertem Krankenhaus-Personal in Berlin nicht aus

Infizierte Krankenhaus-Mitarbeiter ohne Symptome sollen im Notfall arbeiten, sagt Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey. Die Kliniken haben bereits Pläne.

Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) schließt nicht aus, dass bei erheblichem Personalausfall auch im Gesundheitsbereich Infizierte ohne Symptome weiterarbeiten könnten. „Wenn wir eine Situation haben, in der wirklich massiv Personal ausfällt und die gesundheitliche Versorgung in Notfällen in Frage steht, dann muss man sich darüber Gedanken machen“, sagte Giffey am Montag dem RBB-Inforadio.

„Wir sind da nicht, aber man kann in dieser Situation, in der wir gerade sind, nichts kategorisch ausschließen.“ Bei einer solchen Maßnahme gehe es „wirklich um den Not-Not-Notfall. Aber es ist immer ein Abwägungsprozess“, sagte die SPD-Politikerin.

Giffey hatte bereits zuvor der „Bild am Sonntag“ erklärt, es sei denkbar, Infizierte ohne Symptome etwa im Wasserwerk oder bei der Feuerwehr arbeiten zu lassen, wenn es dort coronabedingt zu sehr großen Personalengpässen komme. Für Krankenhaus-Personal hatte sie ein solches Szenario zunächst jedoch ausgeschlossen.

Deutliche Kritik an dem Vorschlag kam von der Berliner CDU: „Angesichts immer neuer Rekordzahlen und nachlassender Impfbereitschaft ist es völlig absurd, wenn Berlins Regierende Bürgermeisterin Giffey symptomfreie Infizierte weiter arbeiten lassen will“, teilte Christian Zander, gesundheitspolitischer Sprecher der CDU im Abgeordnetenhaus mit. Die SPD-Politikerin konterkariere so auch die Impfpflicht, wie sie im Gesundheitswesen bald gelte.

„Es war schon falsch von Frau Giffey, eine Priorisierung von PCR-Tests zu fordern statt die Kapazitäten dafür anzupassen wie das etwa in Österreich gelungen ist“, sagte Zander. „Denn dadurch werden Inzidenzen gedeckelt, die Übersicht über das Infektionsgeschehen geht verloren. Nicht hinnehmbar ist es, wenn jetzt ausgerechnet unsere Schulen hier nicht berücksichtigt werden sollten.“

Ganz neu sind die Ansagen Giffeys jedoch nicht. In den landeseigenen Vivantes-Kliniken, die stadtweit am meisten Patienten versorgen, hatten Ärzte schon in früheren Pandemiewellen mit den Noteinsatz von infizierten Kollegen geplant: Im „absoluten Ernstfall“, sagte ein Klinikleiter, könnten symptomfreie Omikron-Betroffene auf den Covid-19-Stationen eingesetzt werden, also dort, wo die Patienten ohnehin schon infiziert seien. Noch aber, heißt es auch aus anderen Krankenhäusern, sei eine solche Lage nicht absehbar.

[Wenn Sie alle aktuellen Nachrichten live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

An der Charité ist das Giffeysche Szenario ebenfalls diskutiert worden. „Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, bei denen ein positives Ergebnis beim Covid-19-Test vorliegt, kommen nicht zur Arbeit in die Charité“, teile die Universitätsklinik mit. „Auch wenn die Zahl der infizierten Beschäftigten steigt, gibt bei uns im Haus aktuell keine Notwendigkeit, an der bisherigen Regelung Änderungen vorzunehmen.“ Allerdings begrüße man eine „vorausschauende Entwicklung von Notplänen in der dynamischen Pandemiephase“.

Auch beim Stromnetz Berlin habe man die Idee diskutiert, teilte ein Sprecher mit. Von einer kritischen Ausfallqote von 30 Prozent sei man „weit entfernt“, hieß es. „Es wäre aber denkbar und würde dann zu gegebener Zeit erneut diskutiert, beispielsweise im Bereich der Systemführung oder der Störungsleitstelle separate Teams oder Schichtbesetzungen mit ausschließlich symptomfreien infizierten Kolleginnen und Kollegen zu bilden“, sagte der Sprecher. Ähnlich hatten sich zuvor bereits die Wasserbetriebe geäußert.

Gasnetzbetreiber plädiert für weitere Quarantäne-Lockerungen

Auch den Gasnetzbetreiber Netzgesellschaft Berlin-Brandenburg (NBB) beschäftigt das Szenario schon länger. Vorstellbar sei im Notfall der Einsatz komplett infizierter Schichten, wenn diese symptomfrei seien. „Das bedeutet ein sehr intensives und aufwendiges Reinigungsregime und würde erst dann in Betracht kommen, wenn der Personalausfall so hoch ist, dass andere Alternativen fehlen.“ Davon sei man weit entfernt: Derzeit fallen bei der NBB zwei der 88 in Schlüsselpositionen arbeitenden Mitarbeiter aus.

Das Unternehmen steht einer weiteren Lockerung der Quarantäne-Regeln auch insgesamt offen gegenüber. "Grundsätzlich würde die NBB es begrüßen, wenn es zu Erleichterungen bei den Quarantäne-Bestimmungen kommen könnte, insbesondere im Bereich der kritischen Infrastruktur", teilte ein Sprecher mit.

Als „Notvariante“ ziehen auch die Eingliederungshilfe sowie die Unterstützung von Flüchtlingen und Obdachlosen den Einsatz von Infizierten in Betracht. Wenn Hilfsangebote anders nicht aufrecht erhalten werden könnten, müsse darüber nachgedacht werden, hieß es am Montag.

Zur Startseite