Probleme zum Schulstart in Berlin: Gewerkschaft: An vielen Schulen fehlen Lehrer
Wachsende Schülerzahlen, aber fehlende Lehrer: Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft kritisiert die Planungen des Senats.
In einem Klassenzimmer wird noch gemalert, die Sozialstation muss umziehen, und kurzfristig müssen für 40 zusätzliche Kinder neue Räume gefunden werden: An der Erika-Mann-Grundschule in Wedding gibt es zu Schuljahresbeginn noch einige Baustellen – im wörtlichen und im übertragenen Sinn. Hierher, in die erfolgreiche Grundschule, die jetzt um ihr pädagogisches Raumkonzept bangt, lud die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) am Mittwoch, um auf Probleme und Herausforderungen hinzuweisen, die auf die Berliner Schulen in diesem Jahr zukommen.
Die Gewerkschafter widersprachen der Darstellung des Senats, der zu Schuljahresbeginn gemeldet hatte, dass fast alle Stellen besetzt werden konnten. Die GEW hat selbst eine Umfrage gestartet und aus 58 Schulen Rückmeldungen bekommen: Danach fehlt im Durchschnitt eine Lehrkraft pro Schule. „Besonders drastisch ist der Lehrermangel an Grundschulen und in den Stadtrandgebieten“, sagte Gunilla Neukirchen, Vorsitzende der GEW-Schulleitervereinigung. Viele Schulen könnten ihre Stundenpläne nur mit Quereinsteigern oder einer höheren Zahl von Referendaren abdecken. Deren Einarbeitung aber koste viel Zeit und Energie. „Fast ein Viertel der Lehrkräfte sind Referendare. Ihre Ausbildung überfordert uns“, so die Rückmeldung einer Neuköllner Sekundarschule. In Mangelfächern wie Naturwissenschaften, Musik oder Sonderpädagogik gebe es so gut wie keine Bewerber mehr. „Dazu kommt, dass viele hochqualifizierte Lehrer in Bundesländer, die verbeamten, abwandern. Ich verliere so jedes Jahr eine Kraft“, erzählt Neukirchen, die das Beethoven-Gymnasium in Lankwitz leitet.
Unter diesen Umständen sei die Qualität des Unterrichts gefährdet: „Das ist besonders von Nachteil für die Kinder, deren Eltern die Defizite der Schulen nicht zu Hause ausgleichen können.“ Dem Volksbegehren Unterrichtsgarantie des Bündnisses „Bildet Berlin“, das eine 110-prozentige Lehrerausstattung gesetzlich verankern will, schließt sich die GEW dennoch nicht an, unter anderem weil es Differenzen hinsichtlich einiger Begrifflichkeiten gibt und Erzieher nicht genügend berücksichtigt würden, erklärt der GEW-Vorsitzende Tom Erdmann.
Der Lehrermangel ist aber nur ein Problem. Es hapere massiv an der Planung der Schulverwaltungen von Senat und Bezirken. Beispiel Flüchtlinge: Die Schulsekretariate müssten sich jetzt um den Berlin-Pass für Schüler in Willkommensklassen kümmern – das dafür versprochene zusätzliche Personal sei aber noch nicht in den Schulen angekommen. Beispiel Schulplätze: Obwohl die Anmeldungen für die Erstklässler bereits im vergangenen Oktober waren, scheinen viele Bezirke vom Schülerzuwachs überfordert. „Schulen sollen jetzt Raumkonzepte für Ganztagsbetrieb oder Inklusion über den Haufen werfen, obwohl sie diese erst vor Kurzem entwickeln sollten. Ein Armutszeugnis“, sagt Nuri Kiefer vom GEW-Vorstand. Viel Hoffnung, dass künftig besser geplant wird, haben die Gewerkschafter nicht: Obwohl feststeht, dass in Mitte auch in den kommenden Jahren deutlich mehr Räume benötigt würden, habe der Bezirk bisher keinen Antrag für Ergänzungsbauten gestellt.