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Mehr als harmlose Rangeleien: Die Grundschulen führen die Gewaltstatistik an.
© Imago

Drohungen und Beleidigungen: Gewalt an Berliner Schulen nimmt zu

Die Gewalt an Schulen nimmt zu, im Schuljahr 2012/13 gab es besonders einen Anstieg leichterer Gewalttaten wie Drohungen oder Beleidigungen. Doch so alarmierend die Zahlen auch sind, gerade weil sie gestiegen sind, bieten sie auch Anlass zur Beruhigung - und das liegt im Wesen der Statistik

Erst kürzlich stach ein Neuntklässler auf einen Gleichaltrigen ein – auf dem Schulhof, vor den Augen der Mitschüler am Ende der großen Pause. Derart schwere Gewaltvorfälle sind zwar immer noch die Ausnahme. Doch die von Schulen gemeldeten Fälle leichterer Gewalt sind im vergangenen Schuljahr stark gestiegen. Das geht aus der Antwort der Bildungsverwaltung auf eine am Donnerstag veröffentlichte Anfrage des SPD-Politikers Joschka Langenbrinck hervor.

Für das Schuljahr 2012/2013 meldeten 410 der 670 Berliner Schulen danach 1418 Vorfälle aus der Rubrik Beleidigung, Drohung oder Tätlichkeit, im Vorjahr waren dies 1202 Fälle und im Vorvorjahr 876. Auch die Zahl der Bedrohungen stieg – von 102 über 305 auf 311 im vergangenen Schuljahr. Bedrohungen gehören dem so genannten Gefährdungsgrad II an und sollen von den Schulen binnen 24 Stunden gemeldet werden. Auch die Anzahl der Fälle von schwerer körperlicher Gewalt ist gegenüber dem Vorjahr gestiegen, von 433 auf 443 Fälle; allerdings waren es im Vorvorjahr 586.

Beleidigungen, Drohungen und Tätlichkeiten gehören zum Gefährdungsgrad I und müssen nicht gemeldet werden. Gerade diese Vorfälle sind es aber, die nach Überzeugung von Langenbrinck das Klima und den Alltag an einer Schule prägen. Der SPD-Bildungspolitiker, der diese Art Anfragen regelmäßig stellt, geht davon aus, dass es einen viel größeren „Graubereich“ gibt, also viele Fälle, die mangels Meldepflicht nicht bekannt werden. „Kommt ein Schüler mit Mobbing durch, ist der Schritt zu körperlichen Übergriffen nicht mehr weit“, sagt Langenbrinck. "Mobbing, Beleidigungen und Tätlichkeiten sind keine Kavaliersdelikte, sondern prägen den Schulalltag.“

Zahl der gemeldeten Mobbing-Fälle

Die Bildungsverwaltung will die Zahlen nicht so verstanden wissen, dass sie eine Zunahme der Vorfälle zeigten. „Sie zeigen ein Meldeverhalten“, sagte Sprecherin Beate Stoffers. „Sie zeigen, dass die Schulen sensibel reagieren und Mut zur Transparenz haben.“ Stoffers hob hervor, dass die Schulen in großem Ausmaß und großer Vielfalt präventiv arbeiten – mit Projekttagen zum Thema Mobbing, mit Streitschlichtern, Konfliktlotsen, Schulpsychologen.

Die Zahl der gemeldeten Mobbing-Fälle ist konstant geblieben, es waren in den drei erfassten Schuljahren je 93. Gestiegen ist die Zahl der Fälle, in denen Schüler Suizidabsichten äußerten - von 26 im Jahr 2010/2011 über 41 auf zuletzt 61 im Schuljahr 2012/2013. Das könnte mit Mobbing zusammenhängen – oder mit dem gestiegenen Leistungsdruck, wie zum Beispiel Landeselternsprecherin Lieselotte Stockhausen-Döring meint, etwa „durch die Schulzeitverkürzung“.

Die Zunahme der Fälle speziell im Bereich der leichteren Gewalttaten führt sie auch auf eine gestiegene Sensibilität zurück. „Viele Schüler beschweren sich bei Rangeleien sofort“, sagt Stockhausen-Döring. Möglicherweise sei das Klima auch ruppiger geworden, speziell an einigen Brennpunktschulen.

Stockhausen-Döring kritisierte die mangelnde Bereitschaft der Lehrer, aktiv zu werden: „An manchen Schulen haben die Lehrer regelrecht Angst davor, einzugreifen.“ Die Zahl der Übergriffe auf das Schulpersonal ist von 464 auf 439 leicht gesunken.

Fatina Keilani

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