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Die drei Angeklagten vor dem Landgericht in Berlin-Moabit.
© dpa

Die Schule der jungen Taschendiebe: Geständnisse im Prozess um eingeschleuste Banden

Die mutmaßlichen Drahtzieher einer Taschendiebstahl-Bande haben die Vorwürfe eingeräumt. Sie sollen Teams mit jungen Dieben zusammengestellt, instruiert und nach Berlin zum Stehlen geschickt haben.

Die Mutter jammerte laut und weinte viel, nicht anders der Sohn. Und der Vater hielt sich mit schmerzverzerrtem Gesicht den Kopf. Sie gelten als mutmaßliche Drahtzieher im organisierten Taschendiebstahl. Jahrelang liefen Ermittlungen, die zu drei Familien in der ostrumänischen Stadt Iasi führten. Die Beweise sind wohl erdrückend: Im Pilotprozess gestanden die Eltern und ihr Sohn am dritten Verhandlungstag – tränenreich.

Mircea A., seine Frau Somna C. und Sohn Vasile C. sollen in ihrer Heimat Teams mit jungen Dieben zusammengestellt, instruiert, nach Berlin zum Stehlen geschickt und überwacht haben. Die Mutter erklärte über ihre Verteidigerinnen: „Wir sind einfach sehr arm.“ Sie würden in einem kleinen Haus leben, zwei Zimmer für acht Personen, nur ein Ofen. Früher habe sie als Tagelöhnerin verdienen können. „Seitdem die da ihre Demokratie haben, gibt es keine Arbeit für Menschen wie mich.“ Deshalb sei sie mit Diebstählen einverstanden gewesen. Die Angeklagten gehören zur Volksgruppe der Roma.

Bislang wohl größtes Verfahren in Europa

Sohn Vasile C. soll einst in Paris dabei erwischt worden sein, wie er Geld aus fremden Taschen zog. Das war 2012. 2014 habe er seine Mutter angerufen und gefordert, sie solle seinen jüngeren Bruder schicken, „damit er das Klauen lernt.“

Ende 2015 wurde der Sohn in Spanien festgenommen. Sein Verteidiger erklärte: „Er räumt die Vorwürfe reumütig ein.“ Er habe die „ärmlichen Lebensverhältnisse in der Heimat lindern“ wollen. Weil er ein „Angstpatient“ sei, habe Vasile C. von sich aus die Finger vom Klauen gelassen. „Er will nun etwas Vernünftiges machen.“

In dem bislang wohl größten Verfahren in Europa gegen den organisierten Taschendiebstahl haben die Ermittler 79 Verdächtige ausgemacht. Sieben seien mutmaßliche Drahtzieher der Klau-Touren in Metropolen. Im Pilotverfahren geht es um 21 Taten in Berlin. Zu den Geständnissen war es nach einem Verständigungsvorschlag der Richter gekommen. Dem 41-jährigen C. drohen nun maximal drei Jahre und acht Monate, der 42-jährigen Mutter höchstens zwei Jahre und acht Monate. Der Sohn kann auf Bewährung hoffen.

Kerstin Gehrke

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