Debatte über die "Diese eG": Genossenschaften halten Vorkauf für unwirtschaftlich
Theoretisch können Genossenschaften für den Vorkauf von Mietshäusern jetzt einen Zuschuss vom Senat bekommen. Praktisch sei das aber kaum möglich, heißt es.
Berliner Genossenschaften halten den Kauf von Mietshäusern in Milieuschutzgebieten im Regelfall für nicht wirtschaftlich. „In den letzten Jahren haben bei uns verstärkt Hausgemeinschaften angefragt, ob wir ihr Haus kaufen können“, sagte Thorsten Schmitt, Vorstand der Berliner Bau- und Wohnungsgenossenschaft von 1892 eG , die zum Zusammenschluss der Wohnungsbaugenossenschaften Berlin gehört, dem Tagesspiegel. Das wisse er auch von seinen Kollegen.
Theoretisch ist das möglich und seit vergangener Woche können auch Genossenschaften beim Kauf von Wohnhäusern staatlich subventioniert werden. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die Objekte im Milieuschutzgebiet liegen, das Vorkaufsrecht greift, und dass keine der sechs landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften das Haus haben möchte.
10 Prozent Zuschuss reichen nicht aus
Doch praktisch handhabbar sei das nicht. „In vielen Fällen besteht ein risikoreicher Instandhaltungsstau und das bei überhöhtem Kaufpreis“, sagt Schmitt. „Das ist für uns als Genossenschaft nicht wirtschaftlich und wäre unseren Mitgliedern gegenüber nicht verantwortungsvoll – auch nicht mit einem 10-Prozent-Zuschuss.“
Ein solcher Zuschuss steht den Käufern in Aussicht, das hatte der Hauptausschuss am Mittwoch entschieden. Ungewöhnlich dabei: Als möglicher Empfänger der Zuschüsse wurde in der Vorlage der Finanzverwaltung explizit die „Diese eG“ genannt, eine neu gegründete Genossenschaft, die vorab schon aktiv geworden ist und in Zusammenarbeit mit dem dortigen Baustadtrat Florian Schmidt (Grüne) in Friedrichshain-Kreuzberg für fünf Altbauten das Vorkaufsrecht ausüben soll. Allerdings ohne zuvor gesicherte Finanzierungszusagen.
Mietendeckel für Genossenschaften sei „kontraproduktiv“
Dass das Finanzierungsmodell der „Diese eG“ auch Mieterhöhungen vorsieht, widerspricht außerdem dem vom Senat beschlossenen Mietendeckel, der bis Oktober in ein Gesetz münden soll. Die genaue Ausgestaltung des Mietenstopps steht also erst dann fest.
Den Mietendeckel hält Schmitt auch im Zusammenhang mit dem politisch gewünschten Häuserkauf durch Genossenschaften für „kontraproduktiv“. Denn „er schränkt unsere Möglichkeiten, den dringend erforderlichen Neubau zu realisieren genauso ein wie einen Zukauf“. Mit einem Mietendeckel könnten die Genossenschaften kaum Rücklagen und Überschüsse für Investitionen im Sinne ihrer Mitglieder bilden.
Betroffene Mieter wollen Zeichen gegen „die Zerstörung des sozialen Kapitals“ in Berlin setzen
Und Schmitt stellt die Gegenfrage: „Warum sollten wir Häuser kaufen, die die städtischen Wohnungsbaugesellschaften abgelehnt haben?“ In der Tat schrecken landeseigene Wohnungsbaugesellschaften häufig vor dem Immobilienkauf zurück, weil hohe Kaufpreise eine Wirtschaftlichkeit erschweren, wenn gleichzeitig die Mieten sozialverträglich gehalten werden sollen.
„Wir haben uns bereit erklärt, auch persönlich Risiken einzugehen, um unsere Häuser vor der Umwandlung in Renditeobjekte zu bewahren“, erklärten dagegen betroffene Mieter der Häuser, die durch die „Diese eG“ gekauft werden sollen, am Sonntag in den sozialen Medien. Sie geben an, damit auch ein Zeichen gegen „die Zerstörung des sozialen Kapitals“ in Berlin setzen zu wollen.