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Die Genossenschaft "Bürgerenergie Berlin" will ein Stück vom Stromnetz kaufen.
© dpa

Berliner Stromnetz: Genossenschaft Bürgerenergie Berlin tritt gegen Vattenfall an

Eine Initiative plant die Finanzierung des Netzkaufs und setzt dabei auf die Berliner als Investoren. Bisher haben die Genossen 7,5 Millionen Euro zusammengelegt - gerade mal ein Prozent des geschätzten Preises. Erfolgsaussichten versprechen sie sich trotzdem.

Luise Neumann-Cosel ist Ende 20 und sieht mit ihrem Nasenring und ihren Wuschelhaaren aus wie eine Friedrichshainer Pflanze. Aber sie redet wie eine gut geschulte Bankberaterin. Sie kann Leuten Lust darauf machen, selbst ein Stück vom Stromnetz zu kaufen. Genau das will sie – als Initiatorin und Vorstand der Genossenschaft „Bürgerenergie Berlin“, BEB.

Die Genossenschaft hat sich um die Übernahme des Berliner Stromnetzes beworben, konkurriert also unter anderem mit Vattenfall und dem von der Stadtentwicklungsverwaltung gegründeten Landesbetrieb Berlin Energie. Wobei sie Letzteren zugleich als Partner braucht. Denn die BEB hat sich nicht als alleiniger Stromnetzbetreiber beworben, sondern nur für die ebenfalls mögliche Option einer Partnerschaft. Dahinter steckt die Idee, dass das Land und seine Bürger das Netz gemeinsam betreiben und die erwarteten Erträge in der Stadt bleiben sollen.

Genossenschaft hat bisher 7,5 Millionen Euro zusammengelegt

Nach Auskunft von Neumann-Cosel haben bisher rund 1500 Personen gut 7,5 Millionen Euro zusammengelegt. Der größere Teil liege auf einem Treuhandkonto. Hinzu kämen verbindliche Zusagen für den Erfolgsfall. Den Einwand, dass der Genossenschaft damit noch etwa 99 Prozent des grob auf eine Milliarde Euro geschätzten Preises für die Netzübernahme fehlen, kontert sie mit folgender Rechnung: Die BEB wolle nur zu 25 bis 49 Prozent beteiligt sein. Von den dafür fälligen 250 bis 500 Millionen Euro müssten sie im Idealfall 40 Prozent Eigenkapital, also 100 bis 200 Millionen aufbringen. Die könnten über die Ausgabe von Anteilsscheinen eingesammelt werden. Erfahrungen aus anderen Kommunen hätten gezeigt, dass der Kapitalfluss schlagartig anschwelle, sobald der Zuschlag erteilt und die Sache verbindlich sei. Im Übrigen handele es sich bei dem BEB-Beitrag um reales Eigenkapital, während das Land seinen Einstieg auf Kredit finanzieren müsste.

„Dadurch, dass es so wenige Risiken gibt, ist es auch für ganz normale Anleger interessant und nicht nur für strategische Investoren“, sagt Neumann-Cosel und klingt nun wieder wie die Bankberaterin. Ein Kommunalbetrieb plus Genossenschaft wäre mit geringeren Margen zufrieden als ein Konzern, und trotz staatlicher Regulierung des Netzbetriebes gebe es auch inhaltliche Stellschrauben: Zurzeit seien die Vorgaben nicht auf langfristige Optimierung des Netzes für erneuerbare Energien, sondern auf kurzfristige Effizienz ausgerichtet – also auf die wirtschaftliche Logik von Kapitalgesellschaften statt auf Investition in Speicher- und Steuerungstechnik, die das schwankende Angebot von Sonne, Wind & Co. verlangt. Deshalb lohne sich der Einstieg, an dessen Sinn viele Experten zweifeln.

Cleverste Finanzierung sichert noch keine stabile Stromversorgung

Mit der Initiative Energietisch arbeitet die Genossenschaft zwar zusammen, aber sie will mehr sein als deren Kapitalbeschaffer. Vor allem ist sie als Bewerber selbst am Verfahren beteiligt und kann bei der Bewerbung mitreden. Das hat sie bereits in Form einer „Verfahrensrüge“ bei der federführenden Finanzverwaltung getan: Platzhirsch Vattenfall sichere sich einen unlauteren Vorteil, weil das Unternehmen nicht alle Informationen über seine Stromnetz-Tochter herausrücke – etwa zu Personal- und Kostenstruktur. Dafür interessieren sich die Genossen schon deshalb, weil sie im Erfolgsfall möglichst viele Vattenfall-Mitarbeiter übernehmen wollen. Denn selbst die cleverste Finanzierung sichert noch keine stabile Stromversorgung.

Stefan Jacobs

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