Hilfe während der Chemotherapie und danach: Gemeinsam gegen die Angst
Mitten im Leben die Diagnose: Krebs. Ein Schock. Die „Stiftung für junge Erwachsene mit Krebs“ hilft 18- bis 39-Jährigen.
Schlimme Rückenschmerzen plagten Timur schon während seines spannenden Sommers in Washington D.C. im vergangenen Jahr. Der Student der Nordamerikanistik an der Freien Universität Berlin hatte die Möglichkeit, dort Praktika unter anderem im Kongress zu absolvieren. „Ich muss mehr Sport machen“, dachte sich der junge Mann. Aber dadurch wurde alles noch schlimmer.
Was ist denn mit mir los? Die Sorge blieb, aber an etwas wirklich Schlimmes hat Timur nie gedacht. Krebs? Kam in seinen Gedanken gar nicht vor.
Heute, nach überstandener Krankheit, engagiert sich der 23-Jährige als ehrenamtlicher Berater bei der Deutschen Stiftung für junge Erwachsene mit Krebs. Alle freiwilligen Helfer dort sind ehemalige Patienten. Schließlich wissen sie am besten, an welcher Stelle Hilfe dringend gebraucht würde, welche besonderen Bedürfnisse gerade junger Menschen überhaupt nicht berücksichtigt werden im Gesundheitssystem, und welche Projekte in dem Zusammenhang sinnvoll wären.
„Wir sind eine vergleichsweise kleine Gruppe“, sagt er über die 18- bis 39-Jährigen, für die die Stiftung Ansprechpartnerin ist. Für Kinder gebe es ganz viele Angebote, für ältere Menschen ebenfalls. In seiner Altersklasse ist es etwas anderes. „In unserer Altersgruppe gibt es nur etwa 15 000 Neuerkrankungen im Jahr.“
Doch wenn die Krankheit diagnostiziert wird, ist schnelles Handeln geboten. In den ersten 48 Stunden nach der Diagnose wäre Hilfe nach seiner Beobachtung sehr wichtig gewesen, sagt Timur – er will hier gern nur mit dem Vornamen genannt werden.
Den Gang zum Arzt hat der junge Mann, auch um die Kreditkarte zu schonen, bis nach der Rückkehr nach Deutschland verschoben. Der Urologe, der ihm dann die verheerende Diagnose stellte, konnte mit dem Thema Krebs gar nicht umgehen. Erst später, als Timur zu den Onkologen kam, erlebte er Menschen, „die die emotionale Reife hatten, um sich in seine Situation einzufühlen“. Aber zunächst fühlte sich alles ziemlich niederschmetternd an.
Timur hatte noch Glück. Seine große Familie fing ihn auf, half ihm durch die schwere Zeit hindurch. Am 11. September machte der Amerikanistik-Student die erste Operation durch. Es folgten drei Zyklen einer Chemotherapie, im Dezember eine Reha, dann noch mal eine Operation im Februar. Überall am Rande dieses Weges lauerten Stolpersteine, die er nun anderen Altersgenossen gern aus dem Weg räumen würde.
Eine der schlimmsten Hürden stand für ihn gleich am Anfang. Seine Diagnose lautete auf Hodenkrebs. „Wenn man jung ist und wie ich einen Kinderwunsch hat, ist es sehr sinnvoll, Spermien einfrieren zu lassen“, sagt er, „und krebskranke Frauen können Eizellen einfrieren lassen.“
Allerdings übernehmen die Krankenkassen die Kosten in Höhe von mehr als 1000 Euro dafür nicht. Timur hatte Glück, dass sein Vater einsprang und bei der Finanzierung half. „Das ist eine ganz wichtige Rückversicherung, dass man auch dann noch Kinder haben kann, wenn bei der Operation mal ein wichtiger Nerv durchgetrennt wird oder bei der Chemo etwas schief geht.“
Diesem gesundheitspolitischen Thema will er nach der Erfahrung mit all den Ängsten, die mit der Erkrankung verbunden sind, gern mehr Aufmerksamkeit verschaffen. Bei ihm sei glücklicherweise alles gut gegangen, aber es sei eben doch auch eine große Beruhigung für ihn, dass das mit dem Einfrieren geklappt hat.
Auch sonst gab es Fragen, wo er zusätzlichen Unterstützungsbedarf gesehen hätte. „Man muss unendlich viel organisieren, muss schauen, dass Röntgenbilder und MRTs an den richtigen Stellen landen.“ Das ist nicht einfach, wenn jemand vielleicht ganz allein ist.
Er erinnert sich noch gut, wie schwach er sich gefühlt hat während der Chemotherapie. „Da konnte ich nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren und bin nur mit Mundschutz rausgegangen.“ Die Frage, ob sie eine Reha machen wollen oder sich noch einer zweiten Operation unterziehen, überlassen die Ärzte oft den Patienten. Auch da ist guter Rat manchmal wichtig.
Das Krebsportal ist ein Leuchtturmprojekt der Stiftung, in dem es auch um Beantragung finanzieller Hilfen geht, um beruflichen Wiedereinstieg und um Rehabilitation. Mehr als 1000 Portal-Besucher zeigen, wie groß der Bedarf ist. Die Stiftung ermöglicht zudem Chancen zum Netzwerken und zur Begegnung, zuletzt bei einem Picknick aus Anlass ihres zweiten Geburtstags.
Die Deutsche Stiftung für junge Erwachsene mit Krebs war im Juli 2014 von der DGHO Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie e.V. gegründet worden. Die Idee ergab sich aus dem Wissen, dass eine Krebsdiagnose besonders für Menschen im Alter von 18 bis 39 Jahren einen gravierenden Einschnitt in die gesamte Lebens- und Zukunftsplanung bedeutet. Da gibt es viele gute Gründe für Ehrenamtliche, sich in dem Bereich zu engagieren.
Im Nachhinein betrachtet Timur die Diagnose als Befreiung. „Vorher ging es mir ja schon körperlich schlecht, und ich wusste nicht, wieso.“ Nach gewonnenem Kampf hofft er nun, dass der Krebs nicht wiederkommt. Im September will er in Oxford weiterstudieren.
Deutsche Stiftung für junge Erwachsene mit Krebs, Alexanderplatz 1, 10178 Berlin. Telefonnummer: 28 09 30 56 0, Faxnummer: 28 09 30 56 9. Die Seite im Internet: www.junge-erwachsene-mit-krebs.de. Und die E-Mail-Adresse lautet: info@junge-erwachsene-mit-krebs.de