Streit um Körperwelten in Berlin: Gemeinde wehrt sich gegen Leichenschau am Alex
Eigentlich schien alles klar: Die umstrittenen "Körperwelten" von Leichenplastinator Gunther von Hagens ziehen unter den Fernsehturm. Doch die St. Marien-Gemeinde wehrt sich dagegen - und nicht nur sie.
Die evangelischen Kirchengemeinden Berlins bleiben auf Konfrontationskurs. „Verstorbene Menschen sollte man nicht zur Schau stellen und als Kassenschlager nutzen“ protestieren sie – und wenden sich so gegen die am Alexanderplatz geplante Dauerausstellung präparierter Körper und Leichenteile. Auch die Tourismus-Werber von "Visit Berlin" lehnen das Vorhaben ab. Sie sind zwar nicht wie die Protestanten generell dagegen, befürchten aber, "dass eine Leichen-Ausstellung an einem hervorgehobenen Ort wie der historischen Mitte Berlins" dem Image der Hauptstadt schaden könnte. Wie berichtet, hat der Bezirk Mitte Ende April dem umstrittenen Plastinator Gunther von Hagen erlaubt, im ersten Stock des Fernsehturmsockels ein Körperwelten-Museum auf 1200 Quadratmetern Fläche einzurichten.
Die evangelische St.-Marien-Gemeinde, deren Gotteshaus nahe dem Fernsehturm steht, schickte sofort nach dem Bezirksbeschluss einen Brief an den zuständigen Baustadtrat Carsten Spallek (CDU). Darin bittet sie ihn auch im Namen anderer Gemeinden, seine Entscheidung zu überdenken. Man dürfe nicht unter dem Vorwand medizinischer Aufklärung würdelos mit Toten umgehen. Außerdem habe der Bezirk beschlossen, „den Bedürfnissen von Kindern und Jugendlichen bei der Gestaltung des Alexanderplatzes besonders Rechnung zu tragen“. Die Körperweltenschau gefährde aber Kinder. Unterstützt wird der Protest auch von den katholischen Kirchengemeinden Berlins. Sie lehnen die Ausstellung gleichfalls aus christlich-ethischen Motiven ab. „Leichen werden ihrer Identität beraubt, bis auf die Haut entblößt, dafür aber mit Plastik ausgegossen und sind prinzipiell auf ewig zu betrachten", wendet sich Weihbischof Matthias Heinrich gegen die Konservierung von Toten.
Stadtrat Spallek begründet die Erlaubnis damit, er könne nur baurechtliche Aspekte prüfen. Für eine inhaltliche Abwägung fehle die rechtliche Grundlage. Angesichts der Freiheit der Kunst wäre alles andere zudem fragwürdig. Auch der Vermieter der Räume, eine Luxemburger Immobilienfirma, teilte der St.-Marien-Gemeinde auf ihren Protest hin mit, man könne nichts mehr machen. Die Tinte auf dem Vertrag sei schon trocken. Falls die Körperwelten-Schau wie vorgesehen im Herbst eröffnet wird, wollen die Protestanten zeitgleich mehrere Gegenveranstaltungen zum Thema „Tod und Würde“ anbieten.
Aus Sicht des Geschäftsführers der Tourismus-Marketinggesellschaft "Visit Berlin", Burkhard Kieker, ist die Körperwelten-Ausstellung „zu reißerisch und kommerziell". Derzeit diskutiere man intensiv über eine qualitätsvolle Neugestaltung der historischen Stadtmitte. Es wäre deshalb falsch, jetzt Tatsachen zu schaffen, die später dem neuen Konzept entgegenstünden. Man dürfe nicht vergessen, "dass es sich um eine Schau von Leichen handelt". Über künftige Schritte in der Mitte Berlins sollte man lieber länger nachdenken. Einen anderen, weniger hervorgehobenen Ort für von Hagens Körperwelten-Museum könnte sich Kieker aber vorstellen.
Scharfe Kritik auch von der Linken und CDU
Erst vor kurzem hatte sich auch die Linkspartei im Berliner Abgeordnetenhaus gegen die Schau ausgesprochen. Es sei nur die halbe Wahrheit, dass der Bezirk Mitte dem Plastinator das Projekt bauordnungsrechtlich nicht versagen könne, sagte die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Katrin Lompscher. Dem Senat sei es offenbar auch „vollkommen egal“, wenn an diesem zentralen Ort der Stadt ein solches Panoptikum entstehe. Der Fernsehturm sei ein herausragendes Wahrzeichen Berlins, betonte Lompscher. Die 1200 Quadratmeter Ausstellungsfläche unweit des Alexanderplatzes sei ein Ort, an dem sich die Hauptstadt mit ihrer vielfältigen Geschichte präsentieren könne. „Dass sich nun ein reines Kommerzprojekt hier dauerhaft ansiedeln soll, ist für die Linksfraktion nicht hinnehmbar“, so Lompscher, die auch Fraktionssprecherin für Bauen, Wohnen und Stadtentwicklung ist.
Auch die Berliner CDU hatte sich bereits gegen die umstrittene Ausstellung ausgesprochen. Es würde nur „die menschliche Sensationslust“ befriedigen, erklärte deren Abgeordnetenhaus-Fraktion. Zudem widerspreche es dem angeblichen wissenschaftlichen Charakter, wenn Ausstellungsbesucher Leichenteile kaufen könnten. (mit KNA)
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