Berliner Wahrzeichen: Gemeinde plant Café in der Gedächtniskirche
Ein Gastronom will ein denkmalgeschütztes Gebäude am Fuß des Turms mieten. Der Baustadtrat hält von dieser Idee allerdings wenig.
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Viele Flaneure auf dem Ku’damm und der Tauentzienstraße finden, dass es dort ruhig wieder mehr Cafés geben solle. Diesen Wunsch möchte die evangelische Gemeinde der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche erfüllen: Das Foyer am westlichen Rand des Breitscheidplatzes – ein von Egon Eiermann gestaltetes Nebengebäude aus dem Jahr 1961 – soll zum Kirchencafé mit Außengastronomie werden. Es gibt allerdings Meinungsverschiedenheiten darüber, ob dies mit dem Denkmalschutz vereinbar ist.
Pfarrer Martin Germer sagt, die Idee sei Gemeindemitgliedern bei einem Besuch in einem Kirchencafé in Köln gekommen. Auch das „Café Einstein“ im Berliner Dom sei ein Beispiel für Gastronomie in einem Gotteshaus. Am Foyer der Gedächtniskirche sei ein „professioneller Betreiber“ interessiert. Der Gemeinde gehe es nicht allein um Einnahmen. Es solle einen Ansprechpartner „für Auskünfte zu Angeboten der Kirche und Hinweise auf seelsorgerische Hilfe“ geben.
Das Gebäude hat die gleiche Wabenfassade wie der neuere Turm und der Kirchensaal, allerdings mit Milchglasscheiben. Bisher sind die Räume im Parterre und Untergeschoss eine soziale Anlauf- und Beratungsstelle. Zum Team gehören ehrenamtliche Mitarbeiter. Es gibt ein wöchentliches Frühstück für Bedürftige, das umliegende Restaurants und die Hilfsorganisation „Berliner Tafel“ unterstützen. Hinzu kommen seelsorgerische Gespräche mit Pfarrern, ein Büro für Kircheneintritte, eine Teestube und Treffen der „Anonymen Alkoholiker“. Träger sind die evangelische Landeskirche und der Verein „Missionarische Dienste Berlin“.
Doch die Landeskirche will die Einrichtung nicht in der bisherigen Form weiterführen. Laut Germer ist die Nutzungsvereinbarung seit dem vorigen Jahr ausgelaufen und die Finanzierung „deutlich heruntergefahren worden“, aktuell würden zwei Pfarrer mit jeweils halber Stelle bezahlt. Germer hat dafür Verständnis, inzwischen gebe es ja „viele andere Angebote“ wie die Stadtmission nahe dem Hauptbahnhof. Aber: „Jetzt sind wir für die bauliche Unterhaltung zuständig.“ Und dazu sei die Gemeinde nicht in der Lage. Schließlich laufe bis zum Frühsommer die Sanierung des Kirchturms. Die 4,2 Millionen Euro teuren Arbeiten werden vor allem durch Spenden und Lottogelder finanziert.
Einnahmen bringen auch die an Souvenirhändler und Imbissbetreiber vermieteten Holzbuden rund um die Kirche. Dieser Markt ist Bezirkspolitikern seit langem ein Dorn im Auge. Der Charlottenburg-Wilmersdorfer Baustadtrat Marc Schulte (SPD) sagt, es gebe eine Vereinbarung, an die die Gemeinde „nicht gerne erinnert“ werde: Nach dem Abschluss der Turmsanierung müssten die Buden weg. Auch Pfarrer Germer findet „ein Café viel passender“. Der Markt trage aber zu „Sauberkeit und Ordnung“ bei. „Fällt er ersatzlos weg, haben wir bald wieder Zustände wie in den 90er Jahren.“ Damals war der Breitscheidplatz bekannt als Treffpunkt von Alkoholikern und Drogensüchtigen, große Mengen an Urin griffen sogar die Bausubstanz der Kirche an.
Ein Café sieht Stadtrat Schulte trotzdem skeptisch. Der Eiermann-Bau sei doppelwandig gebaut, „abgeschottet“ von der Außenwelt und wenig geeignet für Gastronomie. Schulte beruft sich auf ein Gutachten, das die Gemeinde in Auftrag gegeben hatte. Pfarrer Germer gibt zu, die Gutachterin habe dem Baudenkmal eine „so hochklassige Architektur bescheinigt, dass nichts geändert werden dürfe“. Wie es weitergeht, hängt zum Teil vom Landesdenkmalrat ab, der sich soeben über das Gutachten informiert hat. Außerdem soll dieses bald im BVV-Stadtplanungsausschuss vorgestellt werden.
Cay Dobberke