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Kreuz drunter oder eher nicht? Der Senat verlässt sich auf seine Mehrheit im Abgeordnetenhaus bei der Änderung des per Volksentscheids durchgesetzten Tempelhof-Gesetz, das Veränderungen am Feld verbietet.
© Bernd von Jutrczenka/dpa
Update

Berlin-Tempelhof: Gegner mobilisieren gegen Änderung des Volksgesetzes

Das Tempo ist raus aus den Plänen zur Änderung des Volksgesetzes zur Tempelhofer Freiheit. Der BUND ruft zu einem Kompromiss auf. Und Gegner mobilisieren.

Im Eiltempo das Tempelhof-Gesetz kassieren und im Namen der Flüchtlinge die vom Volkswillen gekippten Baufelder durch einen Eingriff in das Volksgesetz vorübergehend für mobile Notunterkünfte doch wieder nutzbar machen – daraus wird erst mal nichts. Jedenfalls nicht bis zum 10. Dezember, den Bausenator Andreas Geisel (SPD) als Termin für die Abstimmung über die umstrittene Gesetzesänderung verkündet hatte. Dafür wird nun händeringend an Änderungen, Einschränkungen und Präzisierungen des überstürzt ins Parlament eingebrachten Gesetzes gefeilt – was den Gegnern Gelegenheit zur Mobilisierung gibt.

Großveranstaltung der Gegner im Heimathafen Neukölln

Die erste Großveranstaltung der Initiatoren des Volksentscheids, für das erst im vergangenen Jahr mehr als 700.000 Berliner votiert hatten, findet am kommenden Montagabend im „Heimathafen“ Neukölln statt. Der ist nicht weit weg vom Rand des Feldes und in dem Quartier leben viele, die die „Freiheit“ in ein quirligen Spiel- und Experimentierfeld verwandelt haben. Die Veranstaltung verspricht die Enthüllung dessen, „was der Senat wirklich am Tempelhofer Feld plant“. Mit 400 Besuchern rechnet Mareike Witt von der Initiative. Und die gibt sich bei dem Hickhack um Inhalt und mögliche Korrekturen der Gesetzesnovelle unversöhnlich: „Da drängt sich doch erst Recht der Verdacht auf, dass es dem Senat nur um eine Änderung des Gesetzes geht, um letztlich zu bauen“. Der Gesetzesentwurf sieht die die Aufstellung provisorischen Hallen auf den ursprünglich als Bauflächen geplanten Rändern des Feldes

Das Misstrauen sitzt tief

Das Misstrauen sitzt tief, nachdem der Regierende Bürgermeister Michael Müller und sein Bausenator Andreas Geisel ihre Absichten scheibchenweise offen legten und das Ausmaß des Eingriffs in Berlins meist besuchteste Grünfläche immer weiter ausdehnten. Zuletzt wollten sie so ziemlich alle Flächen wieder in Beschlag nehmen, die sie vor zwei Jahren mit Neubauten in Beton gießen wollten. Ähnlich wie damals unterschätzten sie wohl die Reaktion von Anwohner, Aktivisten und Skeptikern in eigenen Reihen.

Plötzlich ist die Bauverwaltung offen für Kompromisse

Am Dienstag zeigte sich Baustaatssekretär Christian Gaebler nun plötzlich offen für einen Kompromiss, den der Chef vom Bund für Umwelt und Naturschutz zur Güte anregt. Dem BUND zufolge ist das Tempelhofer Feld mit mehr als zwei Millionen Besuchern jährlich die "beliebteste und am vielfältigsten genutzte Grünfläche Berlins". Grob gesagt sollen nur noch drei oder vier Flächen direkt neben dem – nicht vom Volksgesetz geschützten – Vorfeld des Airport-Gebäudes vom Bauverbot ausgenommen werden. Diese Ränder sind bereits mit Basalt-Platten belegt. Die geliebten Grün-, Grill-, Gärtner- und Spielwiesen am Rande Neuköllns würden nicht angetastet. Und ohnehin soll das Feld ja nur vorübergehend, befristet bis 2019, mit mobilen Notunterkünften in Beschlag genommen werden.

BUND-Chef Heuser wirbt für diesen Vorschlag nun in einem Schreiben an alle Berliner Abgeordnete, damit „die Diskussion wieder „auf tatsächlich geeignete Standorte für mobile Unterkünfte zu fokussieren“ – und nicht länger im Streit darüber endet, „ob das Volksgesetz perspektivisch ausgehebelt“ werden soll.

SPD-Abgeordnete finden Kompromissvorschläge interessant

Bei meinungsstarken SPD-Abgeordneten wie Daniel Buchholz kommt das jedenfalls gut an: „Ich gehe nicht davon aus, dass alle Flächen gebraucht werden, die im Gesetzesentwurf enthalten sind.“ Die Ränder des Rollfeldes zu nutzen, „würde sich auf den ersten Blick anbieten“. Und er begrüßte auch, dass nun „der Diskussionsprozess eröffnet ist“.

CDU-Fraktion fordert Sensibilität im Umfang mit Volksgesetz

Ähnlich die Position des Koalitionspartners. Stefan Evers (CDU) stadtentwicklungspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion sagt: „Bisher hatte sich der Senat nicht substantiell mit den Flächen beschäftigt, sondern wollte mit dem Kopf durch die Wand.“ Inzwischen seien Müller und Geisel aber umgeschwenkt und suchten „konstruktiv nach einer gemeinsamen Lösung für diese Notlage“. Dass nun die Flächen am Rande des Vorfeldes vom Airport-Gebäude in den Blick rücken, findet Evers „nicht überraschend – die drängen sich auf“. Wichtig sei aber vor allem, dass nun „der künstliche Zeitdruck“ aus dem Verfahren raus sei und mehr „Sensibilität herrscht, die den Umgang mit einem Volksgesetz auch erfordert“.

Vor den Feiertagen kommt der Beschluss nicht

In der kommenden Woche werden sich nun die Abgeordnete im Ausschuss für Stadtentwicklung mit den Plänen befassen. Mit der Koalitionsmehrheit von SPD und CDU hatte vor wenigen Tagen bereits der Sozialausschuss im Abgeordnetenhaus die vom Senat vorgeschlagene Änderung des Volksgesetzes zu Tempelhof durchgewunken. Auch der Bauausschuss befasst sich noch mit dem Thema, mit gebührender Distanz, am 6. Januar. Vielleicht kommen dann ja sogar noch andere Aufgaben ins Spiel. Die "Feldschützer" aus dem Kreis der Bürgerinitiative, Anwohner und Nutzer sollen bereits eine Vielzahl von Vorschlägen für bürgerschaftliche Integrations- und Begegnungsprojekten für und mit Geflüchteten entwickelt - ohne Neubauten.

Ralf Schönball

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