Kriminalitätsatlas: Gefährliches Pflaster in Mitte, Tiergarten und Spandau
Raub, Drogen, Diebstahl: Laut Kriminalitätsatlas geschehen in Mitte, Tiergarten und Spandau die meisten Straftaten – aber für viele Ortsteile trügt die Statistik. Wie ist die Lage in den einzelnen Bezirken und Ortsteilen?
Mehr als 200 Seiten umfasst der neue Kriminalitätsatlas, den Innensenator Frank Henkel (CDU) am Montag vorstellen möchte. In dem Dokument, das dem Tagesspiegel vorliegt, hat die Polizei die insgesamt knapp 495 000 Straftaten aus dem Jahr 2011 den einzelnen Ortsteilen in den Bezirken zugeordnet. Ein Überblick.
Reinickendorf: Eigentlich sticht der Bezirk bei den Straftaten nicht hervor. Tegel hingegen fällt berlinweit auf – und liegt bei Rauschgiftdelikten sogar mit an der Spitze. Woran das liegt? Weil neun Prozent aller Straftaten in der dort ansässigen Justizvollzugsanstalt verübt wurden. Rund 80 Prozent aller Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz wurden nur im Gefängnis begangen. Auch in Frohnau sieht es in der Statistik düster aus: Die Kriminalität ist um 30 Prozent angestiegen. Das ist damit zu erklären, dass die Fallzahlen zuvor äußerst gering waren und es 2011 eine größere Betrugsserie gab. Insgesamt nimmt Frohnau Platz 81 der 95 gefährlichsten Ortsteile ein.
Pankow: Insgesamt steht der Bezirk gut da. Entgegen dem Berlintrend stieg die Kriminalität nur um 0,1 Prozent an. Schwere Verbrechen wie Raub und Körperverletzung nahmen sogar um je etwa zehn Prozent ab. Besonders Prenzlauer Berg ist laut Statistik bei Dieben beliebt, die es vor allem auf die vielen Touristen dort abgesehen haben. Der Szeneortsteil ist zudem maßgeblich für den Anstieg in der Drogenkriminalität im ganzen Bezirk von rund 13 Prozent verantwortlich.
Lichtenberg: Die Polizei hat ein Viertel weniger Brandstiftungen registriert. Doch Brandstiftung macht jährlich nur 1300 der fast 500 000 Straftaten aus. Ein Brand mehr schlägt sich äußerst stark in der Statistik nieder. Gefährlich wirkt deshalb auch der Ortsteil Malchow: vierter Platz beim Straßenraub – berlinweit. Tatsächlich gab es eine solche Straftat, Malchow hat aber auch nur 500 Bewohner.
Marzahn-Hellersdorf: Als einziger Bezirk verzeichnet er einen Rückgang der Kriminalität insgesamt. Laut Polizei ist der Grund dafür die schlechte Infrastruktur. Diebstahl etwa könne nur dort begangen werden, wo es Geschäfte gebe, hieß es im Bericht. Wo diese fehlten, sei die Kriminalität niedrig. Ohne Einkaufszentren würden weniger Trinker und Jugendbanden angelockt. Besonders wenig Kriminalität gibt es deshalb in Mahlsdorf.
Treptow-Köpenick: Fast wäre es im Ranking der sicherste Bezirk geworden. Nur Steglitz-Zehlendorf weist weniger Straftaten auf. Ein Drittel weniger Straßenraub im Vergleich zum Vorjahr gab es hier. Lediglich die zentrumsnahen Ortsteile und Nieder- und Oberschöneweide fallen auf.
Was der Kriminalitätsatlas über Neukölln, Mitte und die übrigen Bezirke aussagt
Neukölln: Raub und Rauschgift sind die drängendsten Probleme. Besonders betroffen sind laut Atlas die Bereiche um Hermannstraße, Karl-Marx-Straße und Sonnenallee. Insgesamt konnte die Polizei die hohe Zahl an Straftaten nicht überraschen: Raub und Drogen seien vor allem jugendtypische Delikte. Besonders Neukölln ist einer der Ortsteile mit dem geringsten Durchschnittsalter. Stadtweit sei Straßenraub außerdem von einem hohen Anteil ausländischer Tatverdächtiger geprägt. Auch der Anteil an nicht-deutschen Einwohnern ist besonders hoch.
Tempelhof-Schöneberg: Von allen Bezirken gibt es hier den höchsten Anstieg der Kriminalität im Vergleich zum Vorjahr, mehr als zehn Prozent. Insgesamt liegt die Belastung zwar im Mittelfeld, doch vor allem Diebstähle häufen sich – maßgeblich im Ortsteil Schöneberg.
Steglitz-Zehlendorf: Mit mehr Diebstählen hat auch dieser Bezirk zu kämpfen. Denn in der Statistik fällt auch der Einbruch in die Überkategorie „Diebstahl“. Und Einbrüche gibt es in Berlin immer mehr. Aufgrund der sozialen Struktur in Steglitz-Zehlendorf gibt es hier eine Vielzahl von Einfamilienhäusern und Wohnungen, die für Einbrecher interessant sind. Insgesamt ist der Bezirk gemäß den Zahlen der sicherste Berlins.
Charlottenburg-Wilmersdorf: Insgesamt zählt der Bezirk zu den stärker von Kriminalität belasteten Gegenden. Doch auch hier führt die Statistik in die Irre. Gründe für die hohen Zahlen vor allem Westend sind beispielsweise das Olympiastadion, dass tausende Besucher anlockt oder das Messegelände. Interessant ist auch die Polizeistatistik zum „Planungsraum Messegelände“: So wurden dort 545 Straftaten erfasst – bei offiziell sieben Bewohnern, die dort gemeldet sind.
Spandau: Der Bezirk liegt bei Kriminalität im unteren Durchschnitt, doch der namensgleiche Ortsteil belegt seit Jahren in der Kriminalitätsstatistik die vordersten Plätze. Ein Drittel aller Diebstähle im Bezirk werden dort verübt. Eine Erklärung – neben den Geschäften in den Arkaden und der Altstadt – ist der Nahverkehr: Für die U 7 ist hier Endstation, viele steigen in Busse um. Deshalb halten sich dort viele Ortsfremde auf, die entsprechend mehr Straftaten begehen. In der Statistik werden aber nur die dort gemeldeten Bürger mit den Straftaten in Relation gesetzt. So ergibt sich ein ungewöhnlich hoher Quotient und eine entsprechend schlechte Bewertung für den Ortsteil.
Mitte: Der Bezirk gilt als der gefährlichste in Berlin. Die Polizei erklärt das mit der geringen Bildung, der hohen Arbeitslosigkeit in Wedding und den Großveranstaltungen in Tiergarten. Besonders gefährdet sind Touristen. Die Polizei warnt, dass Diebe sich gezielt Sehenswürdigkeiten aussuchen, um dort Ortsfremde um ihr Eigentum zu bringen. Der Anteil von Taschendiebstählen ist hier doppelt so hoch wie im Berliner Durchschnitt.
Friedrichshain-Kreuzberg. Friedrichshain-Kreuzberg: Viele Touristen und Einheimische feiern und leben hier auf engstem Raum. Die Polizei beobachtet hier seit Jahren eine wachsende Anzahl von Straftaten. Und die Statistik schönt die Zahl sogar noch: Da S-Bahnhöfe und Delikte in S-Bahnzügen Sache der Bundespolizei sind, werden sie vom Kriminalitätsatlas nicht erfasst. Allein am Ostkreuz steigen aber täglich Tausende von Fahrgästen um.
Sidney Gennies
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