zum Hauptinhalt
So könnte Brandenburg in Zukunft aussehen, wenn es nach Ihno Gebhardt ginge: Außer dem Kreis um Cottbus grenzen alle neuen Landkreise an Berlin.
© Tsp

Brandenburg auf Berlin zuschneiden: Gebietsreform: Acht statt achtzehn Landkreise

Der Kommunalexperte Ihno Gebhardt hält acht Landkreise in Brandenburg für ausreichend. Sie könnten wie Tortenstücke auf Berlin zugeschnitten sein. Aber er befürchtet ein „Kreisreförmchen“.

Es ist ein ungewöhnlicher Vorstoß für die geplante Kreisgebietsreform, die im Land Brandenburg für 2019 vorbereitet wird – ein Reizprojekt wie die vergangene Bezirksreform in Berlin. Während sich die rot-rote Regierung noch bedeckt hält, SPD-Innenminister Karl-Heinz Schröter im Frühsommer zunächst ein „Leitbild“ als Diskussionsgrundlage präsentieren will, stellt jetzt ein ausgewiesener Brandenburger Verwaltungsexperte ein eigenes Reform-Modell vor: Juraprofessor Ihno Gebhardt will statt bislang vierzehn Landkreise und vier kreisfreie Städte künftig nur noch acht Gebietskörperschaften – davon sieben große Landkreise und Potsdam als einzige kreisfreie Stadt (siehe Karte). „Acht Kreise sind künftig genug“, sagt der 54-jährige Dozent an der Fachhochschule der Polizei. „Mehr sind für ein Land wie Brandenburg langfristig nicht nötig, um eine professionelle Verwaltung zu gewährleisten.“

„Ich befürchte, dass man zu vorsichtig an das Projekt herangeht“

Gebhardt ist Spezialist für Verwaltungs- und Gebietsreformen. Er arbeitete früher im brandenburgischen Innenministerium und bereitete dort die Gemeindegebietsreform 2003 mit vor. In der letzten Legislaturperiode war er als Experte Mitglied der Enquete-Kommission des Landtages für den Umbau der Verwaltungsstrukturen. Der war wegen der demografischen Entwicklung nötig geworden. Maßgeblich mitverantwortlich war er für den Abschlussbericht, in dem „sieben bis zehn Kreise“ empfohlen wurden, ohne konkretes Modell. Die Linken hatten ihn in den Ausschuss entsandt, obwohl er SPD-Mitglied ist.

Seinen jetzigen Schritt an die Öffentlichkeit begründet Gebhardt mit der Sorge, dass die rot-rote Koalition bei dem unpopulären Vorhaben zu kurz springen könnte. „Ich befürchte, dass man von vornherein zu vorsichtig an dieses wohl wichtigste Projekt dieser Legislaturperiode herangeht.“ Brandenburg brauche aber „keine Kosmetik“, bei der nur geringfügige Korrekturen am Zuschnitt der Kreise vorgenommen würden, die in zehn, fünfzehn Jahren schon wieder zur Disposition stehen. „Ein Kreisreförmchen reicht nicht aus.“

Im rot-roten Koalitionsvertrag steht, dass es „nicht mehr als zehn Kreise“ sein sollen. Die von Gebhardt vorgesehenen Großkreise sollen ähnlich wie Tortenstücke berlinferne, strukturschwache Regionen und das dynamische Berliner Umland miteinander verbinden. „Hierdurch wird ein gewisser Ausgleich erzeugt.“

Gebhardt spricht mögliche Fusion mit Berlin an

Ein Beispiel ist der von ihm vorgeschlagene Prignitz-Havelland-Kreis, der vom Nordwesten der Mark bis an die Stadtgrenze Berlins reichen würde. Eine Besonderheit wäre auch der Lausitz-Kreis um Cottbus, mit dem das Siedlungsgebiet der Sorben – zurzeit auf drei Kreise verteilt – in einem Kreis liegen würde. Gebhardt führt noch ein Argument an, das in Brandenburg allerdings „nicht gern gehört wird“, wie er sagt: die mögliche Fusion mit Berlin, falls es zu der doch irgendwann kommen sollte, „auch wenn die Kleinstaaterei in Deutschland eine lange Tradition hat“. Wenn die Fusion komme, sei es sinnvoll, wenn es auf brandenburgischer Seite starke Kreise gebe, „die ein Gegengewicht zur Großstadt bilden“.

Die geplante Kreisgebietsreform ist umstritten. Die CDU-Opposition im Landtag lehnt sie ab. In Brandenburg an der Havel, Cottbus und Frankfurt (Oder) gibt es massive Widerstände, weil die Städte ihre Kreisfreiheit verlieren sollen. Gebhardt hält die Sorgen, etwa vor einem Identitätsverlust, für unbegründet: „Landkreise stiften keine Identität.“ Er verweist auf eine repräsentative Umfrage im Auftrag der Enquete-Kommission, die das belegte. „Die Leute identifizieren sich mit der Gemeinde, in der sie leben, und mit dem Land Brandenburg.“

Nach seiner Analyse liegt das Hauptrisiko für die Kreisgebietsreform bei der Politik selbst – nämlich darin, die erforderlichen Landtagsmehrheiten zu organisieren. Die rot-rote Koalition im Parlament hat nur eine knappe Mehrheit von drei Stimmen. Es gebe aber allein sieben Abgeordnete von SPD und Linken, die aus von Einkreisung bedrohten Städten kämen. Deshalb prophezeit Gebhardt, dass am Ende dem Abstimmungsverhalten der oppositionellen Grünen-Landtagsfraktion eine entscheidende Bedeutung zukomme, ob die Reform gelingt.

Das gesamte Interview mit Verwaltungsreform-Experten Ihno Gebhardt lesen Sie hier.

Zur Startseite