Architektur: Ganz neue Töne
Die Staatsoper Unter den Linden muss saniert werden. Doch der Sieger-Entwurf ist vielen zu modern. Übereinstimmung herrscht jedoch bei allen in einem Punkt: Die Akustik und die Sicht in dem DDR-Bau muss besser werden.
In der Oper müssen es immer gleich die ganz großen Gefühle sein: Dem Sieger bläst man den Triumphmarsch, der Verlierer bekommt einen Speer in den Rücken gerammt. Kein Wunder, dass die Emotionen auch bei der Frage hochkochen, wie die Staatsoper nach der Grundsanierung aussehen soll. Bis zu 265 Millionen Euro wird es kosten, den Musentempel samt Nebengebäuden ab Herbst 2010 bis auf die Grundmauern abzutragen und wieder aufzubauen. Drei Jahre später soll in Berlins Mitte dann ein Musiktheater mit Zukunft eröffnet werden. Wobei die einen darunter verstehen, dass Unter den Linden ein Traditionsbau in alter Pracht wiederaufersteht. Die anderen finden stattdessen, jetzt sei die Zeit für mutige Entscheidungen. Nach dem Motto: Wenn schon so viel Geld ausgegeben wird, dann soll bitteschön auch alles perfekt sein. Und zwar für die Darsteller wie für die Zuschauer: auf der Bühne modernste Technik, im Saal beste Sicht- und Hörbedingungen.
In der vergangenen Woche saß eine neunköpfige Jury zusammen, um über die Gestaltung des Zuschauerraumes zu beraten. Der aktuelle Saal, Anfang der fünfziger Jahre vom Architekten Richard Paulick im Stil dem preußischen Rokoko nachempfunden, hat gravierende akustische Mängel. Rund ein Viertel der 1400 Plätze bietet zudem nur eine eingeschränkte Sicht auf die Bühne. Acht Architekturbüros waren eingeladen worden, sich Gedanken darüber zu machen, ob sich der von vielen Besuchern geliebte historisierende Saal so umbauen lässt, dass einerseits Kristalllüster und goldene Stuckaturen erhalten bleiben, andererseits die Mängel behoben werden. Sechs Teams legten Entwürfe vor, die Paulicks denkmalgeschützte Version weiterdenken, zwei Architekten dagegen plädierten dafür, einen ganz neuen Saal einzubauen.
Außen alt, innen Rokoko - so wünschen sich die Kritiker die Bühne
Für einen dieser beiden radikalen Vorschläge entschied sich die Jury mit deutlicher Zweidrittelmehrheit. Klaus Roth will das bisher ebenerdige Parkett ansteigen lassen, so dass die hinterste Reihe sich dann auf der Höhe des Apollosaales befinden wird. Das nimmt eine Idee des Ursprungsbaus von Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff aus dem Jahr 1742 auf. Die Ränge sollen viel steiler werden, um die Sicht- und Hörbedingungen zu verbessern. Hauptelement des Entwurfs ist die Decke, die aus mehreren spiralförmig angelegten Ringen besteht. Diese sollen den Kronleuchter ersetzen. Fassade, Apollosaal sowie alle Foyers sollen genau so wieder erstehen, wie sie Richard Paulick 1951 in freier Nachahmung der Architektur des 18. Jahrhunderts erfunden hat. Generalmusikdirektor Daniel Barenboim hat bereits Zustimmung signalisiert. „Das machen wir“, zitierte Hans Hoffmann, technischer Direktor der Staatsoper, den Dirigenten.
Zu den Befürwortern des Sieger-Entwurfs von Klaus Roth in der Jury zählen neben den Architekten Peter Kulka und Axel Schultes auch Senatsbaudirektorin Regula Lüscher sowie der Opernstiftungs-Direktor Stefan Rosinski. Ablehnend verhielten sich dagegen Engelbert Lüdge-Daldrup vom Bundesbauministerium, Ingeborg Berggreen-Merkel als Vertreterin des Staatsministers für Kultur und Medien sowie der Berliner Kulturstaatssekretär André Schmitz.
Damit tut sich ein Dilemma auf: Fachleute und Politik sind gespalten. Da aber die Bauherren darüber entscheiden, welches Projekt letztlich realisiert wird, haben auch die Zweit- und Drittplatzierten in dem Staatsopern-Wettbewerb noch Chancen – weil beide Richard Paulicks Saal-Optik erhalten wollen: Silber ging an HPP aus Düsseldorf, ein renommiertes Büro, das beispielsweise für den Umbau des Leipziger Hauptbahnhofs verantwortlich zeichnet, Bronze an die Erbauer unter anderem des Berliner Hauptbahnhofs von Gerkan, Marg und Partner.
Die Berliner Bauverwaltung prüft derzeit die Möglichkeit, in einer Ausstellung der Öffentlichkeit die verschiedenen Entwürfe des Architektenwettbewerbs zugänglich zu machen. Die endgültige Entscheidung muss jedoch in den nächsten Wochen im Senat getroffen werden, in Abstimmung mit dem Bund und dem Freundeskreis der Staatsoper um den Unternehmer Peter Dussmann. Sollten alle Entwürfe abgelehnt werden, wird der geplante Baubeginn 2010 nicht zu halten sein.
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