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Medizinmythos. Die Charité hat Investitionsbedarf – eine Übernahme durch den Bund könnte der Ausweg sein.
© Kai-Uwe Heinrich

Einigkeit: Ganz große Koalition für Übernahme der Charité durch Bund

Übernimmt der Bund die Verantwortung für die Charité? Uni-Präsidenten und Politiker aller Parteien loben den Vorschlag der Forschungsministerin Annette Schavan.

Selten sind sich Politiker so einig: Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos) fände es sehr gut, „wenn sich der Bund stärker engagiert“. Und Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD) steht der Idee „ausgesprochen aufgeschlossen“ gegenüber. Beide befürworten den Vorschlag von Bundesforschungsministerin Annette Schavan (CDU), die Berliner Charité in die Verantwortung des Bundes zu übernehmen. Schließlich sei das Universitätsklinikum Charité von großer nationaler und internationaler Bedeutung, sagt Nußbaum. Berlin dürfe sich eine solche Chance nicht entgehen lassen, sagt Zöllner. Möglich wäre für Zöllner ein Verbund mit dem vom Bund finanzierten Max-Delbrück-Centrum in Berlin-Buch.

Karl Max Einhäupl, Chef des Uni-Klinikums, wollte sich am Donnerstag noch nicht äußern. Der Präsident der Humboldt-Universität, Jan-Hendrik Olbertz, sagte: „Ich kann den Vorstoß nur begrüßen.“ Schon jetzt stecke die Finanzierung der Hochschulen durch die Länder in einer Krise, die sich mit der Schuldenbremse noch verschärfe. Olbertz schlug vor, zwei bis vier Universitäten als „Bundesunis“ zu finanzieren. Sie könnten eng mit starken Partnern aus der außeruniversitären Forschung kooperieren. Aus der Entwicklung dieser „Prototypen“ könnte ein großes Konzept für eine zukunftsweisende Finanzierung aller deutschen Hochschulen entstehen. Auch Peter-André Alt, Präsident der Freien Universität, lobte Schavans Vorstoß: „Sie hat einen Pflock eingeschlagen und sich über Denkverbote hinweggesetzt.“ Der Bund könne die engere Vernetzung der Charité mit ihren Mutteruniversitäten und mit außeruniversitären Instituten finanzieren. Alt befürwortet auch einen Baufonds, mit dem der dramatische Sanierungsstau und die steigenden Kosten für medizinische Geräte bezuschusst werden könnten.

Wissenschaftsexperten der Berliner Parteien reagierten ebenfalls positiv. „Eine sehr, sehr gute Idee“, sagte Lars Oberg (SPD). Das kleine Land Berlin sei damit überfordert, diesen „Leuchtturm für ganz Deutschland“ zu finanzieren. Wolfgang Albers (Linke) sprach von einem „konsequenten, in sich stimmigen Vorschlag“. Die Charité als Bundeseinrichtung wäre auch gut für die bundesweite Reputation Berlins. Anja Schillhaneck (Grüne), freute sich, dass der Bund über neue Formen der Finanzierung von Wissenschaft in den Ländern nachdenke. Allerdings könne Schavans Idee erst nach 2017 realisiert werden, wenn die Exzellenzinitiative ausläuft. „Bis dahin muss der Senat die Charité ausreichend finanzieren.“ Für die Bundestagsabgeordnete Monika Grütters (CDU) wäre eine Bundesuniversität „eine Befreiung des weltberühmten Uniklinikums aus dem Dauerstress rot-roter Gängelei“. Der FDP-Fraktionschef Christoph Meyer sprach von einer sinnvollen Strukturentscheidung, um mit Mitteln des Bundes den Investitionsstau von 1,6 Milliarden Euro abzubauen.

Für dringend nötige Bau- und Sanierungsprojekte stehen der Charité bis 2014 Landesmittel von 330 Millionen Euro zur Verfügung. Für spätere Jahre gibt es noch keine Finanzplanung. Die öffentlichen Ausgaben für die Hochschulmedizin sind in Berlin seit 1993 stark zurückgefahren worden. Durch eine engere Kooperation mit dem landeseigenen Krankenhauskonzern Vivantes will der Senat weitere Einsparungen im zweistelligen Millionenbereich erreichen. Die Investitionsquote der Charité liegt deutlich unter dem Bundesdurchschnitt, die Medizintechnik ist erneuerungsbedürftig.

Kritik kam nur vom Berliner Bundestagsabgeordneten Swen Schulz (SPD). Es gehe nicht an, dass der Bund willkürlich einzelne Standorte privilegiere. Das sei „Geschacher“. Stattdessen müssten die Hochschulen insgesamt gestärkt werden.

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