Warenhäuser in der Krise: Galeria Karstadt Kaufhof macht sechs von elf Berliner Filialen dicht
Betroffen sind Warenhäuser in mehreren Bezirken, darunter Charlottenburg, Tempelhof und Wedding. Die geplante Filiale in Tegel soll nicht eröffnet werden.
In Berlin sollen sechs von elf Galeria-Karstadt-Kaufhof-Filialen geschlossen werden. Außerdem soll die geplante Filiale auf der Fußgängerzone in Tegel gar nicht erst öffnen.
Das geht aus einer internen Liste der Unternehmensgruppe hervor, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Damit ist auch die Hauptstadt von den bundesweiten zahlreichen Filialschließungen des zur Signa Holding gehörenden Unternehmens aufgrund der Corona-Krise massiv betroffen.
Geschlossen werden sollen die Standorte in Berlin-Charlottenburg, Berlin-Tempelhof sowie an der Müllerstraße in Berlin-Wedding, im Berliner Ringcenter an der Frankfurter Allee, in Berlin-Hohenschönhausen sowie die Filiale in den Gropius-Passagen in Neukölln.
Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) hat die angekündigten Schließungen als „schweren Schlag“ bezeichnet.
„Die Filialen sind von zentraler Bedeutung für die Nahversorgung und sind oftmals Lebensmittelpunkt der Stadtquartiere“, teilte er am Freitag auf Twitter mit. „Der Senat wird sich in weiteren Gesprächen für den Erhalt möglichst vieler Arbeitsplätze und für den Warenhaus-Standort Berlin einsetzen.“
Ähnlich hatte sich zuvor schon Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) geäußert: „Das sind dramatische Entscheidungen - für Deutschland, aber insbesondere auch für Berlin und für die Beschäftigten. Die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen treibt die Sorge um ihre Zukunft um, wir werden mit dem Insolvenzverwalter und den Beschäftigten das Gespräch suchen, um Wege zur Rettung von Standorten und Arbeitsplätzen auszuloten.“
Verdi: mindestens 600 Beschäftigte direkt betroffen
Der Landesbezirk der Gewerkschaft Verdi geht davon aus, dass bislang mindestens 600 Beschäftigte direkt von den Schließungen betroffen sind. Insgesamt arbeiten demnach in den elf Warenhäusern rund 1850 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Am Vorabend hatten sich das Unternehmen, der Gesamtbetriebsrat und die Gewerkschaft Verdi bundesweit auf einen Sozialplan und einen Interessenausgleich für Galeria Karstadt Kaufhof verständigt.
Er sieht unter anderem vor, dass die gekündigten Mitarbeiter für mindestens sechs Monate in eine Transfergesellschaft wechseln können. Als Erfolg wertete die Gewerkschaft, dass der vom Unternehmen ursprünglich geplante Abbau von zehn Prozent der Stellen in den verbleibenden Filialen vom Tisch sei. Außerdem bleibe der im Dezember 2019 vereinbarte Integrationstarifvertrag in Kraft.
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Dennoch kritisierte die Berliner Linke-Fraktion das Vorgehen der Signa-Holding des österreichischen Immobilien-Investors René Benko, zu dem Galeria Karstadt Kaufhof gehört. „Das konzerninterne Auspressen des Warenhausbetriebs zugunsten der konzerneigenen Immobiliengesellschaft muss endlich beendet werden. Die Beschäftigten dürfen nicht im Stich gelassen werden.“
Die FDP wiederum warb für eine neue Nutzung der nun für die Schließung vorgesehenen Filialen. „Die angekündigten Filialschließungen beim Warenhauskonzern Galeria Karstadt Kaufhof werden sich auch im Berliner Stadtbild zeigen - und eine Lücke reißen“, teilte der Vorsitzende der FDP-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, Sebastian Czaja, am Freitag mit. „Der Raum, der jetzt entsteht, kann Entlastung für den Wohnungsmarkt bringen.“ Czaja schlug vor, die Immobilien für studentisches Wohnen zu nutzen.
Schließungstermin noch nicht bekannt
Wann die Filialen schließen werden, war am Freitag noch nicht bekannt. Möglich sei, dass die Mietverträge mit einer Dreimonatsfrist gekündigt werden - dann sei zum 1. Oktober Schluss, sagte Erika Ritter, Leiterin des Fachbereichs Handel beim Verdi-Landesbezirk.
Ebenfalls offen war am Freitag das Schicksal für die beiden Karstadt-Sports-Häuser in der Hauptstadt. Hier gelten bundesweit mehr als zwei Drittel der rund 30 Filialen als gefährdet. Auch über die Zukunft der ebenfalls zum Unternehmen gehörenden Restaurantbetriebe in Berlin wurde am Freitag nach Angaben von Verdi noch verhandelt.
Bereits vor drei Wochen, als die mögliche Schließung von 80 der 170 Kaufhausfilialen bekannt wurde, hatte Tempelhofs Bezirksbürgermeisterin Angelika Schöttler (SPD) gesagt, dass der Bezirk seine Unterstützung anbiete, um die Filiale zu erhalten. Das Karstadt-Kaufhaus sei von besonderer Bedeutung für die Einkaufsstraße Tempelhofer Damm. Die Linke hatte angekündigt, in der kommenden Bezirksverordnetenversammlung einen Antrag zum Erhalt der Standorts einzubringen.
„Hiobsbotschaft“ für Fußgängerzone
Reinhard Naumann, Bezirksbürgermeister von Charlottenburg-Wilmersdorf, äußerte sich ebenfalls betroffen: „Dies ist eine Hiobsbotschaft! Zuallererst für die engagierten, kompetenten Beschäftigten, zugleich aber auch für die Fußgängerzone Wilmersdorfer Straße als wichtigem Handels- und Wirtschaftsstandort. Ich bedauere sehr, dass auch meine intensiven Gespräche einschließlich eines Schreibens an die Vertreter der Eigentümer der Immobilie letztlich ohne den erhofften Erfolg geblieben sind.“
Naumann sieht nun die Bundesregierung in der Verantwortung, "nach Lufthansa und TUI auch den Beschäftigten von Karstadt Galeria Kaufhof durch eine Auffanggesellschaft o.ä. eine solidarische Perspektive zu eröffnen." Am kommenden Donnerstag soll die Filialschließung im Rat der Bürgermeister gemeinsam mit dem Senat thematisiert werden.
Filiale in Potsdam schließt ebenfalls
Auch die Potsdamer Filiale soll geschlossen werden. Die zweite Brandenburger Filiale der Warenhauskette in Cottbus taucht dagegen nicht auf der Liste der Unternehmensgruppe nicht auf.
„Die Entscheidung des Unternehmens bedeutet einen herben Verlust für Potsdam“, sagte Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) am Freitag. Das Warenhaus sei ein entscheidender Motor für die Entwicklung der Innenstadt. Die Entscheidung zur Schließung gerade in Potsdam lasse sich schwer nachvollziehen.
Potsdam: Etwa 100 Beschäftige betroffen
Die Nachricht bedeute Existenzsorge für die etwa 100 Beschäftigten und ihre Familien. Schubert kündigte für Montag an, Gespräche zur Zukunft des Einzelhandelsstandorts Potsdamer Innenstadt aufzunehmen. Der Warenhaus-Standort müsse als Einkaufsmagnet erhalten bleiben.
Erst am Donnerstag war bekannt geworden, dass der Warenhauskonzern plant, 62 seiner 172 Filialen zu schließen. Die Nachrichtenagentur dpa berief sich damit auf Verhandlungskreise. Welche Filialen betroffen sind, ist nicht bekannt. (mit dpa)
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