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Mutti reicht’s. Eigentlich erklärt die fiktive Wirtin Jutta Hartmann in ihrem Buch „Futschi Deluxe“ den Dienst am Gast zum hehren Prinzip. Wenn der sich schlecht benimmt, hat aber sogar Jutta irgendwann die Nase voll.
© Mönchsleben

Jutta Hartmanns Neukölln-Kochbuch: Futschi für alle

Die Neuköllner Kneipenwirtin Jutta Hartmann gibt in ihrem Kochbuch „Futschi Deluxe“ Tipps vom Herrengedeck bis zur Rixdorfer Bulette. Sie existiert zwar nur als Alter Ego des Comedians Bob Schneider – ist dafür aber umso umtriebiger.

Mutti macht mobil, aber wie. Erstaunlich, wie die geschäftstüchtige Neuköllner Kneipenwirtin Jutta Hartmann ihr Trash-Imperium in letzter Zeit so ausbaut. Jutta Hartmann, privat Bob Schneider genannt, sang vor kurzem noch mit dem BVG-Orchester im Admiralspalast, steht jetzt im BKA-Theater in Ades Zabels Neujahrsshow auf der Bühne, macht Bustouren durch Neukölln, ebensolche Bootstouren auf der Spree und neuerdings auch Bücher: einmal die in Form einer Postkartenbox erschienene Bezirksfibel „Jutta ihr Neukölln – ein garantiert subjektiver Stadtführer“ und vor allem „Futschi Deluxe – Das Beste aus Neuköllns Kneipenküche“.

Nicht dass Jutta Hartmann darin irgendwelche Tipps zu tatsächlich existierenden Kneipen abgäbe – so etwas Ödes macht eine Comedyfigur nicht. Schließlich hat Bob Schneider schon genug damit zu tun, dass es immer wieder Leute gibt, die Realität und Fiktion durcheinanderbekommen und auf der Suche nach Hartmanns Kneipe „Jutta’s Inn“ verzweifelt durch die Nogatstraße irren. Da konfrontiert er Juttas Anhänger lieber mit der ganzen Wucht ihrer hausfraulichen Kompetenz. Er selbst könne ja gar nicht kochen, sagt Bob Schneider, „nur kalte Küche“. Aber Jutta Hartmann macht immerhin „gut warm“, natürlich – pling! – mit einer Mikrowelle. Selbst ihr Lieblingsdrink Futschi, dessen beschickerte Variationen den Partygetränketeil des Buches ausmachen, wird in der Neuköllner Standardmischung 80 Teile Weinbrand und 20 Teile Cola durch fünf Minuten Erhitzen zum Futschi-Punsch.

Jutta gibt Tipps und Rezepte fürs Kochen zu Hause – wenn man von Kochen bei Käseigel überhaupt sprechen will.
Jutta gibt Tipps und Rezepte fürs Kochen zu Hause – wenn man von Kochen bei Käseigel überhaupt sprechen will.
© Mönchsleben

„Mit einem blau gekochten Ei kann man in der Kneipenküche in Windeseile eine Menge zaubern“, rät Jutta Hartmann in ihrem Gault Millaut für Hartz-8-Empfänger. Sardelleneier, Tomatenpilze, Eiersalat, solche allerliebsten Sachen halt. Fotografiert sind diese Spezereien der Sechziger und Siebziger, bei denen auch Toast Hawaii, Rixdorfer Bulette und Heringstartar nicht fehlen dürfen, in ebenjenem nostalgisch nachgeröteten Look der Nach-Wirtschaftswunder-Zeit. Eine Gestaltungsidee, die auch Juttas Plastiklockenpracht vorteilhaft zur Geltung bringt.

Ihr Leibgericht „Bockwurst naturelle“ mit Senf und ungetoasteter Toastbrotecke hat es sogar vorne auf das Cover geschafft – angesichts von Geschmacksprovokationen wie Thunfisch-Bananen-Toast oder Toast-Doppeldecker mit Schabefleisch und Dosenananas sicher die gesundheitlich unbedenklichere Entscheidung. „Die Speisen sind essbar“, beteuert Jutta Hartmann denn vorsichtshalber auch. Das sei die Partyküche der Siebziger, die sie bei Eltern und Verwandten zusammengetragen habe. Die verzehren zur Flüssignahrung Marke Herrengedeck offensichtlich gerne mal Kohlehydratschleudern wie Kartoffelpufferpizza oder marmorierte Soleier aus olle Zille sein Milieu.

Ebenfalls im Rezepte-Angebot: Heringstartar.
Ebenfalls im Rezepte-Angebot: Heringstartar.
© Mönchsleben

Jutta Hartmanns eigentliches Ich Bob Schneider bedauert, dass es jene, nämlich die Soleier, noch nicht mal mehr in der Traditionskneipe „Zur gemütlichen Ecke“ gibt, wo viele Fotos des Buches entstanden sind. Die liegt übrigens – Sakrileg! – in der Großbeerenstraße in Kreuzberg, was Schneider nicht weiter schert. Er wurde ja auch 1969 nicht in Neukölln, sondern in Charlottenburg geboren und lebt nicht im Problem-, sondern im Randbezirk, im beschaulichen Kladow nämlich. Immerhin ist das eine bruchlose West-Biografie, wie es sich für die verbohrte West-Berlinerin Jutta Hartmann gehört.

Die Figur hat Bob Schneider, Absolvent der Filmhochschule Babelsberg, früher Mitglied der Underground-Tuntentruppe „Teufelsberg Produktion“ und heute Mitglied der Ades-Zabel-Company, irgendwann Anfang der Neunziger erfunden. Inzwischen sei seine Kneipenwirtin ja ebenso eine Institution wie das BVG-Orchester, findet er. Und auch im neuen, von Hipstern gefluteten Neukölln ginge ihr der Zündstoff nicht aus. Jutta Hartmanns nächster Streich ist folgerichtig schon in Arbeit: „Futschi Deluxe“, die Kochshow zum Buch. „Da wird mit dem Publikum gekocht und alles aufgegessen“, spricht sie im resoluten Mutti-Ton. Wenn das keine schreckliche Drohung ist.

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