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Teil des Teams. Hassan und Mohammed, syrische Flüchtlinge aus dem Erstaufnahmelager in Gatow, haben die Zehlendorferin Marie im Turnier sofort als Teamchefin akzeptiert. Sich austauschen? Kein Problem. Die drei verständigten sich auf Englisch. Und der Sport war ein Wochenende lang ohnehin verbindendes Element.
© Katharina Fiedler

Einheimische und Flüchtlinge kicken gemeinsam: Fußballspielen gegen die Isolation

Einheimische und Flüchtlinge aus dem Erstaufnahmelager Gatow sollten sich begegnen, sagte sich die Berlinerin Clara zu Löwenstein – und organisierte ein Fußballturnier. Motto: "Berlin One Team".

Berlin – Olisa fährt mit dem Zeigefinger über die kleine Schürfwunde auf seinem rechten Fuß. „Ich hab’ Dir ja gesagt, du sollst Schuhe tragen“, sagt Amelie, die neben ihm im Gras sitzt. Der 16-jährige Nigerianer schaut Amelie an und lächelt. Er zeigt hinter sich. Seine Schuhe hat er an einer Eiche abgestellt. Amelie aus Friedrichshain lacht. Olisa hat barfuß Fußball gespielt. So wie zuhause.

Unter dem Motto „Berlin One Team“ hat die Berlinerin Clara zu Löwenstein am Wochenende ein Fußballturnier für Flüchtlinge organisiert. In gemischten Teams, die nach Stadtteilen benannt sind, spielen Berliner und Flüchtlinge im „AWO Refugium an der Havel“ gegeneinander. „Flüchtlinge gehen in der Anonymität der Stadt unter“, sagt die 24-Jährige. „Ich wollte, dass sich beide Seiten begegnen.“

Das Erstaufnahmelager liegt am Waldrand in Gatow, keine fünf Minuten von der Havel entfernt. Idyllisch ist es, aber weit weg vom Zentrum der Stadt. „Die Heimbewohner haben keine Beschäftigung und lernen kaum Deutsche kennen“, sagt Clara, die das Heim durch ihr Engagement beim Arbeitskreis Asyl kennengelernt hat. Vor drei Monaten kam der Referendarin die Idee für ein Fußballturnier. „Es musste was sein, was keine Sprache braucht, weil hier ja Menschen aus verschiedenen Ländern leben“. Clara fand schnell Sponsoren und Freunde, die ihr halfen.

Amelie und Olisa warten, ob ihr Team Tiergarten sich für das Halbfinale des kleinen Turniers qualifiziert hat. Beim letzten Spiel ist auch noch Olisas Hose am Knie eingerissen, und viele Hosen hat er nicht. Erst vor fünf Tagen sei er in Spandau angekommen, erzählt er Amelie. Die Terrorgruppe Boko Haram hat den Nigerianer in die Flucht nach Libyen getrieben. Dort schmuggelte sich der 16-Jährige auf einem Schlepper nach Italien. Drei Wochen später war er in Berlin. Nur eines von vielen Flüchtlingsschicksalen.

Team Charlottenburg steht jetzt im Halbfinale – und spielt. „Shoot, shoot!“ ruft Hassan aus Syrien Marie zu. Die Zehlendorferin spielt zu Mohammed und der 25-jährige Syrer schießt aufs Tor – vergebens, Team Lichtenberg gewinnt. Die Charlottenburger klatschen sich ab, am Ende reicht es nicht für das Finale. Egal, die Begegnung zählt. In den Spielpausen fragen Hassan und Mohammed Marie, was sie studiert und wie weit sie mit dem Studium ist. Sie reden Englisch miteinander. Mohammed hört interessiert zu. Auch er hat studiert: Ingenieurwissenschaften. Bis der Bürgerkrieg begann.

In der Spielpause singen Hassan und Mohammed ein Lied, es heißt „Captain Marie“. „Ich bin stolz, dass sie mich als Spielkapitän ernst genommen haben“, sagt die Studentin. Hassan, 27, und Marie, 24, stupsen die Fäuste aneinander. „She is the best“, sagt er und legt freundschaftlich den Arm um Maries Schulter. Seit drei Monaten wohnen die beiden Syrer im Erstaufnahmelager. „Wir müssen warten und können nichts tun“, sagt Mohammed. Da ist das Turnier eine willkommene Abwechslung.

Beim Elfmeterschießen der Finalistenteams Steglitz und Pankow stehen alle Zuschauer mit auf dem Platz. Team Pankow gewinnt. Organisatorin Clara zu Löwenstein ist erleichtert: „Ich hoffe, dass wir das wiederholen können. Die Medaillen, der Pokal, Getränke und Obst für mehr als 100 Teilnehmer, all das hat gar nicht viel gekostet, nur 475 Euro. Es kann so einfach sein. “

Bei der Siegerehrung klettert auch Team Tiergarten auf eine der Bierbänke am Spielfeldrand. Dritter Platz! Olisa und Amelie sind stolz, sie halten ihre Medaillen in die Luft. Einer der Flüchtlinge spritzt die beiden mit einer Wasserflasche nass und ruft: „Champagner!“

Am Ende nimmt Amelie eine abgelaufene Fahrkarte als Schmierzettel aus ihrer Tasche und fragt nach einem Stift. Sie gibt die Fahrkarte Olisa. „Wenn du mal Hilfe brauchst“, sagt sie. Amelies Telefonnummer steht auf der Rückseite.

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