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Mario Czaja, 39, ist Senator für Gesundheit und Soziales. Die Verwaltung des CDU-Politikers muss in Berlin immer mehr Flüchtlinge unterbringen. Mit Bezirken gibt es Streit um die Verteilung, vor Ort häufen sich Proteste von Anwohnern und Rechten.
© Thilo Rückeis

Berlins Sozialsenator und die Flüchtlinge: Für Mario Czaja geht es ums Ganze

Als Berlins Sozialsenator muss sich Mario Czaja um die Flüchtlingsunterbringung kümmern. Politisch gibt es dabei kaum etwas zu gewinnen. Doch Czaja nimmt die Menschen ernst - auch jene, die ihn gar nicht wählen dürfen. Ein Kommentar.

Möglichst viele Flüchtlinge in möglichst guten Heimen unterbringen: Das ist die wichtigste Aufgabe für Sozialsenator Mario Czaja. Der 39 Jahre junge CDU-Mann kennt den politischen Betrieb gut genug, um zu wissen, dass man sich damit eher Karriereprobleme schafft als neue Anhängermassen. Auch wenn es in einem so reichen Land wie Deutschland zynisch klingt, hat Flüchtlingspolitik etwas von einem Nullsummenspiel. Die Einrichtung eines Flüchtlingsheims, ob in Hellersdorf oder Charlottenburg, hat in der Umgebung stets mindestens „Sorgen“ bei den Leuten zur Folge, gelegentlich auch Aggressivität. Flüchtlinge kommen trotzdem, und dann ist der Senator auf Heimbetreiber angewiesen, die mit und an Flüchtlingen Geld verdienen.

Selbst beim Koalitionspartner SPD reden einige jetzt von einem "Skandal"

In Berlin (und vermutlich nicht nur hier) ist mit der Not der Flüchtlinge ein System entstanden, in dem private Firmen in Absprache mit dem Czaja unterstehenden Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) auf die Schnelle und auf vertraglich fragwürdiger Basis Menschen untergebracht haben. In der Opposition und offenbar auch beim größeren Koalitionspartner SPD reden einige jetzt von einem „Skandal“ und hoffen, dass dieser Czaja den politischen Kopf kosten könnte. Und wer weiß, ob nicht auch mancher Parteifreunde Czaja gern ein wenig beschädigt sähe. Da könnte der Wunsch der Vater des Gedankens sein. Wie kleinlich in dem Zusammenhang manche denken, zeigt sich daran, dass ausgerechnet ein Sozialdemokrat Czaja im Sozialausschuss mit der Frage kam, ob durch die Unterbringungspraxis ein „Schaden für das Land“ entstanden sei.

Ein Schaden für das Land, für die Stadt entsteht doch wohl eher dann, wenn in einer Dreieinhalbmillionenstadt, die sich für eine Boomtown hält, Behörden wegen Überforderung geschlossen werden und Flüchtlinge woanders untergebracht werden müssen. Czaja hat darauf verzichtet, seine Kritiker daran zu erinnern. Er hat bislang alles getan, um die problematische Zusammenarbeit mit privaten Heimbetreibern von außen prüfen zu lassen. Dass die Prüfer dafür bis Mitte Juni brauchen, ist ihm kaum vorzuwerfen.

Zudem arbeitet er an einem Systemwechsel: Er will neue landeseigene Heime schaffen, um so wenig wie möglich auf Privatfirmen angewiesen zu sein. Der Mann mit dem jungenhaften Gesicht nimmt nicht bloß sein Amt ernst, sondern Menschen, die ihn gar nicht wählen dürfen: Ein interessantes Verständnis von Politik.

Werner van Bebber

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