Corona-Zwangspause im Berliner Freizeitsport: Für Fitness- und Yogastudios drängt die Zeit
Nach der Landesregierung von NRW erwägt auch der Berliner Senat die Öffnung von Fitness- und Yogastudios. In Brandenburg entschied das Gericht am Freitag dagegen.
Noch sind die Geräte abgehängt, die Matten weggepackt: In den Fitness- und Yogastudios Berlins herrscht schon seit mehr als zwei Monaten Corona-Zwangspause.
Kommende Woche aber will der Senat über die Aufnahme des Betriebs in den Sport- und Gesundheitsstudios beraten. Ende Mai, Anfang Juni könnte es wieder losgehen. Betreiber, freiberufliche Trainer, Freizeit- und Gesundheitsbranchenbeschäftigte (und die Sportler natürlich) können kaum erwarten, dass es wieder los geht.
Denn nicht nur die Fitness leidet unter der Corona-Bremse – auch wirtschaftliche Existenzen stehen auf dem Spiel.
Die Lage für die Branche sei seit Mitte März „ein Albtraum“, befindet Patricia Thielemann, Inhaberin von „Spirit Yoga und Spa“ in Charlottenburg.
Denn laufende Kosten wie Miete, Versicherungen und andere Verbindlichkeiten laufen weiter, während die Einnahmen auf ein Minimum zurückgegangen seien. „Ich habe gleich mit der vom Senat angeordneten Schließung für meine mehr als 40 Mitarbeiter Kurzarbeit beantragt. Das hatte mich erst mal beruhigt.
Jetzt zeigt sich, dass man als Unternehmer die Gehälter erst mal komplett bezahlen muss und wahrscheinlich dauert es nicht Tage, sondern Monate bis das Geld zurückerstattet wird.“
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Im März und April sei es noch gegangen, aber „jetzt geht mir langsam das Geld aus“. Auch könnten die Mitarbeiter vom Kurzarbeitergeld größtenteils nicht leben. Aufstocken würde sie gern, „aber wovon“?
Es sei lobenswert, dass die Regierung KfW-Kredite in Aussicht stelle. Jedoch könnten Inhaber nun von einer Liquiditäts- in eine Schuldenkrise rutschen. Viele Yogastudio-Betreiber in Berlin müssten noch Investitionskredite zurückzahlen, die Gewinnmargen seien gering, weiß Thielemann. Ihr bleibt womöglich nichts anderes übrig, als eines ihrer drei Studios zu schließen – das wäre auch ein Verlust für Berlin, denn die Angebote der bekannten Yogameisterin werden überregional gebucht.
Gerichtsbeschluss am Freitag: In Brandenburg dürfen Studios nicht öffnen
In Brandenburg dürfen Fitnessstudios vorerst nicht öffnen. Das entschied das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (OVG) mit zwei Eilbeschlüssen und bestätigte damit eine entsprechende Regelung in der SARS-CoV-2-Eindämmungsverordnung des Landes, wie das Gericht am Freitag mitteilte.
Das Verbot sei im Hinblick auf die überragende Bedeutung des Schutzes von Leben und Gesundheit derzeit noch verhältnismäßig. Daran änderten auch die von den Antragstellern erarbeiteten Hygiene- und Sicherheitskonzepte nichts.
Angesichts der hohen Wertigkeit der Schutzgüter Leben und Gesundheit sowie des Konzepts des Verordnungsgebers, jeweils kurzfristig zu überprüfen, welche weiteren Lockerungen zugelassen werden können, sei der Eingriff in die Berufsfreiheit und die wirtschaftliche Betätigungsfreiheit der Betreiber der Fitnessstudios noch angemessen, hieß es.
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Auch verstoße das Verbot nicht gegen den Gleichheitssatz. Da sich die Menschen in Fitnessstudios über längere Zeit körperlich betätigten, bestehe dort wegen der nach aktuellem Kenntnisstand nicht auszuschließenden Übertragung des Virus über Aerosole ein höheres Infektionsrisiko als etwa in Verkaufsstellen und Gastronomiebetrieben. Die Beschlüsse können nicht angefochten werden.
Die brandenburgische Landesregierung hatte diese Woche angekündigt, dass Fitnessstudios und Freibäder am 28. Mai wieder öffnen sollen. In Potsdam gibt es eine Ausnahmegenehmigung für das Yoga- und Pilatesstudio an der Kurfürstenstraße. In Nordrhein-Westfalen ist seit 11. Mai in Fitnessstudios Betrieb – mit Regeln, die Coronavirus-Tröpfchenbildung in der stehenden Luft und an Geräten verhindern sollen.
Auch in den neun Berliner Studios von Kieser Training ist Kurzarbeit verordnet, sagt Unternehmenssprecher Andreas Bantel. Die Einbußen für die Kette mit Tradition seien substanziell, denn Ausgaben wie Miete liefen weiter. Die Gesundheitssportler bekommen „eine Zeitgutschrift“. Die 18.000 Kunden, im Schnitt 56 Jahre alt, würden nicht kündigen, sondern darauf brennen, wieder mit dem Training zu beginnen. In der Schweiz geschehe dies schon seit zwei Wochen, mit Corona-Mindestabstand. Stünden Geräte dichter, würden sie „entfernt oder gesperrt“.
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Pierre Geisensetter, Kommunikationsleiter von McFit, bilanziert, dass der Start in den anderen Bundesländern noch etwas verhalten ausfalle; Kündigungen habe es aber kaum gegeben. Ab Montag folgten nun weitere Bundesländer, „und wir hoffen sehr, dass wir bald auch unsere 18 Berliner Studios wieder öffnen dürfen. Wir haben festgestellt, dass der Wunsch, echtes Fitnesstraining in einem Studio zu betreiben, gerade in der Hauptstadt immens groß ist“.
Alexander More von der Kette FitX sagt, man liege in den bereits geöffneten Studios sogar unter den Grenzwertvorgaben. Trainer tragen je nach Gegebenheit freiwillig Masken. Mehrere Sportstudiobetreiber weisen zudem darauf hin, dass es noch kein hochintensives Training geben könne.
Wo es gehe, könnten Fitnessstudiobetreiber künftig Spinn-Fahrräder auf den Balkon oder in den Garten stellen, regt Birgit Schwarze an, Präsidentin des DSSV – das ist Europas größter Arbeitgeberverband der Fitness- und Gesundheitsanlagen. Bundesweit seien 9600 Betriebe mit 220 000 Mitarbeitenden Mitglied, das sei jeder dritte Betrieb.
Mehr als 800.000 Menschen in Berlin und Brandenburg trainieren im Studio
In Berlin gab es vor der Krise 561.000 Sportstudio-Mitglieder, in Brandenburg 253.000 Studio-Sportlerinnen und Sportler. In der Großstadt seien mehr freiberufliche Trainer von der Coronakrise betroffen, da mehr Kurse als in Kleinstädten gegeben würden. Dass die Betriebe „so lange nicht aufmachen dürfen, ist ein Graus“, meint die Verbandspräsidentin. Zudem sei „nicht nachzuvollziehen, warum im weitläufigen Flächenland Brandenburg“ mit geringen Covid-19-Fallzahlen der Trainingsbetrieb so lange ruhen musste. „Viele Studios sind Familienbetriebe, da sind viele Menschen sehr verunsichert.“
Das Durchschnittsalter der Trainierenden liege bei 40 Jahren. Denen fehle auch aus gesundheitlichen Gründen die Bewegung. Für die Betreiber gebe es massive Umsatzausfälle: „Bei uns lautet die Faustformel: ein Monat geschlossen, bedeutet ein Jahr, um den Schaden aufzuholen“. Es könnten zudem keine Neukunden gewonnen werden. Künftig werden wegen der wichtigen Abstandsregeln weniger Sportler auf derselben Fläche trainieren können, ein normales Kursprogramm sei noch nicht möglich. Auch das: ein Minus.
Moritz Ulrich und Niklas Noack, Betreiber von „Peace Yoga Berlin“ in Kreuzberg, half das Internet. „Wir haben Mitte März sofort auf Onlinebetrieb umgestellt – und Glück gehabt, eine digitalaffine Community zu haben“, sagt Ulrich. Die Yogastunden vorm Computer seien etwas günstiger, da kostet die Zehnerkarte à 60 Minuten 89 statt 130 Euro. Dank der teils 100 Teilnehmenden konnte Peace Yoga einen ordentlichen Teil der üblichen Einnahmen verbuchen. Fehlen würden indes Erlöse aus den Events wie Yogalehrerausbildungen.
Kleingruppen sind weniger lukrativ - aber besser als nichts
Unter den eigenen 25 Yogalehrern habe man diejenigen weiterbeschäftigt, die sonst keine andere Einnahmequelle haben. Zudem habe sie die Soforthilfe der Förderbank IBB von 14.000 Euro finanziell gestärkt. Kleingruppen-Yogastunden seien aus Unternehmersicht nicht so gewinnbringend, aber natürlich viel besser als nichts. „Unsere Leute fragen, wann es endlich wieder losgeht.“ Bis dahin wird am Computerschirm praktiziert. Dennoch: Live fühlt sich anders an.
Einzelunternehmerin Anja Kursawe von „Pilateslab“ und „Bodyinsight“ mit einem kleinen Lehrerteam auf Honorarbasis hatte in Berlin einen Antrag auf eine Ausnahmegenehmigungs-Öffnung inklusive Hygienekonzept gestellt, denn sie hat einen großen Garten. Innen kann sie die Teilnehmer mit Abstand platzieren. Es gab eine Absage. Einnahmeverluste gibt es für sie zudem durch die weggebrochene Studiovermietung in Prenzlauer Berg, die weggefallenen Ausbildungskurse im Ausland – und die Mieten laufen weiter. Dann müssen Desinfektionsmittel, Wischtücher, ständiges Abwaschen bezahlt werden. Nicht verstehen kann sie, dass sie körpernahe Shiatsu-Behandlungen anbieten dürfe, nicht aber Yoga.
Vielleicht bleibt aber auch Positives von der Coronakrise: Yogalehrerin Lui Winckler mit Angeboten in Schöneberg, Kreuzberg und Lichterfelde denkt, dass die morgendlichen Yogastunden vorm Zoom-Bildschirm zum achtsamen Wachwerden als Ritual nachgefragt bleiben.
Die Berliner Bäder-Betriebe wollen kommenden Montag (25. Mai) ihre Freibäder eröffnen: Duschen bleiben geschlossen, bei den Umkleidekabinen wird im Freien improvisiert. Das mindert das Badevergnügen, aber immerhin läuft der Betrieb so langsam wieder an. (mit dpa)
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