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Am Montag dürfen die Friseure in Berlin wieder öffnen.
© dpa/Angelika Warmuth

Erste Lockerung: Friseure öffnen am 1. März – das müssen Kunden wissen

Nach elf Wochen dürfen Salons am Montag wieder öffnen. Auch Friseur Jan Czybullka hat gut zu tun – und viel zu erzählen. Welche Regeln nun beim Frisieren gelten.

Während des zweiten Lockdowns hat Jan Czybullka wahrlich keine Locken auf der Glatze gedreht. Er ist Schlittschuh gelaufen, er ist durch den Schnee gewandert. „Ich war manchmal glücklich wie ein kleines Kind.“ Czybullka hat auch zu Hause renoviert.

Und der Friseurmeister aus Pankow hat für die Wiedereröffnung am Montag jetzt mit einer Generalprobe geübt. „Ich habe ein Wartespalier gebaut, damit die Kunden nicht alle in den Laden strömen. Unten ein Ziegelstein mit Narzissen und Primeln, darauf ist ein Stock, oben sind Stiefmütterchen befestigt.“

Erfinderisch ist er, der damals als junger Mann in seiner „Sturm- und Drang-Zeit 1986 in den Westen abgehauen ist, also ich bin vom Staat freigekauft worden noch zu Mauerzeiten“, erinnert er sich.

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Sein Friseurgeschäft an der Berliner Straße Ecke Thulestraße hat der 57-Jährige von seinem Vater Jürgen Konetzny übernommen, schon davor war es in Familienbesitz.

Der kleine Friseurladen heißt „Imperial Haarstilist“, ja, mit einem „i“ – „Imperial wegen der alten Inneneinrichtung und Stilist statt Stylist, weil die englische Schreibweise zu DDR-Zeiten womöglich die Stasi auf den Plan gerufen hätte“.

Czybullka hat schon 1995 Reichstagsverhüller Christo mit einer verpackten Figur und einem Welcome-Plakat am Schaufenster symbolisch in Berlin begrüßt und zu Love-Parade-Zeiten Ravern mit Schablonen die Haare bunt gefärbt.

Jan Czybullka, Friseur, vor seinem Salon "Imperial Haarstilist" in Berlin ist bereit zur Öffnung nach dem Lockdown.
Jan Czybullka, Friseur, vor seinem Salon "Imperial Haarstilist" in Berlin ist bereit zur Öffnung nach dem Lockdown.
© Sven Darmer

So wie der traditionelle Friseurmeister, der in Wilmersdorf wohnt, machen sich jetzt die etwa 7500 Inhaber:innen, Beschäftigte sowie Auszubildende des Berliner Friseurgewerbes fit für das ersehnte „Lockedown“, also die Wiedereröffnung nach elf Wochen. Als erste Unternehmer in Deutschland dürfen die Haareschneider am Montag in ihren 2300 der Innung angeschlossenen Berliner Betriebsstätten wieder die Arbeit aufnehmen – mit weiter strengen Hygienevorschriften, wie der Obermeister der Friseurinnung Berlin, Jan Kopatz, erzählt.

Personenbegrenzung, Maskenpflicht, Kontaktdaten-Erfassung

„Wir starten mit angezogener Handbremse“, sagt Kopatz. Damit ist gemeint: Pro zehn Quadratmeter Fläche ist nur eine Person erlaubt, das heißt, bei einer Ladengröße von 60 Quadratmetern dürfen sich beispielsweise drei Kunden und drei Mitarbeitende aufhalten. Die Auszubildenden zählen nicht, sie dürfen weiter aus der Nähe zugucken und lernen – mit FFP2- oder OP-Maske.

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„Und wer dem Kunden oder der Kundin ganz nahe kommt, beim Rasieren oder Augenbrauen zupfen, muss auch noch ein Visier tragen“, zählt Kopatz die Hygieneregeln für die Arbeit ab 1. März auf. Ob beim Plaudern, Kopfwaschen oder Kopfhaut massieren – es muss immer Maske getragen werden. Zwischen den Stühlen muss der Sicherheitsabstand zwei statt 1,50 Meter betragen.

Legen, Schneiden, Föhnen – alles geht nur nach Termin, nach Erfassung der Kontaktdaten der Kunden. Viele haben jetzt Stühle in den Keller getragen, damit die Abstände eingehalten werden können. Unterdessen gibt es eine Studie, die das Ansteckungsrisiko mit Corona beim Friseur mit dem Risiko im Büro, Fitnessstudio oder Restaurant vergleicht, die Friseure kommen da eher gut bei weg.

"Es geht immer irgendwie weiter"

In die zweite Eröffnung nach der langen Arbeitspause geht der Czybullka zuversichtlich. „Im ersten Lockdown hatte ich noch das große Flattern, aber ich weiß auch aus anderer Lebenserfahrung: Es geht immer irgendwie weiter.“ Das „irgendwie“ im ersten Lockdown waren die Schnellhilfen von Bund und Berlin sowie das Kurzarbeitergeld vom Staat für seine beiden sonst halbtagsbeschäftigten Mitarbeiterinnen. Dann hat er die Preise nach dem ersten Lockdown um vier Euro erhöht, und die zwischendrin von 19 auf 16 Prozent vom Bund gesenkte Mehrwertsteuer half ebenso.

Imperial Haarstilist. So heißt der Traditionsfriseurladen in Pankow, geschmückt auch mit historischen Stücken.
Imperial Haarstilist. So heißt der Traditionsfriseurladen in Pankow, geschmückt auch mit historischen Stücken.
© Sven Darmer

„Und ich habe ja keine Ware, die verdirbt, da musste ich auch nichts wegschmeißen und neu beschaffen.“ Im zweiten Lockdown, seit 15. Dezember, helfen ihm 20 000 Euro von seinem privaten Sparbuch. „Damit muss ich erstmal alles vorstrecken, bis alle Zahlungen vom Staat auf meinem Konto sind.“ Für seinen vergleichsweise kleinen Betrieb kriege er das hin, sagt er, aber er denkt zugleich an die Filialbetriebe, an die Kolleginnen und Kollegen mit größerer Betriebsfläche, höherer Miete.

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Bei der Friseurinnung kennt Obermeister Kopatz „zum Glück nur einige wenige, die sowieso in den Ruhestand gehen wollten und früher Schluss gemacht haben. Aber es wird sich noch zeigen, wie die anderen den zweiten Lockdown über gut zehn Wochen verkraftet haben.“ Einige mussten in Deutschland indes schon zumachen.

Nur Hälfte des Umsatzes zu machen

Kopatz appelliert an alle Kundinnen und Kunden, Geduld zu haben und auch an alle Geschäfte, auf jeden Fall alle Regeln einzuhalten, damit es nicht zu einer weiteren Schließung kommt. Friseurin sei eher ein Frauenberuf, da gebe es zudem in der Pandemie Probleme wegen der Unterbringung der Kinder.

In der Branche wird kritisch auf viele neue Barbershops geguckt; in einigen Kulturen dürfen sich Männer wegen der damit einher gehenden Körperberührung nur von Männern und nicht von Friseurinnen die Haare schneiden lassen. Diese neuen Läden seien zum einem Großteil nicht der Innung angeschlossen, einige arbeiteten nicht über Terminvergabe, Masken hingen unterm Kinn, so etwas ärgere die Betriebe, die sich an alle Regeln halten.

Solche Verstöße dürften auf keinen Fall den Betrieb aller einschränken, wenn es Beschwerden gebe, heißt es bei der Innung. Denn schon jetzt sei mit den wichtigen, aber einschränkenden Regeln ohnehin nur die Hälfte des Umsatzes zu machen. Früher war der Laden voll, sagt Kopatz, und wenn bei jemanden das Haarfärbemittel einwirkte, konnte solange auf dem Stuhl nebenan ein schneller Männerhaarschnitt gemacht werden. Das geht jetzt nicht. „Manche Kolleginnen und Kollegen prüfen, Zelte für Kunden und die Einwirkzeit in den Hof zu stellen.“

Babyflaschenbürste zu DDR-Zeiten als Rundbürste

Jan Czybullka hat aus der Pandemiezeit mitgenommen, dass „in den Geschäften viel zu viele Zettel mit viel zu langen Infos hängen“. Deswegen hat er in seinem Geschäft – das übrigens schon bis zum 17. März terminlich ausgebucht ist–, Ziffern angebracht. 1 Schaufenster, 2 Garderobe, 3 Handwaschbecken, 4 Stuhl.

Mit Improvisieren kennen er und seine Familie sich aus. „Als früher Rundbürsten aufkamen und es die in der DDR nicht gab, haben wir diese borstigen Babyflaschenreiniger zu Rundbürsten gebogen.“ Sein Vater war früher öfter bei Modemessen in Prag, um Haarschnitte aus dem Westen mitzubekommen, das war für DDR-Bürger ja nicht einfach.

Heute geht alles übers Internet, aber früher bei nur drei West- und zwei Ost-Fernsehprogrammen kamen die Leute in den Laden und sagten, ich will den Schnitt, den Gitte Haenning gestern bei Rudi Carrell hatte, oder den von Lady Di.“ Als Christo den Reichstag verpackte, machte er schon vor seinem Laden mit, verhüllte eine Figur und schrieb "Welcome" ins Schaufenster, das war im Frühsommer 1995.

Was denn als nächster Haartrend komme? „Meiner Erfahrung nach immer das Gegenteil von dem, was gerade war, und an einen Trend angelehnt, der mindestens 20 bis 30 Jahre her ist“, sagt der seit Ende der 1980er Jahre arbeitende Friseur, das wären seiner Ansicht nach also bald „Vokuhila“ und Schnauzer. Das aktuelle Foto zum Haartrend im Schaufenster hat er selbst gezeichnet, dazu gebe es noch gar keine Fotos, die Haarproduktefirmen schicken konnten. Die Familientradition endet übrigens. Der Sohn wurde Krankenpfleger, in der Notaufnahme.

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