Geschenk zur 775-Jahr-Feier: Frische Farbe für die Mauer
Zum 775. Jahrestag der Stadt restaurieren zwei Künstler die von ihnen bemalten Mauerteile am Leipziger Platz. Die Verschönerungsaktion mussten sie erst beim Denkmalschutz durchsetzen - und dann aus eigener Tasche bezahlen.
Fast 23 Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer stehen die Künstler Thierry Noir und Kiddy Citny am Leipziger Platz und bemalen von beiden Seiten die Überreste. Nie haben sie gedacht, dass sie das eines Tages machen können – sich gegenüber stehend, von der Mauer verdeckt, aber wohl wissend, dass der andere auf der gegenüberliegenden Seite auch den Pinsel schwingt. Für die 775-Jahr-Feier der Stadt Berlin am 28. Oktober restaurierten die Künstler ihre beiden Mauerwerke am Leipziger Platz vor dem Mosse Palais und dem Kulturzentrum Süd-Korea.
„Die Farbe unserer Werke auf den Mauerteilen ist schon verblichen. Einiges kann man gar nicht mehr erkennen“, sagt der 55-jährige Kiddy Citny. „Das wollen wir ändern.“ Deshalb haben die beiden Mauerkünstler Farben, Pinsel und Leitern mitgebracht und legen Hand an. „Am 13. August soll alles fertig sein – pünktlich zum Bau der Mauer vor 51 Jahren“, erzählt Citny während er die verblichene Weltkugel, die eine Figur mit Krone auf dem Kopf im Arm hält, vor dem Mosse Palais am Leipziger Platz 15 zuerst mit weißer Farbe überstreicht und dann mit einem in Lila Farbe getauchten Pinsel wieder aufmalt. Die Mauerüberreste am Leipziger Platz, die früher in Höhe des Potsdamer Platzes standen, wurden erst in der Nachwendezeit von den beiden Künstlern gestaltet. Sie gehören zu den 33 von Thierry Noir und 12 von Kiddy Citny bemalten Mauersegmenten, die auch ins Ausland verschenkt oder verkauft wurden. „Ein Mauerstück war im MoMa in New York zu sehen, eines ist bei Frau Hennessy von der Champagner Firma in Frankreich untergebracht. Ein anderes steht vor dem Hauptsitz der Vereinten Nationen in New York und sogar der Papst hat ein Mauersegment bei sich im Garten stehen“, sagt Citny.
Vier Jahre hat es gedauert bis die beiden Künstler die Erlaubnis vom Landesdenkmalamt bekamen, restaurieren zu dürfen. „Die Mauerteile sind denkmalgeschützt, deswegen war das nicht so einfach. Auch die Fragen nach der Kostenübernahme stand lange im Raum“, sagt der in Stuttgart geborene, 1977 nach West-Berlin gezogene Citny. Letztlich haben sich die beiden Künstler dazu entschlossen, die Restaurierung aus eigener Tasche zu bezahlen. „Das macht mir auch nichts“, sagt der französische Künstler Thierry Noir (55). „Ich mache das gerne, auch für die junge Generation. Damit will ich ihnen sagen, dass die Freiheit nicht vom Himmel gefallen ist. Wir haben dafür schwer gekämpft, das darf nicht vergessen werden.“ Zur 775-Jahr-Feier wollen die beiden Künstler die restaurierten Mauerwerke der Stadt schenken. „Ob es dann auch eine kleine Feier geben wird, wissen wir noch nicht. Das müssen wir noch mit der Stadt abklären“, sagt Citny.
Im April 1984 bemalten die beiden Künstler zum ersten Mal gemeinsam ein Stück der Berliner Mauer. „Ich habe direkt vor der Grenze am Mariannenplatz in Kreuzberg gewohnt und zunächst habe ich diese Mauer zwei Jahre lang beobachtet. Geschaut was da passiert, welche Bedeutung dahinter steht“, erzählt Noir. „Dann kam irgendwann das Gefühl, etwas dagegen machen zu müssen. Körperlich. Also habe ich angefangen die Mauer zu bemalen.“
Kennengelernt haben sich der aus Frankreich stammende Noir und Citny auf einer Party. „Damals gingen wir tagsüber oft ins Café M in der Goltzstraße, danach ging man ins Dschungel an der Nürnberger Straße und anschließend noch in die Diskothek Risiko an der Yorckbrücke“, erinnert sich Noir. 1982 kam ihnen dann die Idee, die Mauer gemeinsam zu bemalen. „Wir wollten Berlin mit Kunst einschließen und haben angefangen, hunderte von Metern zu bemalen“, sagt Citny. Das war allerdings kein leichtes Unterfangen, denn das Bemalen der Mauer war verboten. Deshalb waren sie zunächst nachts aktiv. „Einmal kam aber die Grenzpolizei aus Ost-Berlin herübergeklettert. Mit Maschinengewehren bewaffnet. Auch ein Fotograf war dabei, der Bilder von uns gemacht hat. Danach habe ich mir gedacht, jetzt sind wir eh schon bekannt, da können wir auch tagsüber malen“, erzählt Noir. Angst hatten die beiden aber nicht. Denn zwischen der Mauer und Ost- und West-Berlin gab es eine Linie. Der Abstand zwischen der Mauer und dieser Linie betrug ungefähr fünf Meter. Die Fläche zwischen der Linie und der Mauer gehörte offiziell noch zu Ost-Berlin. „Wenn also die Grenzpolizisten mit ihren Metallleitern und schweren, großen Stiefeln kamen, hörten wir sie oft. Dann sind wir schnell hinter die Linie gelaufen und waren in West-Berlin erstmal gerettet.“
Immer wieder wurde ihre Arbeit auch von Passanten aufgehalten, die wissen wollten, warum die Mauer von ihnen bemalt werde. „Einige waren sogar wütend, weil sie dachten, wir werden dafür bezahlt, die Mauer zu verschönern“, sagt Noir. „Dann musste ich immer wieder erklären, dass ich gegenüber im Georg-von-Rauch-Haus wohne und das freiwillig mache – für Berlin.“ Damals und auch noch heute, erklärt er den vorbeigehenden Passanten: „Wir hätten die Mauer zwar von oben bis unten mit bunter Farbe anmalen können – schön wäre sie dadurch nie geworden.“
Jessica Tomala
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