Ruhestätte: Friedhof für totgeborene Babys eingeweiht
Im "Garten der Sternenkinder" in Schöneberg finden Babys, die gestorben sind, bevor sie lebten, ihre letzte Ruhe. Ein gemeinnütziger Verein betreut auch die Eltern, die mit ihrer Trauer oft allein gelassen werden.
Der Name klingt schön. Die Schicksale, die dahinter stecken, sind traurig. "Garten der Sternenkinder" heißt der 80 Quadratmeter große Platz inmitten einer Gänseblümchenwiese auf dem Schöneberger "Alter St.-Matthäus-Kirchhof". Hier werden Kinder bestattet, die gestorben sind, bevor sie gelebt haben.
Gabriele Gérard, die das Projekt leitet, spricht lieber nicht von tot geborenen Kindern. "Wir nennen sie Sternenkinder oder still geboren", sagt die 60-Jährige. Gérard engagiert sich beim Verein Efeu, der den Alten St.-Matthäus Kirchhof unterstützt.
Spezieller gestaltet als ein normaler Friedhof
In Berlin kommen laut Statistik der Senatsverwaltung Gesundheit auf 1000 Geburten 3,7 Totgeburten. Im Jahr 2006 waren das 110 sogenannte perinatale Sterbefälle. "Natürlich können Eltern ihre Kinder auch auf einem normalen Friedhof beisetzen", sagt Gérard. Aber das sei um ein Vielfaches teurer als die kleine Grabstelle. "Außerdem haben wir die Gedenkstätte speziell gestaltet."
Ein Zaun aus spielenden Kindern, eine Terrakotta-Figurengruppe und der Aronia-Baum in der Mitte kennzeichnen den Garten der Sternenkinder mit 80 Grabstellen. Die Fläche ist mit Pflanzen umrandet. "Hier wachsen Herrgottsmantel, Vergißmeinnicht und der Milchstern, dessen Blüten wie Sterne aussehen", erklärt Heilpflanzenkundler Bernd Boßmann vom Verein Efeu. Die Pfingstrosen habe er gepflanzt, weil man deren Samen den Säuglingen früher als Schutzamulett umgelegt habe. Auch die Erdbeere ist symbolisch. "Schon der römische Dichter Ovid hat Erdbeeren als Speise der früh verstorbenen Kinder bezeichnet."
Der "Garten der Sternenkinder" soll Trost spenden und ein Ort der Begegnung sein. "Die Eltern sollen spüren, dass sie nicht alleine sind", sagt Gérard, die eine Ausbildung zur Trauerbegleiterin macht. Auch sie hat ihren Sohn verloren. "Aber ich hatte das Glück, dass ich 23 Jahre mit ihm leben durfte. Ich habe Erinnerungen an ihn, hab sein erstes Lachen, seine ersten Schritte erlebt." Die Eltern der Sternenkinder haben nicht einmal das.
Unverstandene Trauer
"Aber am schlimmsten ist das Umfeld", sagt Gérard empört. "Da kommt dann eine unendliche Zahl von Schwachsinnigkeiten. 'Ihr seid doch noch so jung', oder 'Ihr könnt ja noch so viele Babys machen', oder 'Es hat ja eh nie gelebt'." Dabei sei die Trauer der Eltern riesig. "Die Schwangerschaft setzt so viele Hoffnungen frei - und dann stirbt das Baby. In dem Moment stürzt für die Eltern alles ein." Doch diese Trauer werde von niemandem verstanden. Nur langsam entstehe ein Bewusstsein in der Gesellschaft.
In Deutschland existiert auch kein einheitliches Gesetz: Die Bestattungspflicht ist Ländersache und bei Totgeburten vom Gewicht abhängig. In Berlin fallen nur tot geborene Kinder über 1000 Gramm darunter, in allen anderen Fällen können sich die Eltern aber freiwillig für eine Beerdigung entscheiden. "Die Totgeburten, die nicht bestattet werden, kommen zur Forschung oder ins Krematorium."
Auf dem Friedhof in Schöneberg ist ein individueller Abschied möglich. Die einzelnen Grabstellen und die Begräbniszeremonie können von den Eltern selbst gestaltet werden. Sie entscheiden auch, ob das Kind in einem selbstgebastelten Kästchen oder einem kleinen Sarg beigesetzt wird. "Aber es muss zum Gesamtarrangement passen", betont Gérard. Große Grabsteine sind tabu, ebenso Kreuze. "Das ist ein ökumenischer Platz." Eines der beiden bisher beigesetzten Sternenkinder sei von muslimischen Eltern gewesen.
Am Sonntag (20. April) wird der "Garten der Sternenkinder" um 11.00 Uhr offiziell eingeweiht. Mehr Informationen gibt es im Internet unter efeu-ev.de.
Christine Ketzer[ddp]