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Erinnerung. Mit dem Hatun-Sürücü-Preis erinnern die Grünen an die ermorderte junge Frau.
© dpa

Todestag von Hatun Sürücü: „Frauen sind in vielen Bereichen völlig fremdbestimmt“

Die Unternehmerin Jasmin Taylor ist für den diesjährigen Hatun-Sürücü-Preis nominiert. Sie engagiert sich in der Flüchtlingshilfe.

Die Unternehmerin Jasmin Taylor ist mit ihrem Projekt „SIS – Strong Independent Sisters“, für den Hatun-Sürücü-Preis der Grünen nominiert. SIS wurde 2014 gegründet und unterstützt Flüchtlingsfrauen ein Jahr lang darin, ein selbstbestimmteres Leben zu führen.

Frau Taylor, warum haben Sie das SIS-Projekt gegründet?

Ich finde es wichtig, sich für die Schwächeren in unserer Gesellschaft zu engagieren und ein Stück dessen, was ich an Positivem erfahren habe, weiterzugeben. Ziel ist es, dass Frauen ein selbstbestimmtes und finanziell unabhängiges Leben führen können. Wir unterstützen Flüchtlingsfrauen mit Sprachtraining und Personal Coaching. Somit erhalten sie den Grundstein zur Selbsthilfe. Prinzipiell bin ich der Meinung, dass es keinen Sinn macht, wenn sich die Politik allein des Themas annimmt. Wir brauchen in Deutschland mehr organisierte private Initiativen rund um Flüchtlingshilfe und Integration. Das Engagement von Privatpersonen ist überaus wichtig.

Wie läuft das Programm für die Frauen ab und wie geht es danach weiter?

Wir hatten rund 30 Bewerberinnen aus Iran, Afghanistan, Eritrea und Syrien. Insgesamt elf Frauen habe ich nun seit einigen Monaten unter meinen Fittichen. Nach einem Jahr sollen sie ihr Wissen an andere Frauen weitergeben. Ich stehe auch weiterhin als Patin zur Verfügung, wenn sie sich selbstständig machen oder ein Aufbaustudium beginnen wollen.

SIS startete im September 2014. Gibt es schon erste Erfolge?

Die Frauen haben bereits bemerkenswerte Fortschritte gemacht – sowohl persönlich als auch auf dem Niveau der Sprache. Sie sind hochmotiviert und verstehen, dass sie durch SIS eine Chance erhalten, ihr Leben künftig weitgehend selbst zu gestalten.

Sie haben selbst eine bemerkenswerte Geschichte. Als Jugendliche kamen Sie ohne Eltern aus dem Iran nach Deutschland, heute sind Sie erfolgreiche Unternehmerin. Welche Erfahrungen haben Sie auf Ihrem Weg gemacht?

Ich habe keinen Vergleich, deshalb kann ich nicht sagen, ob es für mich besonders schwer war. Aber sowohl als Frau als auch jemand mit Migrationshintergrund ist man sehr vielen Vorurteilen ausgesetzt. Dadurch war es für mich in doppelter Hinsicht schwer. Im Alltag erlebte ich immer wieder Rückschläge – selbst in der normalerweise kulturell so aufgeschlossenen Reisebranche, die nach wie vor sehr männlich dominiert ist. Mein Erfolg hängt vielleicht auch damit zusammen, dass ich, bedingt durch meinen Hintergrund, Dinge etwas anders mache. Ich habe aus Fehlern immer gelernt und bin dadurch selbstbewusster geworden.

Was würden Sie Frauen empfehlen, die heute in einer ähnlichen Situation sind wie Sie zu Beginn Ihrer Karriere?

Jasmin Taylor ist Gründerin und Alleineigentümerin von JT Touristik. Mit ihrem Projekt "SIS-Strong Independent-Sisters" möchte sie ihren beruflichen Erfolg mit anderen Frauen teilen.
Jasmin Taylor ist Gründerin und Alleineigentümerin von JT Touristik. Mit ihrem Projekt "SIS-Strong Independent-Sisters" möchte sie ihren beruflichen Erfolg mit anderen Frauen teilen.
© promo

Ich denke, der Schlüssel zum erfolgreichen Leben ist Bildung. Daher war es mir wichtig, mein Abitur und ein Studium zu absolvieren. Wer Bildung erfährt, hat auch die Ressourcen, sich zu entwickeln. Frauen, die in einer ähnlichen Lage sind, empfehle ich alles daranzusetzen, sich so viel Wissen wie möglich anzueignen. Die Sprache des Landes zu sprechen ist ein wichtiger Ausgangspunkt.

Was bedeutet Ihnen die Nominierung für den Hatun-Sürücü-Preis?

Sehr viel. Der Fall Hatun Sürücü hat uns auf grausame Weise vor Augen geführt, dass Frauen in vielen Bereichen der Gesellschaft völlig fremdbestimmt sind. Hatun Sürücü hat sich gegen die strengen Regel ihrer Familie aufgelehnt und diesen Idealismus mit ihrem Leben bezahlt.

Das Gespräch führte Pascale Müller.

Jasmin Taylor ist Gründerin und Alleineigentümerin von JT Touristik. Mit ihrem Projekt „SIS – Strong Independent Sisters“ möchte sie ihren beruflichen Erfolg mit anderen Frauen teilen.

Pascale Müller

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