Berliner SPD uneins über Volksbegehren: Franziska Giffey erteilt Enteignungen eine Absage
Am Freitag startet zweite Phase des Enteignungs-Volksbegehrens. Giffey gibt die Linie vor, hat aber nicht die gesamte Partei hinter sich. Der DGB wird kein Unterstützer, CDU und FDP warnen.
Wenige Tage vor der am Freitag in Berlin startenden zweiten Unterschriftensammlung für das Volksbegehren "Deutsche Wohnen und Co enteignen" hat Bundesfamilienministerin und SPD-Spitzenkandidatin Franziska Giffey Enteignungen eine klare Absage erteilt.
"Ich finde es richtig, dass wir den Wohnungsbestand der öffentlichen Hand deutlich erhöhen. Aber ich halte Enteignung nicht für das richtige Mittel", sagte Giffey am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur. "Diejenigen, die enteignet werden, müssen auch entschädigt werden. Jeden Euro kann man nur einmal ausgeben. Und es entsteht keine einzige neue Wohnung dadurch", kritisierte Giffey weiter.
Sie sei deshalb dafür, in einen Dialog mit den städtischen Wohnungsbaugesellschaften, Genossenschaften sowie privaten Unternehmen einzutreten, um den Wohnungsbau voranzubringen, sagte Giffey und erklärte: "Unser Ziel, mehr Wohnungen in der Stadt zu bauen und die vorhandenen bezahlbar zu halten, werden wir nur gemeinsam erreichen."
Darüber hinaus sprach sie sich dafür aus, geltende Mieterschutzrechte durchzusetzen und zu stärken sowie Verstöße "noch strikter" zu sanktionieren. Enteignungen wiederum seien keine Lösung.
In der eigenen Partei dürfte Giffey mit diesen Aussagen nicht nur auf Zustimmung stoßen – im Gegenteil. Zuletzt hieß es von Seiten der Initiatoren des Volksbegehrens wie auch aus der SPD heraus, dass sich nicht wenige Sozialdemokraten aktiv an der Unterschriftensammlung beteiligen und für diese werben wollen. Ganze Abteilungen könnten vom Kurs der Gesamtpartei abweichen, erfuhr der Tagesspiegel aus Parteikreisen.
Öffentlicher Gegenwind aus den eigenen Reihen soll vermieden werden
Groß ist der Frust des linken Parteiflügels spätestens seitdem Giffey eine Verlängerung des Mietendeckels klar abgelehnt hatte. Öffentlich werde nur deshalb still gehalten, weil Giffey nicht beschädigt werden soll, heißt es hinter vorgehaltener Hand.
Die Spitzenkandidatin steht wegen der drohenden Aberkennung ihrer Doktortitels durch die Freie Universität ohnehin unter Druck. Öffentlicher Gegenwind aus den eigenen Reihen und das dadurch erzeugte Bild einer zerstrittenen SPD sollen vermieden werden.
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Dabei zeigt schon ein Blick in die Vergangenenheit, dass der Umgang mit dem Volksbegehren in der SPD umstritten ist. Im Jahr 2019 wurde eine Entscheidung zum Umgang mit dem Volksbegehren erst verschoben, schließlich fiel die Entscheidung mit einem Ergebnis von 60 Prozent gegen und 40 Prozent für eine Unterstützung und damit verhältnismäßig knapp aus.
Ehemalige Juso-Bundesvorsitzende will "als Einzelgenossin" für die Initiative werben
Franziska Drohsel, ehemalige Bundesvorsitzende der SPD-Jugend "Jusos" und Vertreterin des linken Parteiflügels, erklärt dazu am Mittwoch: „Ich habe auf dem Parteitag für die Unterstützung der Initiative geworben und bin weiterhin sehr stark von deren Anliegen überzeugt." Sie werde "als Einzelgenossin" für die Initiative werben und Unterschriften sammeln, sagte Drohsel und fügte hinzu: "Angesichts der noch immer angespannten Situation auf dem Wohnungsmarkt ist es bedauerlich, dass es gerade nicht so scheint, dass die Entscheidung der Gesamtpartei heute anders ausfallen würde als im Herbst 2019."
Zuletzt wiederum sorgte die Entscheidung von IG Metall und Verdi, das Volksbegehren zu unterstützen, für Aufsehen in der Partei. Das einst starke Band zwischen Gewerkschaften und SPD gilt seit Jahren als beschädigt. Die unterschiedliche Haltung zum Volksbegehren "Deutsche Wohnen und Co enteignen" macht diese Erosion erneut deutlich.
DGB unterstützt Volksbegehren nicht
In Berlin unterstützt auch die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) das Volksbegehren, der DGB Berlin-Brandenburg dagegen nicht. Es gebe "unterschiedliche Positionen und Beschlusslagen bei den Gewerkschaften".
Der DGB agiere grundsätzlich bei solch wichtigen Fragen im "Konsensverfahren", betonte der Vorsitzende Christian Hoßbach am Mittwoch. "Der DGB wird das Volksbegehren nicht unterstützen", sagte Hoßbach. Für eine Unterstützung gebe es keinen Beschluss. Deshalb werde man auch in der Konsequenz keine Unterschriften sammeln.
Im Kern gehe es darum, dass Berlin eine soziale Mieten- und Wohnungspolitik brauche. "Wir unterstützen deutlich den Mietendeckel in Berlin als Grundlage für die Kampagne für einen bundesweiten Mietenstopp", sagte Hoßbach. Das müsse mit einer guten Neubaupolitik und einer "deutlichen Ausweitung des gemeinwohlorientierten Anteils an Wohnungen" einhergehen. Landeseigene Genossenschaften müssten stärker werden.
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In dem Positionspapier "Berlin für alle!", das am Mittwoch als Positionspapier von den DGB-Gewerkschaften als Forderungskatalog für die Berliner Politik von 2021 bis 2026 vorgestellt wurde, plädieren die Gewerkschaften für den Neubau von mindestens 20000 Wohnungen pro Jahr. Die Hälfte davon müsse gemeinwohlorientiert sein. Die Landeswohnungsunternehmen müssten finanziell gestärkt werden. Der DGB fordert außerdem den Aufbau von Azubi-Wohnheimen mit 1000 neuen Plätzen in der nächsten Legislaturperiode sowie zusätzliche Werkswohnungen für Arbeitnehmer.
Unterstützung von der Berliner Linken
Die Berliner Linke dagegen unterstützt das Volksbegehren: "Natürlich werden wir beim Unterschriftensammeln wieder tatkräftig mithelfen", teilte die Landesvorsitzende Katina Schubert mit. "Wir sind uns sicher, dass auch unter Pandemie-Bedingungen genügend Unterschriften zusammenkommen werden." Es gehe um die Frage, wie Wohnen in der Stadt zukünftig organisiert sein soll. Schubert weiter: "Wir wollen der Geschäftspraxis der großen renditegetriebenen Immobilienunternehmen zulasten von Mieterinnen und Mietern einen Riegel vorschieben. Wir meinen es ernst mit der Vergesellschaftung. Und wir wollen, dass die Berlinerinnen und Berliner die Gelegenheit bekommen, darüber abzustimmen."
Bei einer Auftaktkundgebung am Kottbusser Tor zum Sammelstart für das Volksbegehren am Freitag ist ein Grußwort von Schubert geplant. Nach Angaben des Landesverbands sind auch mehrere Mitglieder der Linke-Fraktion aus dem Abgeordnetenhaus sowie die Bundesvorsitzende Katja Kipping mit dabei.
CDU und FDP gegen Enteignungen
Klar gegen Enteignungen positioniert sich die Berliner CDU. Burkard Dregger, Vorsitzender der Berliner CDU-Fraktion, erklärte ebenfalls am Mittwoch: „Die CDU-Fraktion bekennt sich in einer einstimmig gefassten Resolution klar gegen das Enteignungs-Volksbegehren." Titel der Resolution ist "Auf Enteignungen kann Berlin nicht bauen". Durch Enteignungen entstehe "keine einzige neue bezahlbare Wohnung, die Mieterinnen und Mieter so dringend brauchen", sagte Dregger und warnte vor nicht kalkulierbaren Folgen.
Neben Dregger äußerte sich auch FDP-Fraktionschef Sebastian Czaja. "Die Initiative „Deutsche Wohnung & Co enteignen“ möchte das Zuhause von Zehntausenden Menschen enteignen – ohne eine einzige neue Wohnung zu schaffen. Genau die brauchen wir aber, damit auch in Zukunft jeder in Berlin ein Zuhause finden kann", erklärte Czaja und warf dem Senat vor, "nichts gegen diesen Irrsinn" zu unternehmen.
"Franziska Giffey kämpft gegen Windmühlen, wenn sie nun versucht, gegen die eigenen Koalitionspartner Enteignungen eine Absage zu erteilen", erklärte Czaja und warb mit dem Slogan „Bauen statt Klauen“ für mehr Neubau und gegen Enteignungen.