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Franz Schulz ist voraussichtlich nur noch bis zum Sommer Bezirksbürgermeister in Friedrichshain-Kreuzberg.
© Kitty Kleist-Heinrich

Ernsthaft erkrankt: Franz Schulz gibt Amt als Bezirksbürgermeister im Sommer auf

Jetzt hört er doch auf: Der grüne Bezirksbürgermeister Franz Schulz will im Sommer seine politische Laufbahn beenden. Er prägte die Politik in Friedrichshain und Kreuzberg über Jahrzehnte mit. Als Grund für seinen Rückzug nennt Schulz eine ernsthafte Erkrankung.

Jetzt hört er doch auf: Franz Schulz will im Sommer seine politische Laufbahn beenden. Offenbar ist dieser Entschluss erst in den vergangenen Tagen gereift. Bis vor kurzem hatte der grüne Bezirksbürgermeister von Friedrichshain-Kreuzberg erklärt, er wolle über die Pensionsgrenze hinaus bis zum Ende der Legislaturperiode im Amt bleiben. Es gebe noch einige Probleme zu lösen, sagte er dieser Zeitung Ende Januar, außerdem fühle er sich „gesundheitlich fit“.

Diese Einschätzung gilt nicht mehr. Kurz nach Ostern kam der Befund einer ernsthaften Erkrankung, sagte Schulz. Seine Ärzte hätten ihm geraten, zum 65. Geburtstag am 1. August den Ruhestand anzutreten. „Ich hätte sehr gern weitergemacht.“ Ob er sich als Privatier noch gesellschaftlich engagieren wird, ließ Schulz offen. „Ich werde mich erstmal gesundheitlich stabilisieren.“

Sein Ausstieg aus der Berliner Politik sei ein „herber Verlust“, sagte der grüne Landesvorsitzende Daniel Wesener. Schulz habe ein „beeindruckendes Lebenswerk“ vorzuweisen. Behutsame Stadterneuerung, Verkehrsberuhigung, Bürgerbeteiligung und die Kreuzberger Alternativkultur – dafür habe er mit Leidenschaft gekämpft. „Es tut mir auch persönlich sehr leid“, sagte Wesener.

Schulz ist seit der Wende bei den Grünen in Kreuzberg aktiv, 1996 wurde er erstmals Bezirksbürgermeister. Nach der Fusion mit Friedrichshain übernahm er den Stadtratsposten für Stadtentwicklung und Bauen und ließ sich ab 2006 erneut zum Bezirksbürgermeister wählen. Schulz sieht sich vor allem als Moderator von Konflikten zwischen Hausbesetzern, Clubbetreibern, Ladenbesitzern und den Eigentümern von Immobilien. In unzähligen Verhandlungsrunden lotet er Kompromisse aus, vertieft sich in komplizierte Rechtsmaterie und bleibt fast immer sachlich, auch wenn es nur im Schneckentempo vorangeht.

Schulz sympathisiert mit fast allen Auswüchsen der Alternativkultur, von Hauskommunen bis zu Guerillagärtnern. Er selbst wirkt dagegen bürgerlich-beflissen, oft detailversessen, mit einem Hang zur Pedanterie. „Ein Aktenfresser“, sagt sein Parteifreund Dirk Behrendt. Und „ein ziemlich introvertierter Typ“, was in der Politik selten zu finden ist, „kein Volksredner“, für Parteitagsauftritte eher ungeeignet, aber ein „begnadeter Taktiker“ bei Verhandlungen.

Höhere politische Weihen blieben ihm verwehrt. Schulz selbst sagt, die Rolle des Bürgermeisters im grünen Biotop von Friedrichshain-Kreuzberg sei ihm „auf den Leib geschneidert“. Für die Legislative in Abgeordnetenhaus oder Bundestag sei er nicht geschaffen. Als das Problem steigender Mieten auf Landesebene jahrelang ignoriert worden sei, habe er mal mit dem Posten eines Senators geliebäugelt, aber auch das ging vorüber.

Schulz, 1948 in Aschaffenburg geboren, machte eine Lehre als Fotolithograf, verweigerte den Wehrdienst, holte sein Abitur nach, studierte Kunst, dann Physik, plante ein Umweltprojekt und gründete ein EDV-Unternehmen. Bevor er in die Politik ging, hatte er schon vieles ausprobiert, und genau diese Vielfalt der Lebensentwürfe möchte er erhalten.

Schulz setzte sich in den 90er Jahren für die Begrünung von Hinterhöfen ein und besorgte „Senatsknete“ für die Renovierung von Häusern in Eigenregie. In Kreuzberg konnten Hausbesetzer zu Hausbesitzern werden. Schulz duldete die Übernahme des Künstlerhauses Bethanien durch die Mitglieder eines Hausprojektes, bot den protestierenden Asylbewerbern vom Pariser Platz in einer Schule Unterschlupf. Die Verteidigung der Kreuzberger und Friedrichshainer Eigengewächse wie der Yaam-Club gegen Druck von außen, gegen Investorenträume, Touristenströme und Luxusmodernisierungen ist sein Kernanliegen.

Für konservative Geister wie Kurt Wansner, CDU-Kreisvorsitzender von Kreuzberg, ist Schulz vor allem ein verkappter Bürgerschreck. „Er hat diesem Bezirk geschadet. Wir können froh sein, wenn er geht.“ Schulz habe immer nur Politik für seine politische Klientel gemacht und dabei den Bezirk von der großstädtischen Entwicklung abgehängt.

Zuletzt, im Streit um die Bauvorhaben an der East Side Gallery, machte Schulz keine gute Figur. Er segnete den Mauerdurchbruch mit dem Investor ab und wurde vom anschließenden Protest kalt erwischt. „Es ärgert mich heute noch, dass es nicht gelungen ist, diese Grundstücke aufzukaufen.“

Am 23. April soll die grüne Basis im Bezirk über das Wahlprozedere für die Nachfolge von Schulz entscheiden. Aussichtsreichste Anwärterin ist die grüne Bildungsstadträtin Monika Herrmann. Bewerben dürfen sich aber alle, heißt es.

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