Berlin: Fragen kostet nichts – aber Antworten ist teuer
Der Piratenchef wollte Merkwürdiges zum Flughafen wissen. Seine Anfrage ist eine von tausenden, die den Senat beschäftigen.
Weiß der Senat, ob der Flughafen BER im Boden versinkt? Wenn ja, seit wann? Und was tut der Senat dagegen? Was kostet es, den Flughafen am Versinken zu hindern? Und was will der Senat tun, falls der Flughafen sich nicht am Versinken hindern lassen will? Diese fünf Fragen hat Piraten-Fraktionschef Christopher Lauer schriftlich dem Senat gestellt, der erwartungsgemäß „keine Erkenntnisse zu einem Versinken des Flughafens“ zu berichten hatte. Da die närrische Zeit für dieses Jahr vorbei ist, scheint es sich bei der Kleinen Anfrage um einen Versuchsballon zu handeln nach dem Motto, fragen kostet ja nichts. Antworten dagegen schon: „Es sind Kosten im niedrigen dreistelligen Bereich entstanden“, heißt es auf eine entsprechende Zusatzfrage des Piraten. Unterschrieben ist die Auskunft von Klaus Wowereit (SPD), der Anfragen der Parlamentarier zur Chefsache Flughafen üblicherweise persönlich abzeichnet.
Was bleibt, ist die Frage nach dem Sinn von parlamentarischen Anfragen dieses Kalibers. Und das Gefühl, dass ernsthafte Anfragen für den Landeshaushalt eine teure Angelegenheit sein dürften, wenn schon diese hier Kosten von mehr als 100 Euro verursacht hat. Denn ein Anruf bei der Flughafengesellschaft dürfte im konkreten Fall das Äußerste gewesen sein, was die Senatskanzlei unternommen hat.
„Vielleicht ist da Schmerzensgeld mit drin“, scherzt ein Beteiligter auf Nachfrage spontan. Ein formales „Preisschild“ für Kleine Anfragen gibt es dagegen nach übereinstimmender Auskunft von Finanzverwaltung und Senatskanzlei nicht. Wowereits Kostenangabe sei keine errechnete, sondern eine „diplomatische“, sagt Vize-Senatssprecher Bernhard Schodrowski. Der größte Posten bei der Beantwortung seien die Personalkosten, zumal viele Kleine Anfragen großen Recherchebedarf nach sich ziehen: Knapp ein Drittel der 788 in der laufenden Legislaturperiode bisher eingegangenen Kleinen Anfragen umfasse mindestens zehn Einzelfragen. Das Fragerecht der Abgeordneten sei „ein hohes Gut“ und „wichtiges Kontrollinstrument“ der Regierungsarbeit. Formale Grenzen zu Anzahl und Umfang der Anfragen gebe es nicht, sagt Schodrowski. Das sei beispielsweise in Nordrhein-Westfalen anders: Im Düsseldorfer Landtag gelte ein Limit von jeweils einem Sachverhalt mit fünf Einzelfragen.
In Berlin ist die Grenze unscharf: Der Grüne Harald Moritz erhielt kürzlich eine ausführliche Antwort auf 16 detaillierte Fragen zur Brandschutztechnik am Flughafen. Dagegen bekam sein Fraktionskollege Stefan Gelbhaar gerade von Verkehrsstaatssekretär Christian Gaebler (SPD) eine 25 Punkte umfassende Anfrage zur Radverkehrsstrategie des Senats mit dem Hinweis zurück, er möge sie zusammenschnurren oder als Große Anfrage einreichen. Große Anfragen werden in der Regel von einer ganzen Fraktion gestellt und mündlich im Plenum beantwortet, meist von einem Senator. Wenn die Fraktion eine schriftliche Antwort wünscht, hat der Senat drei Monate Zeit für die Beantwortung. Für Kleine Anfragen gilt eine Frist von drei Wochen.
Nach Auskunft von Parlamentssprecherin Beate Radschikowsky schickt die Verwaltung des Abgeordnetenhauses die Anfragen der Senatskanzlei, die sie an die Fachverwaltungen verteilt. Sind mehrere Ressorts beteiligt, wird laut Schodrowski meist eine Federführung vereinbart. Nachdem die Infos aus den Fachabteilungen zurückgekommen sind, werden sie von der Behördenleitung – Staatssekretär oder Senator – unterschrieben und über die Senatskanzlei zurück ans Abgeordnetenhaus geschickt. Dort erhält sie zunächst der Frager, bevor sie einige Tage später veröffentlicht werden.
Der Senat bemühe sich um gewissenhafte Beantwortung, betont Regierungssprecher Schodrowski. Das gelte auch für Fragen, die seine Arbeit nicht direkt betreffen, sondern sich beispielsweise auf BSR, BVG oder Bezirksämter beziehen. Wie viel Arbeit anfällt, lässt ein Blick auf die vergangene Legislaturperiode ahnen: 5768 Kleine und 48 Große Anfragen wurden eingereicht. Hinzu kamen rund 2000 mündliche Anfragen.
Pirat Christopher Lauer mag auf Nachfrage nicht erklären, was ihn zu seiner Fünffach-Frage nach dem versinkenden Flughafen bewogen hat: „Ich wollte das einfach wissen“, sagt er nur. Mit der Zusatzfrage habe er „deutlich machen wollen, dass die Beantwortung Kleiner Anfragen auch Geld kostet“. Geld, dass der Senat sich aus Lauers Sicht sparen könne, wenn er die Informationen übers Internet gleich allgemein zugänglich machen würde. Stefan Jacobs
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