Berlin: Bewerbung für Olympia 2024: Fragen an den Senat - unsere Antworten
Wenn sich Berlin für die Spiele bewerben will, dann muss der Senat diese 13 Fragen des Deutschen Olympischen Sportbundes beantworten. Wir haben es schon mal versucht.
Die Landesregierung will am Dienstag das Bewerbungsverfahren für die Olympischen Spiele einleiten. Dieses erfordert die Beantwortung eines 13 Punkte umfassenden Fragebogens, der bis zum 31. August zu beantworten ist.
1. Warum will Ihre Stadt die Olympischen und Paralympischen Spiele ausrichten? Wie sollen die Bürger/innen in Ihrer Stadt und ganz Deutschland davon profitieren? Und was wäre gegebenenfalls der Gewinn der Spiele für die Olympische Bewegung und den Sport in Deutschland?
Olympia könnte den Ruf der Stadt, weltoffen und gastfreundlich zu sein und eine hohe Lebensqualität zu bieten, bestätigen. Berlin würde nicht nur als bewährter Gastgeber internationaler Sportveranstaltungen gewinnen, sondern auch als Touristenmagnet und Wirtschaftsstandort noch attraktiver werden. Die Werbung für Olympia 2024 (oder 2028) hat aber noch nicht so richtig begonnen.
2. Wie passt das olympische Programm (u. a. etwa 35 Wettkampfstätten und 30 Trainingsstätten) in die nachhaltige und unabhängig von den Spielen geplante langfristige Entwicklung Ihrer Stadt?
Berlin ist auf Wachstum und Entwicklung eingestellt. Bis 2030 könnte die Bevölkerung von jetzt 3,6 auf 4 Millionen Einwohner wachsen. Die Infrastruktur muss ohnehin saniert, modernisiert und ausgebaut werden. Eine Olympiabewerbung könnte der Stadtentwicklung zusätzlichen Schub verleihen. Erfahrungsgemäß profitiert auch die regionale Wirtschaft, durch Investitionen und zusätzliche Kaufkraft. Nachhaltigkeit und Klimafreundlichkeit müssten Markenzeichen einer solchen Dynamik sein, da sind sich auch alle Parteien ausnahmsweise einig. Berlin ist außerdem jetzt schon eine international viel beachtete Sportstadt.
3. Wo würden Sie das olympische (und paralympische) Dorf mit der notwendigen Kapazität planen?
Die Idee, die der Präsident des Landessportbundes Klaus Böger mal lose geäußert hatte, ist inzwischen zur Illusion geschrumpft. Böger hatte daran gedacht, die Athleten auf dem Tempelhofer Feld unterzubringen, in temporären Bauten natürlich. Aber seit dem Volksentscheid ist das Areal als Nutzfläche wohl durch. Eine andere Möglichkeit ist der Flughafen Tegel. Auch dort könnte man ein Olympisches Dorf bauen. Diese Überlegung hat aber einen Nachteil. Voraussetzung ist die Schließung des Flughafens Tegel eine gewisse Zeit vor Beginn der Olympischen Spiele. Schließlich muss ja noch gebaut werden. Doch Tegel wird erst geschlossen, wenn der BER geöffnet wird. Und wann dies der Fall sein wird, weiß niemand. Es besteht auch die Möglichkeit, die Athleten in einer Kaserne unterzubringen, die derzeit noch von der Bundeswehr genutzt wird, die aber später geschlossen werden soll.
4. Geben Sie uns bitte einen Überblick über die Anordnung der olympischen Sportstätten in Ihrer Stadt. Wo könnten Sie auf bestehende Anlagen zurückgreifen, wo müssten neue gebaut werden, und mit welcher Größenordnung eines Investitionsbudgets rechnen Sie?
Berlin kann auf das Olympiastadion, die O2-Arena, die Max-Schmeling-Halle, das Velodrom, das (ausbaubare) Jahn-Stadion, den Olympiastützpunkt Hohenschönhausen, die Tennisanlage des LTTC Rot-Weiß und die Alte Försterei zurückgreifen. Für Beach-Volleyball ist genügend Platz, es gibt Pferderennbahnen und das Messegelände bietet Platz für den Hallensport. Einsetzbar wäre vielleicht auch das Flughafengebäude samt Hangars und Vorfeld in Tempelhof.
5. Gibt es Sportarten, deren Wettbewerbe nicht in Ihrer Stadt durchgeführt werden können (z. B. die Segelwettbewerbe)? Wenn ja, was wäre Ihre bevorzugte Option für diese Wettbewerbe?
Wenn Brandenburg mitmacht, stünden die Regattastrecke am Beetzsee, das Fußballstadion in Cottbus und für den Pferdesport die Anlagen in Neustadt/Dosse zur Verfügung. Und in Sachsen gibt es hervorragende Wildwasserstrecken.
6. Der DOSB hat sich in besonderer Weise der Nachhaltigkeit verpflichtet. Wie würden Sie eine vernünftige und das Stadtleben bereichernde Nachnutzung der olympischen Anlagen sicherstellen?
Da die selbsternannte „deutsche Sportmetropole“ im Wesentlichen auf bestehende Anlagen für die Olympischen Sportarten zurückgreifen kann, die jetzt schon voll ausgelastet sind, ist das Risiko brachliegender Stadien und Hallen nach Abschluss der Spiele gering. Das Olympische Dorf, das es noch nicht gibt, könnte ein begehrtes Wohnquartier werden.
7. Eine gesicherte Finanzierung der Bewerbung von Anfang an ist eine notwendige Voraussetzung für deren Erfolg. Mit welchen Kosten rechnen Sie, und welches Finanzierungskonzept streben Sie für die Bewerbung an?
Die Kosten der Bewerbung werden bis zu 60 Millionen Euro betragen. Das ist eine Größenordnung, die noch in den laufenden Haushalt passt oder in den nächsten Doppeletat 2016/17 eingestellt werden müsste. Was die Spiele selbst kosten werden, ist aktuell nicht seriös einschätzbar. Olympia 2012 in London hat die britische Hauptstadt nach offiziellen Angaben 11,6 Milliarden Euro gekostet. Für Rio de Janeiro liegen die Kostenschätzungen derzeit bei 12 Milliarden Euro. Tendenz steigend. Aus dem Berliner Landeshaushalt sind solche Summen nicht finanzierbar. Inwieweit der Bund einspringen würde oder private Investitionen die öffentliche Hand entlasten könnten, ist offen. Vielleicht geht es ja auch preiswerter. Der Senat erhofft sich, so steht es in der Vorlage, die am Dienstag beschlossen werden soll, „bescheidenere Spiele“.
Bürgermeinung, Hotels und mögliches Scheitern
8. Wie stehen Parlament und Regierung einer möglichen Bewerbung ihrer Stadt gegenüber?
Die Regierungsparteien CDU und SPD unterstützen die Berliner Bewerbung, jedenfalls grundsätzlich. Strikt dagegen sind die Linken. Grüne und Piraten sind noch sehr skeptisch, aber bereit, über das Thema ernsthaft zu diskutieren. Fraktionsübergreifende parlamentarische Initiativen für eine Bewerbung, so wie in Hamburg, gibt es im Abgeordnetenhaus bisher nicht. In Brandenburg, das sich an der Ausrichtung der Spiele beteiligen könnte, ist die politische Gemengelage ähnlich wie in Berlin.
9. Eine Olympiabewerbung braucht die Unterstützung und Akzeptanz der Mehrheit der Menschen. Wie steht die Bevölkerung Ihrer Stadt zu einer möglichen Bewerbung? In welcher Weise würden Sie sich der Zustimmung einer Mehrheit der Bevölkerung in Ihrer Stadt und in ganz Deutschland versichern?
Vor einem halben Jahr sprachen sich in einer Forsa-Umfrage 52 Prozent der Berliner für eine Olympiabewerbung Berlins aus, 44 Prozent waren dagegen. Überdurchschnittlich viele Befürworter fanden sich bei den CDU- und SPD-Wählern und 78 Prozent der unter 30-jährigen Berliner fanden die Idee gut, Olympische Sommerspiele in die Stadt zu holen. Solche Umfragen ersetzen allerdings kein verbindliches Bürgervotum. Der Senat geht von einer „grundsätzlichen Offenheit“ der Bürger für die Austragung der Spiele aus und will „Ideen, Bedenken und Wünsche“ der Berliner in die Bewerbung einfließen lassen. Ob das Volk dazu politisch und rechtlich verbindlich befragt werden soll, und wann, ist unklar. Wenn Rot-Schwarz oder die nächste Landesregierung nach der Wahl 2016 nicht selbst aktiv wird, droht eventuell ein Volksbegehren, dass eine „Nolympia“-Initiative (die es bisher nicht gibt) schnell ins Rollen bringen könnte.
10. Das IOC verlangt garantierte Hotelkapazitäten von mindestens 42 000 Zimmern, um die an der Durchführung von und Berichterstattung über Olympische Spiele Beteiligten unterzubringen. Wie können Sie diese Anforderungen gewährleisten?
Berlin hat jetzt schon eine Übernachtungskapazität von 160 000 Betten, mit steigender Tendenz. Und wer in der Stadt nichts findet, kann ins Umland ausweichen.
11. Wie sieht in Grundzügen Ihr Transportkonzept für die Olympischen und Paralympischen Spiele aus?
Bei der gescheiterten Bewerbung hatte Berlin beim olympischen Verkehr vor allem auf die Bahn gesetzt. Dies dürfte auch jetzt so sein. Und die Voraussetzungen sind wesentlich besser geworden. Die damals noch vorhandenen Lücken im S- und U-Bahn-Netz sind längst geschlossen, die damals gewünschten Fernbahnhöfe in Gesundbrunnen, Spandau und Südkreuz vorhanden. Wiederbelebt werden könnte auch der „Olympia-Express“ auf Schienen, der Sportler zu den Wettkampfstätten bringt.
12. Mit der Durchführung Olympischer Spiele ist die anschließende Durchführung der Paralympics verbunden. Wie würden Sie dieser Anforderung gerecht werden?
In Berlin finden jährlich die Internationalen Deutschen Meisterschaften der Behinderten im Schwimmen und in der Leichtathletik statt. Das ist bedeutsam, weil Schwimmen und Leichtathletik die olympischen Kerndisziplinen sind. Im vergangenen Jahr zum Beispiel haben an den Wettkämpfen in der Schwimmhalle an der Landsberger Allee Athleten aus 42 Nationen teilgenommen. Das bedeutet, dass in der Stadt genügend Fachwissen für die Organisation einer internationalen Großveranstaltung vorhanden ist. Zudem zeigt der große Zuspruch auch, dass die Athleten aus aller Welt mit den Wettkampfbedingungen sehr zufrieden sind.
13. Eine Bewerbung ist oft nicht im ersten Anlauf erfolgreich. Wären sie im Fall eines Scheiterns der Bewerbung grundsätzlich bereit und interessiert an einem weiteren Bewerbungsverfahren?
Berlin ist darauf eingerichtet, sich für 2024 oder später zu bewerben. Da sich der Deutsche Fußball-Bund bereits für die Ausrichtung der Fußball-Europameisterschaft 2024 bewirbt, käme im Erfolgsfall eine deutsche Olympiabewerbung ohnehin erst ab 2028 in Frage. Darauf sind Berlin und der Konkurrent Hamburg auch eingerichtet. Die Entscheidung, mit welcher Stadt sich der Deutsche Olympische Sportbund bewirbt, fällt im Dezember 2014. Die Entscheidung über den Austragungsort trifft das IOC 2017.