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Der Spandauer Markt ist einer der ältesten Plätze Berlins - das Kunstwerk mit dem Spottnamen "Pinkelrinne" eher unbeliebt.
© Doris Spiekermann-Klaas

Platz da!: Folge 9: Spandauer Markt

Vor drei Jahrzehnten wurde er neu gestaltet – als gepflasterter Festplatz und Veranstaltungsfläche. Unter der Woche will keiner dort verweilen. Es fehlen Gaststätten, gute Läden – und die Kinder.

Ein wenig müde plätschert Wasser das steinerne Rückgrat entlang. 32 Meter Kunstwerk, eine eher ungeliebte Rinne. Die Granitquader-Skulptur des Wilmersdorfer Bildhauers Günther Ohlwein teilt den westlichen Bereich des Spandauer Marktplatzes in zwei Hälften. Eine Welle der Havel soll sie symbolisieren, dient Spatzen und Tauben als Tränke – und wird von den Menschen eher als Müllbehälter benutzt. Die Spandauer fanden schnell einen Spottnamen: „Pinkelrinne“.

Die zweite, 1982 ebenfalls zur Neueröffnung des umgestalteten Marktplatzes enthüllte Ohlwein-Plastik wurde bereits 2006 sang- und klanglos abgebaut und vom Bezirksamt eingelagert. Die Bronzesäulen, über die schon seit Jahren kein Wasser mehr geflossen war, hießen im Volksmund „Schornsteine“ und rotteten vor sich hin, bis ihre Standfestigkeit nicht mehr gewährleistet war. An das mit Absatzschuhen kaum begehbare und im Winter oft spiegelglatte Kleinsteinpflaster haben sich die Spandauer mittlerweile gewöhnt. Ansonsten hat sich in den drei Jahrzehnten seit der Umgestaltung des Marktes zur Fußgängerzone, die anlässlich der 750-Jahr-Feier des Bezirks erfolgte, wenig verändert – sieht man einmal von der Fluktuation des Einzelhandels ab.

Von den Traditionsfirmen sind nur das Schuhhaus Ega, das Café Fester, die Volksbank sowie die Filialen von Kaiser’s und Woolworth übrig geblieben. Der Rest entspricht dem Einerlei in Fußgängerzonen von der Ostsee bis zu den Alpen: ein Telekom- und ein Handyladen, ein Drogeriemarkt, zwei Bäcker, ein Wursthändler, ein Friseur und eine weitere Bank. Die Billigapotheke ist vor Jahren gescheitert; ihre Räume stehen immer noch leer.

Eine Allee von Kugelahornbäumen säumt die Südseite des Marktes, der auch als Festplatz dient. Gerade war Usedom-Tag, im August folgen Bayern-Tag und Altstadtfest und in jedem Dezember befindet sich hier das Zentrum des Spandauer Weihnachtsmarktes.

So schön könnte es aussehen: Auf einem Granitstreifen könnten sich Geschäfte draußen ausbreiten, Passanten könnten auf Rundbänken Platz nehmen.
So schön könnte es aussehen: Auf einem Granitstreifen könnten sich Geschäfte draußen ausbreiten, Passanten könnten auf Rundbänken Platz nehmen.
© Simulation: Schrickel und Partner Landschaftsarchitekten

An vier Werktagen die Woche erwacht der Platz auch außerhalb der Altstadt-Veranstaltungen zum Leben: Die gut 20 Händler des Havelländischen Land- und Bauernmarktes bieten von Obst und Gemüse über Fleisch- und Backwaren, Joghurtbar und Saftpresse bis hin zu Bekleidung ein vielseitiges Angebot. An Kundschaft mangelt es nicht. Von der Geschäftsleute-Vereinigung Wirtschaftshof nach dem Mauerfall als Plattform für Landwirte aus dem Umland initiiert, wird der Begriff „Havelland“ heute allerdings großzügig ausgelegt, wie die Stände mit Wurstspezialitäten aus Thüringen und Polen belegen.

Derzeit müssen die Markthändler etwas dichter zusammenrücken, denn der Platz ist zugleich eine Baustelle. Gleich an vier Stellen haben Arbeiter das Pflaster aufgerissen und tiefe Gräben gezogen. Marode Versorgungs- und Hausanschlussleitungen der Wasserbetriebe müssen komplett erneuert werden. Ersatzrohre wurden verlegt, um die Versorgung der Anlieger zu gewährleisten, die nun mit Druckschwankungen leben müssen. Voraussichtlich noch bis Juli werden viele kleine Baustellen über den Markt wandern.

Vieles könnte moderner gestaltet sein

Neben dem Café Fester hat nur der Gemeinschaftsladen einer Wurst- und einer Backwarenkette Tische und Stühle vors Geschäft gestellt. Doch spätestens um 18.30 Uhr ist auch bei Fester Feierabend. Abgesehen von den Altstadtfesten ist der Spandauer Marktplatz an den Abenden verwaist. Gastronomische Angebote? Fehlanzeige.

Die Geräte des Spielplatzes an der Breiten Straße sind derzeit kaputt. Bald könnten hier wieder Kinder toben.
Die Geräte des Spielplatzes an der Breiten Straße sind derzeit kaputt. Bald könnten hier wieder Kinder toben.
© Simulation: Schrickel und Partner Landschaftsarchitekten

„Es könnte mehr Gaststätten auf dem Markt geben und schönere Brunnen“, sagt Katrin Germershausen, die in vierter Generation das 1889 von ihren Urgroßeltern in der Breiten Straße 23 eröffnete Juweliergeschäft Brose leitet. Von dort kann sie den Platz überblicken, der an der Ostseite in die Breite Straße übergeht. Der Klang des Glockenspiels an der Fassade tönt stündlich weit über den Markt hinaus. Vieles könnte inzwischen moderner gestaltet sein; auch eine bessere Beleuchtung wünscht sich die Geschäftsfrau, die auch die Galerie Spandow betreibt.

Angus Forbes, studierter Landschaftsarchitekt, ist an den Entwürfen für den Spandauer Mark beteiligt.
Angus Forbes, studierter Landschaftsarchitekt, ist an den Entwürfen für den Spandauer Mark beteiligt.
© Doris Spiekermann-Klaas

Gemeinsam mit weiteren Akteuren haben der Wirtschaftshof, die AG Altstadt und die Marketinggesellschaft Partner für Spandau in diesem Jahr erstmals den Spandauer Altstadtsommer initiiert. Unter dieser Dachmarke wird die Vielzahl von Veranstaltungen im Spandauer Stadtkern einschließlich der Zitadelle beworben. Palmen in Kübeln und Liegestühle sollen von den Ladenbesitzern gekauft und vor ihre Läden gestellt werden, um zum Shopping in Urlaubsatmosphäre anzuregen. Doch Brose und Ega sind bisher die einzigen Marktanlieger, die dieses Angebot aufgegriffen haben.

Tagsüber sind die Trinker verschwunden, die noch vor einigen Jahren anderen Besuchern das Verweilen auf den Bänken verdarben. Mit geballter Ordnungskraft und – inzwischen wieder abmontierten – Hinweisschildern gegen das Trinken in der Öffentlichkeit hat man die Treber aus der Altstadt verdrängt.

Der kleine Spielplatz im Schatten der Bäume vor Woolworth wird kaum noch von Kindern genutzt. Das verwundert nicht: zwei der drei Spielgeräte fehlen. Eines wird wegen eines Vandalismusschadens repariert und soll bald wieder da sein, versichert Baustadtrat Carsten-Michael Röding (CDU). Doch das beliebte Hüpf-Glockenspiel musste für immer verschwinden, weil die Lücken zwischen den Platten, die es ausmachten, so groß geworden waren, dass Kinder sich die Finger einklemmen konnten. Eine Neuinstallation kann sich der Bezirk nicht leisten; so sucht man nach Sponsoren oder einer preisgünstigen Alternative.

Für den Spandauer Markt wünscht sich selbst der Stadtrat „ein bisschen mehr Aufenthaltsqualität“, beeilt sich aber zu sagen: „Grundsätzlich ist der Markt nicht so schlecht, wie man ihn macht.“

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