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Die Gegend zwischen Mitte und Friedrichshain im Winter 1933. Mittendrin ist der achteckige Backsteinbau der St. Markus-Kirche zu erkennen.
© ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv/Siftung Luftbild Schweiz / Fotograf: Mittelholzer, Walter / LBS_MH02-15-0008 / Public Domain M

Geschichte in Mitte und Friedrichshain: Flug über ein ausgelöschtes Stadtviertel

Vor 60 Jahren wurde die Markus-Kirche am Strausberger Platz gesprengt. Mit ihr verschwand beim Wiederaufbau nach dem Krieg der ganze Kiez.

Im Winter 1933 flog der Schweizer Fotograf Walter Mittelholzer über die Gegend zwischen Mitte und Friedrichshain. Er fotografierte die schneebedeckten Häuser und Straßenschluchten. Die Ansicht von oben ähnelt anderen Berliner Quartieren der Gründerzeit, ein Luftbild über dem Winsviertel Prenzlauer Bergs hätte kaum anders ausgesehen. Mittendrin ist der achteckige Backsteinbau der St. Markus-Kirche zu erkennen. Das für Berlin ungewöhnliche Gotteshaus wurde im Jahr 1855 fertiggestellt, im Stil der italienischen Frührenaissance: Kuppel, hohe Rundbogenfenster und ein Glockenturm von 60 Metern, der sich an die Form des Florentiner Doms anlehnte. 1450 Menschen fanden auf den Bänken Platz, auch die Innenausstattung war kostbar.

Das Kirchgelände war eingezwängt zwischen der Weberstraße und der Großen Frankfurter Straße, die nach dem Zweiten Weltkrieg zum ersten sozialistischen Prachtboulevard im Ostteil Berlins werden sollte – der Stalinallee.

Kirche brannte nach einem Bombentreffer aus

Die breite Straße gehört zu den wenigen Orientierungspunkten des Viertels, die bis heute erhalten blieben. Wie weiten Teilen Berlins hatten die Luftangriffe im Krieg der Gegend um den Strausberger Platz schwer zugesetzt. Auch das Schiff der Markus-Kirche brannte nach einem Bombentreffer aus.

Als nach dem Krieg Berlins Wiederaufbau begann, sah die Staatsführung der DDR zwischen Strausberger Platz und Frankfurter Tor die Möglichkeit für einen städtebaulichen Neuanfang. In einem Kraftakt ließ sie Ruinen sprengen und abtragen. Häuser und Straßen verschwanden für immer, auch die Weberstraße, die auf der Luftaufnahme Mittelholzers quer durchs Bild führt.

Stein auf Stein baute ein Architektenkollektiv um Walter Henselmann bis 1955 den Strausberger Platz neu auf – auch mit Ziegeln der Schuttberge des alten Viertels. Es entstanden Gebäude mit Keramikfliesen an den Fassaden, wuchtigen Säulen und opulenten Kandelabern. Heute spricht man entweder von sozialistischem Klassizismus - oder abfällig von „Stalinkitsch“. Als die ersten Mieter am Strausberger Platz einzogen, stand die Markus-Kirche noch. Wie zum Hohn überragte sie den achtgeschossigen benachbarten Neubau.

Bemühungen um einen Wiederaufbau scheiterten

Es gab durchaus Bemühungen für einen Wiederaufbau: Man dürfe die Kirche nicht einfach abreißen, „nur um einen Parkplatz zu schaffen“. Mit diesen Worten soll sich Heinrich Grüber, der Kirchenmann der DDR, an Ministerpräsident Otto Grotewohl gewandt haben. Doch es half nichts: Am 26. April 1957 wurde die Kirche gesprengt. Für die Wohnträume des Sozialismus verschwanden bis in die späten sechziger Jahre hinein auch nördlich und südlich der heutigen Karl-Marx-Allee die Reste des alten Viertels. Hier entstanden weitgehend schmucklose Plattenbauten.

Flurkarte von 1961. Hier ist der Standort der Markus-Kirche im Umfeld der neuen Bebauung verzeichnet, obwohl sie zu diesem Zeitpunkt schon abgerissen war.
Flurkarte von 1961. Hier ist der Standort der Markus-Kirche im Umfeld der neuen Bebauung verzeichnet, obwohl sie zu diesem Zeitpunkt schon abgerissen war.
© Sammlung Peter Franke

Der Berliner Historiker Peter Franke hat sich lange mit der Geschichte der Markus-Kirche auseinandergesetzt. Auf einem Flohmarkt fand er ein Fotoalbum mit privaten Aufnahmen aus den letzten Jahren vor der Sprengung der Kirche. An deren Standort sei heute die Außenfläche einer Kindertagesstätte an der Weydemeyerstraße, berichtet er. „Eine erste Tafel mit der Geschichte der St.-Markus-Kirche könnte dort gut in diese Stadt passen“, meint der 58-Jährige.

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