Peter Steudtner ist frei: Flug TK 1725 in die Freiheit
Peter Steudtner ist nach mehr als 100-tägiger türkischer Haft zurück in Berlin – ein glücklicher Tag auch für seine Kirchengemeinde.
Das Blitzlichtgewitter bleibt vorerst aus. Mit neun Minuten Verspätung landet Flug TK 1725 aus Istanbul am Donnerstag um 13.59 Uhr in Berlin Tegel. Diesmal muss Peter Steudtner doch dabei sein. Die etwa zehn Kamerateams haben ihre Ausrüstung gleich stehenlassen. Sie waren auch schon vor drei Stunden da, als die letzte Maschine aus Istanbul ankam.
Niemand hier weiß genau, wann der Menschenrechtler nach seiner überraschenden Entlassung aus der türkischen Untersuchungshaft wieder deutschen Boden betritt. Aber jeder will dabei sein.
Steudtners Gemeinde im "Glückstaumel"
In der Gethsemane-Gemeinde in Prenzlauer Berg kennt man Peter Steudtner gut. Hier ist seine religiöse Heimat. Und hier wurden in letzter Zeit täglich Andachten für ihn und seine Mitinsassen abgehalten. Wann Steudtner in Berlin ankommt, weiß man am Vormittag auch hier noch nicht. Ein Gemeindemitglied hat von Steudtners Freilassung auch erst morgens aus den Nachrichten erfahren.
„Im Moment sind wir einfach im Glückstaumel“, sagt der Mann. Seinen Namen will er trotzdem nicht in der Zeitung lesen. „Jetzt müssen wir uns erstmal von den Strapazen der letzten Wochen erholen und beraten, wie es weitergeht.“
Anderthalb Stunden später ist die Gemeindesitzung im Gebäude gegenüber der Gethsemanekirche in vollem Gange. Auch Pfarrerin Jasmin El-Manhy hat keinen direkten Kontakt zu Steudtner, „aber wir gehen davon aus, dass Peter heute eintreffen wird. Wir wissen aber nicht, wo und wann.“
Zur Andacht am Abend wurde Steudtner jedenfalls nicht erwartet. Der wolle sicher erstmal Zeit mit seiner Familie verbringen. „Und das ist auch gut so“, sagt El-Manhy sichtlich gerührt. Ob und wie die Fürbitten für noch immer in der Türkei inhaftierte Menschenrechtler weitergeführt werden, wolle man in den nächsten Tagen gemeinsam mit Steudtner entscheiden. Auch mit einer großen Willkommensparty wolle man sich Zeit lassen.
Als vor der Kirche gerade zwei Frauen das „E“ von „Halleluja“ als Willkommensgruß für Steudtner an den Zaun hängen, kommt über die Medien die Nachricht, dass Steudtner im nächsten Flugzeug aus der Türkei sitze. Bestätigt sei aber nichts. Die Frauen rufen noch aufgeregt: „Grüßen Sie den Peter von uns!“
"Positiv denken"
Am Flughafen Tegel sind weder Blumen noch ein Empfangskomitee zu sehen. Nur ein paar Menschen, die auf Freunde und Familie warten – und ein Heer von Journalisten, Kameras und Stift im Anschlag. Aber Steudtner kommt nicht. Inzwischen macht die Runde, dass Altkanzler Gerhard Schröder an der Freilassung beteiligt sein soll. Es ist bis 13.59 Uhr das neue Gesprächsthema. Dann landet die nächste Maschine aus Istanbul. Diesmal stehen mehr Journalisten da, aber auch Schaulustige.
Mehmet Yüksel etwa ist gekommen, weil er im Fernsehen von Steudtners Ankunft erfahren hat. Der 52-jährige Autohändler lebt seit 1979 in Berlin, fährt oft in seine Heimatstadt Denizli. Solange man in der Türkei nicht über Politik spreche, sagt Yüksel, bestehe auch keine Gefahr. Und das wolle er jetzt auch nicht tun.
Neben ihm wartet ein junger Mann darauf, dass seine Eltern die Maschine verlassen. Er spricht Englisch, lebt und studiert seit einem Jahr in Berlin. Von Steudtners Freilassung hat er gehört, scheint aber von dem ganzen Trubel etwas überrascht. „Zuletzt ist das Verhältnis zwischen Deutschland und der Türkei ja wieder schlechter geworden“, sagt er. Die Freilassung sei allenfalls ein Mosaiksteinchen, „aber wir wollen positiv denken.“
Halleluja für die Freiheit
Inzwischen hat die frühere Familienministerin Rita Süssmuth das Flugzeug verlassen und gibt gegenüber dem RBB an, dass Steudtner an Bord gewesen sei. Der Nachrichtensender N24 meldet, Steudtner sei vermutlich bereits mit einem Auto direkt vom Rollfeld abgeholt worden. Zu Gesicht bekommt den Menschenrechtler in Berlin aber niemand. Nach Angaben der Berliner Senatskanzlei hat seine Familie ausdrücklich darum gebeten, die Rückkehr ohne große Aufregung stattfinden zu lassen. Bis zum Abend gibt es keinen offizielle Bestätigung, das Peter Steudtner wieder in Berlin ist.
Durch die Tür der Gethsemanekirche strömen gegen 18 Uhr Menschen, die Glocken läuten. Viele haben ihre Kinder mitgebracht, die Stimmung ist friedlich. Während der Andacht fragt Pfarrerin Jasmin El-Manhy die Besucher, wie sie sich fühlen. Applaus brandet auf. Das erste Mal seit Langem jubeln sie hier. Weil Peter Steudtner endlich frei ist. Das ist ein Grund zum Feiern. Auch ohne Blitzlichtgewitter.
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