Das Virus hemmt die Integration: Flüchtlingskinder sind durch digitalen Unterricht stark benachteiligt
Kinder und Jugendliche in Flüchtlingsunterkünften leiden besonders unter der Pandemie. Nur die Hälfte von ihnen kann am Homeschooling teilnehmen.
Die Corona-Pandemie bremst die Integration. Besonders Flüchtlingskinder drohen den Anschluss zu verlieren: Ihnen fehlen in Gemeinschaftsunterkünften die technische Ausrüstung und ausreichend Platz zum Lernen.
Ihre Eltern können ihnen oft nicht bei den Schulaufgaben helfen. Und sie verlernen durch mangelnde soziale Kontakte ihre Deutschkenntnisse. Studierende der Alice-Salomon-Hochschule haben in einem Projekt Kinder und Jugendliche in Flüchtlingsunterkünften befragt. „Sie haben den Studierenden erzählt, dass sie Schutz brauchen“, sagte Hochschulprofessorin Theda Borde am Donnerstag in einer Anhörung im Ausschuss Integration, Soziales, Arbeit. Statt mit geschulten Pädagogen zu sprechen, würden sie sich an Security-Mitarbeiter wenden und diese um Hilfe bitten.
Nach Auskunft des Landesamtes für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) leben derzeit 18 468 Bewohner in 79 landeseigenen Unterkünften, darunter 70 Gemeinschaftsunterkünfte. Fast 4000 darunter sind schulpflichtige Kinder und Jugendliche; 2164 Mädchen und Jungen besuchen die Klassen sechs bis elf.
Das Homeschooling sei für alle Bewohner „sehr belastend“, sagte Holger Spöhr vom Paritätischen Wohlfahrtsverband. Nur 20 Prozent der Flüchtlingskinder hätten Computer oder Laptops. Die Bereitstellung von Leihgeräten über die Schulen funktioniere „eher schlecht“, sagte Spöhr. Kinder, die unter das Asylbewerberleistungsgesetz fielen, hätten im Gegensatz zu ALG-II-Empfängern keinen Anspruch auf finanzielle Unterstützung für die technische Ausstattung.
Hinzu kommt laut Spöhr, dass eine externe Nachhilfe oder Unterstützung in vielen Einrichtungen während der Pandemie nicht angeboten werde. „Es muss dringend gegengesteuert werden, damit diese schon benachteiligten Kinder nicht noch mehr Bildungsnachteile erleiden.“ Spöhr fordert ein „flächendeckendes W-Lan in den Unterkünften, nicht nur in den Gemeinschaftsräumen, Geräte für alle Schüler:innen und einen Anspruch auf Notbetreuung in den Schulen“.
Familien und Alleinerziehende könnten wegen der Kinderbetreuung häufig keine Online-Sprachkurse verfolgen und seien mit der Beschulung zu Hause schlicht überfordert. Das Homeschooling erfolge häufig „über unsere eigenen Mitarbeiter“, sagte Panteha Ghanizadeh, Geschäftsführerin der Prisod Wohnheimbetriebs GmbH. Mit technischen Voraussetzungen wie ein ausreichendes W-Lan seien die Probleme nicht gelöst. „Die Kinder brauchen dringend Unterstützung.“
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Sozialsenatorin Elke Breitenbach (Linke) betonte, dass es zwar Kinder- und Frauenschutzkonzepte für die Einrichtungen gebe. Trotzdem hätten vor allem die Kinder viele Probleme in den Unterkünften. „Die Befragung der Kinder und Jugendlichen macht deutlich, welchen Ausgrenzungsmechanismen sie unterliegen, und welche Ängste sie haben in den Unterkünften, auch wenn sie noch so gut sind“, sagte Breitenbach.
Laut LAF-Chef Alexander Straßmeir gibt es Schulbetreuung in über 50 Unterkünften. Dort seien auch ehrenamtliche Helfer aktiv. In allen Gemeinschaftsbereichen laufe inzwischen W-Lan. 80 Prozent der Bewohnerzimmer seien ebenfalls mit W-Lan ausgerüstet.
Straßmeir betonte, dass das LAF von den Mitarbeitern der Betreiber bei der W-Lan-Ausstattung sehr unterstützt werde. Allerdings hilft das den Schülern nicht: Laut Straßmeir benötigen immer noch 50 Prozent der Flüchtlingskinder ein digitales Endgerät, um zu Hause lernen zu können.