Asylrecht: Flüchtlinge sollen besser auf alle Bezirke verteilt werden
Die Zahl der Flüchtlinge, die nach Berlin kommen, steigt. Doch nicht alle Bezirke beteiligen sich gleichermaßen an der Unterbringung. Sozialsenator Mario Czaja will das ändern und droht sogar mit der Beschlagnahmung von Gebäuden.
Vor dem Hintergrund steigender Flüchtlingszahlen will Berlins Sozialsenator Mario Czaja (CDU) die Bezirke mehr als bisher in die Pflicht nehmen – vor allem jene, die viel weniger Unterkünfte bereitstellen als andere. Es sei ungerecht, dass beispielsweise Neukölln nur 44 Asylbewerber unterbringe, Steglitz-Zehlendorf 63 und Reinickendorf 72, sagte Czaja am Dienstag. Hingegen stelle Lichtenberg 1160 und Tempelhof-Schöneberg 776 Plätze zur Verfügung. Deshalb will Czaja am morgigen Donnerstag beim Rat der Bezirksbürgermeister einen Plan vorlegen, der unter anderem vorsieht, dass Steglitz-Zehlendorf rund 500 und Reinickendorf und Neukölln jeweils rund 400 Übernachtungsmöglichkeiten schaffen.
Sollten sich die Bezirke dagegen sperren, schließt Czaja auch eine Beschlagnahmung von Gebäuden nicht aus. Das Allgemeine Ordnungs- und Sicherheitsgesetz (Asog) lasse das zu, sagte er. Tatsächlich ist die Zahl der Asylbewerber in den vergangenen Monaten so stark gestiegen wie seit Jahren nicht mehr. Auch wenn das ein deutschlandweiter Trend ist, bekommt es Berlin besonders zu spüren, weil viele Flüchtlinge zuerst hier betreut werden, bevor sie in andere Bundesländer verteilt werden. Momentan fehlen bereits Hunderte von Übernachtungsplätzen, mehr als tausend könnten es bis Jahresende sein.
Dann werden nach Schätzungen der Sozialverwaltung 6900 Menschen einen Erstantrag auf Asyl gestellt haben, 2011 waren es 5413. Die hohen Steigerungszahlen gehen sowohl auf Bürgerkriegsflüchtlinge aus Syrien zurück als auch auf große Zuwachszahlen aus Bosnien-Herzegowina, Mazedonien und Serbien. Auch wenn gerade Menschen aus den Balkanstaaten nur sehr selten als Flüchtlinge anerkannt würden, hätten sie ein Recht, bis zur Entscheidung menschenwürdig untergebracht zu werden, sagte Czaja. Viele seien Frauen und Kinder. Das für die Unterbringung zuständige Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) verhandele inzwischen fast jeden Tag mit den Bezirken über die Bereitstellung notwendiger Unterkünfte.
Am Brandenburger Tor, wo seit Wochen Flüchtlinge für bessere Lebensbedingungen für Asylbewerber protestieren, demonstrierten gestern gut ein Dutzend Anhänger der rechtspopulistischen Partei „Pro Deutschland“ gegen die Flüchtlinge. Sie trafen auf rund 500 Gegendemonstranten. Aufgerufen zum Protest gegen „Pro Deutschland“ hatten unter anderem die Linke und die Grünen. Weil es keinen Versammlungsleiter und somit keinen Ansprechpartner für die Polizei gab, drohte diese, die Kundgebung aufzulösen.
Am Ende duldeten die Beamten die Kundgebung, zu deren Teilnehmern auch Grünen-Landeschef Daniel Wesener und Linken-Chef Klaus Lederer gehörten, aber doch. Neun Menschen wurden wegen Verstößen gegen das Versammlungsgesetz, Landfriedensbruch und Beleidigung vorläufig festgenommen. Als die Polizisten einen vermummten Gegendemonstranten abtransportieren wollten, stellten sich mehrere Menschen vor den Polizeiwagen. Dabei kam es zu Rangeleien, eine Polizistin wurde leicht verletzt.
Sandra Dassler, Kerstin Hense