66. Bundespresseball: Flanieren geht über Sondieren
Das Motto des diesjährigen Bundespresseballs ist "Perspektiven" - ein aktuelles Thema. Doch trotz der politischen Situation, soll gefeiert werden.
Wer die Perspektive wechselt, könnte ja auch einfach mal abschalten, also dem Thema Politik mit Abstinenz begegnen. „Dazu sind die Zeiten viel zu unruhig, viel zu besorgniserregend“, befand Schauspielerin Uschi Glas. Sie rechnete fest damit, im Laufe des 66. Bundespresseballs, der in der Nacht zu Samstag mit 2300 Gästen im Hotel Adlon gefeiert wurde, in politische Diskussionen zu geraten. „Perspektivenwechsel“ lautete das Motto des Balls.
Ganz anders interpretierte das der Vizepräsident des Deutschen Bundestages, Wolfgang Kubicki (FDP). Die Grüne Katrin Göring-Eckard und er seien sich zwar nicht inhaltlich-politisch, aber menschlich näher gekommen in den letzten Wochen. Sie habe ihm gesagt, auf ihrer Tanzkarte sei noch Platz für ihn. Sein frisches Hemd hatte Ehefrau Annette Marberth-Kubicki mit nach Berlin gebracht, aber nicht gebügelt. „Ich kann gar nicht so gut bügeln.“
„Die Menschen in Europa schauen jetzt auf uns“, sagte Designer Guido Maria Kretschmer, der sich auch als politischen Menschen sieht und als solcher sehr über das Jamaika-Aus enttäuscht war: „Jeder Mensch geht jeden Tag Kompromisse ein.“ Für den Vorsitzenden der Bundespressekonferenz, Gregor Mayntz, ergab das politische Debakel eine durchaus positive Perspektive für den Ball: „Es gibt verstärkten Gesprächsbedarf.“ Trocken fügte er hinzu: „Man darf aber auch tanzen.“
Vorsicht beim Champagner
Politische Insider hielten dagegen, dass so ein All-Inclusive-Ball mit unendlichem Nachschub an guten geistigen Getränken gerade in dieser Situation natürlich eigene Gefahren birgt. Was man einmal verplappert hat, bleibt in der Welt. Champagner und Wein flossen trotzdem fröhlich von Anfang an.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Frau Elke Büdenbender, die zum ersten Mal in der neuen Funktion den Ball besuchten, saßen beim Dinner unter anderem mit „Tatort“-Kommissar Miroslav Nemec und dessen Frau Katrin zusammen, Elke Büdenbender, sonst ein Fan der Farbe Blau, hatte zu diesem Anlass ein elegant aufregendes Ensemble in Fuchsia-Varianten gewählt.
Dass die beiden tatsächlich gekommen sind, hat Gregor Mayntz angesichts der derzeitigen politischen Situation besonders gefreut. Schließlich spiele der Bundespräsident gerade in Krisenzeiten, in Zeiten des Machtvakuums, eine besondere Rolle, die weit über das protokollarisch Repräsentative, für das er sonst oft steht, hinausgehe.
„Das wahre Rot“
Die Band Noble Composition, die Lounge Society, DJ Chris Bekker sowie die Sänger Tatjana Henze und Daniel Mandolini und die Oberbaum Soulband brachten das ehrwürdige Adlon in dieser Nacht auf allen Ebenen zum Klingen. Claudia Roth trug ein dunkelrotes Paillettenkleid, das Kommentare nur so sprudeln ließ. „Das wahre Rot“, parierte sie lachend. Auch der Bundesvorsitzende der Grünen, Cem Özdemir, Schauspielerin Jasmin Tabatabai, Designerin Jette Joop in eigener Kreation und der Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland, Heinrich Bedford-Strohm, flanierten und parlierten. Von der AfD hatte nach einigem Hin und Her nur der Pressesprecher zugesagt.
Die Teenie-Kult-Band „Die Lochis“, waren als Erstwähler ganz aufrichtig auf die politischen Gespräche gespannt. „Wir sind ja eine andere Generation und haben vielleicht auch ganz neue Anregungen.“ Angela Wefers, Vorstandsmitglied der Bundespressekonferenz, freute sich über ausgesprochen rosige Zukunftsperspektiven: „Nach schwierigen Jahren sind wir gut aufgestellt.“ Es hätten sich mehr Partner gefunden als beim letzten Mal. Die brachten nicht nur Geld. Das Daimler-Streichorchester brachte zu Beginn souverän beschwingte Stimmung in die Lobby.
Currywurst und Austern
Unter die 2300 Ballbesucher mischten sich auch 250 Hotelgäste. Das ganze Haus wurde einbezogen in den Ball. Zwei-Sterne-Koch Hendrik Otto vom „Lorenz Adlon Esszimmer“ hatte für 300 geladene Gäste im Palaissaal ein Drei-Gänge-Menü vorbereitet aus einer asiatisch angehauchten Suppe vom Muskatkürbis, Rindertournedos mit Petersiliencreme und Buchteln mit Vanillesauce und Aprikosenkompott.
Für die Flaneure hatte Executive Sous Chef Stephan Eberhard an 14 Stationen rund 40 kulinarische Perspektiven entwickelt, hippe hawaiianische Poké Bowls mit Lachs etwa, Beef Wellington klassisch und modern, edle Adlon Döners und natürlich den Mitternachtshit Currywurst, 320 kg mit 120 Litern Sauce. Den ersten Hunger stillten zudem 3000 frische Austern.
Mit dem Preis der Bundespressekonferenz wurde in diesem Jahr Kristina Dunz von der „Rheinischen Post“ ausgezeichnet. Die Korrespondentin habe im März im Weißen Haus in Washington ein weltweites Publikum auf die Vorzüge des Prinzips der Bundespressekonferenz aufmerksam gemacht, wonach nicht Politiker bestimmen, wer sie befragen darf, sondern die Journalisten das selbst entscheiden, hieß es in der Begründung.
Sie erhalte den Preis auch als Zeichen der Solidarität mit den vielen Journalisten in immer mehr Ländern, in denen Politiker Journalisten ausgrenzen, ausschalten und diffamieren, statt sich einfach ihren Fragen zu stellen. Zur offiziellen Ball-Eröffnung tanzte der Gastgeber erstmals mit Elke Büdenbender, während Frank-Walter Steinmeier dessen Frau Sonja Mayntz im Ballsaal aufs Parkett führte. Die Musik für den Eröffnungstanz hätte besser nicht passen können: „Que sera sera...“
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