Fernwärme in Berlin: Finanzsenator Kollatz-Ahnen klagt gegen Vattenfall
Darf Berlin das Fernwärmenetz von Vattenfall übernehmen? Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen lässt das jetzt gerichtlich klären. Die SPD erhofft sich Rückendeckung für eine Rekommunalisierung der Energieversorgung.
Wer darf das Fernwärmenetz in Berlin, das fast 1,2 Millionen Wohnungen beheizt und mit warmem Wasser versorgt, künftig betreiben? Bisher hat der schwedische Energiekonzern Vattenfall, der in Berlin auch für den Strom aus der Steckdose sorgt, diese profitable, aber auch klimaschonende Aufgabe wahrgenommen. Aber nun lässt der Senat gerichtlich prüfen, ob das Land Berlin das Fernwärmenetz gegen ein „angemessenes Entgelt“ übernehmen könnte.
Schon am 23. Dezember, so wurde jetzt bekannt, reichte die Senatsverwaltung für Finanzen eine Feststellungsklage ein. Die Rechtslage ist schwierig. Nicht nur Berlin und Vattenfall sind sich seit vielen Jahren uneins, auch senatsintern gab es unterschiedliche Meinungen. Denn Konzessionsverträge über die Nutzung öffentlicher Verkehrswege für die Verlegung und den Betrieb von Leitungen und dazu passende Gesetze gibt es überall in Deutschland für Strom und Gas, aber nicht für die Fernwärme.
Deshalb wurde der Betrieb des 1750 Kilometer langen Rohrnetzes, das größte in Westeuropa, vor 20 Jahren quasi „huckepack“ mit dem Stromnetz geregelt. Und zwar in einem Vertrag zur „öffentlichen Versorgung mit elektrischer Energie und Wärme“, den das Land mit der Bewag abschloss, aus der später Vattenfall wurde. Ende 2014 lief dieser Vertrag aus. Das ist lange bekannt, aber nur für die Neuvergabe des Strom- und Gasnetzes wurden Strategien entwickelt, mit dem Fernwärmesystem befasste sich die Politik in Berlin nur gelegentlich.
Zwar wurde senatsintern immer mal wieder überlegt, ab 2015 für die Fernwärme eine gesonderte Regelung zu finden. Dem steht aber die Rechtsmeinung von Vattenfall entgegen, dass es für das Heizungsrohrnetz eine unbefristete Nutzungserlaubnis gibt, weil das einschlägige Konzessionsrecht für die Fernwärme nicht gilt. Dieser Interpretation widersprach der Ex-Finanzsenator Ulrich Nußbaum nicht. Dagegen wollte schon die Stadtentwicklungsbehörde unter dem damaligen Senator Michael Müller (SPD) einen eigenen Konzessionsvertrag für die Fernwärme durchsetzen.
In diesem Sinne lässt der neue Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen (SPD) jetzt vor dem Verwaltungsgericht prüfen, ob und welche Zugriffsmöglichkeiten das Land Berlin auf das Fernwärmenetz tatsächlich hat. Geklagt wird gegen Vattenfall, dem 90 Prozent des Netzes gehören. Den Rest teilen sich rund 40 kleine Unternehmen. Bis zu einer Gerichtsentscheidung in letzter Instanz kann es dauern, bis dahin ändert sich für die Betreiber und die Kunden nichts.
Aber – der Senat hat ein Signal gesetzt. Er will nicht nur auf die von Gasag und Vattenfall betriebenen Gas- und Stromnetze in der Stadt, sondern auch auf die Fernwärme maßgeblichen Einfluss nehmen. Wobei die SPD auf eine Rekommunalisierung der Energienetze sehr viel mehr Wert legt als der Koalitionspartner CDU. Derzeit setzt der Finanzsenator, mit Rückendeckung des Regierenden Bürgermeisters Michael Müller (SPD), auf eine Doppelstrategie: Mit den privaten Energieversorgern über Kooperationsmodelle verhandeln, aber gleichzeitig mit Hilfe der Gerichte die eigene Position rechtlich absichern und stärken.
Völlig unklar ist, was der Senat für die Übernahme des Rohrsystems samt Pump- und Übergabestationen sowie Heizkraftwerke zahlen müsste. Von bis zu zwei Milliarden Euro ist bisher die Rede. Dazu kämen mindestens eine Milliarde Euro für Investitionen in das Netz. Im Landeshaushalt ist dafür selbst mittelfristig kein Geld vorgesehen. Die Rekommunalisierung der Fernwärme müsste, wie schon für das Strom- und Gasnetz geplant, über einen Langfrist-Kredit finanziert werden. Oder mit Hilfe einer privaten Beteiligung, im Gespräch ist das Unternehmen Eon.
Bisher bezieht Vattenfall aus der Fernwärme in Berlin und Hamburg jährlich 50 bis 60 Millionen Euro. Davon ein Drittel der Erlöse in der Hauptstadt. Ein lukratives Geschäft. Und die Rekommunalisierer in Berlin glauben, das mit einem öffentlich gesteuerten Fernwärmenetz das Ziel einer klimaneutralen Stadt bis 2050 besser erreicht werden könnte.