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Beim Tag der offenen Tür wurde nicht nur "Katwarn" vorgestellt, sondern es gab auch viel Spaß für neugierige Besucher.
© dpa

Innensenator Frank Henkel startet neues System: Feuerwehr warnt nun per SMS vor Katastrophen

Per SMS will die Feuerwehr in Zukunft die Berliner vor Gefahr im eigenen Kiez warnen. Doch das ist erst der Anfang, schwärmen sie - auch wenn dafür das Telekommunikationsgesetz geändert werden muss.

„Den Bürger kostet es eine SMS – den Rest zahlen wir“ – so warb Feuerwehrchef Wilfried Gräfling am Sonntag für das neue Berliner Katastrophenwarnsystem „Katwarn“.

Ab sofort kann sich jeder Besitzer eines Mobiltelefons von der Feuerwehr direkt informieren lassen, wenn es in seiner Nachbarschaft gefährlich wird. Eine SMS mit der Angabe der eigenen Postleitzahl reicht aus. Neben einer Mobiltelefonnummer kann zusätzlich auch eine E-Mail-Adresse angegeben werden. Gestern schaltete Innensenator Frank Henkel "Katwarn" scharf.

Der CDU-Politiker sprach von einem zeitgemäßen System: „Wir erreichen schneller die Bevölkerung“. Sirenen sind – was weitgehend unbekannt ist – vor mehr als 20 Jahren abgeschaltet worden. Bislang konnte die Behörde im Gefahren- oder Katastrophenfall die Menschen nur mit Radiodurchsagen oder Lautsprecherwagen der Polizei erreichen. Eine „Lücke“, wie Henkel und Gräfling sagten.

Vor allem vor Gefahren wie Rauch, Gift, Strahlung oder Wasserverunreinigung soll künftig per SMS gewarnt werden. Als Beispiel nannte die Feuerwehr den jüngsten Brand einer Lagerhalle in Spandau, bei dem sich über Stunden dichter Qualm entwickelt hatte und über Teile des Bezirks zog. Genau die betroffenen Stadtteile sollen informiert werden, entweder eine Postleitzahl oder auch mehrere. Auch bei schweren Unwettern könne das System genutzt werden, sagte Landesbranddirektor Gräfling. Auf dem Display erscheinen dann Verhaltensregeln wie „Fenster und Türen schließen“, „Nachbarn informieren“ oder „Radio einschalten“.

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Technisch ist die SMS oder die E-Mail erst der Anfang, "Katwarn" werde alle technischen Möglichkeiten nutzen, hieß es vom Entwickler, dem „Fraunhofer-Institut für Offene Kommunikationssysteme“. So könnten die Warnungen auch das Fernsehprogramm unterbrechen, wenn das Gerät einen Internetzugang hat. Für moderne Telefone seien „Katastrophen-Apps“ denkbar. Finanziert wurde die Entwicklung von den deutschen Feuerversicherern, diese stellen auch die Server für die Technik. Die Berliner Feuerwehr kostet das nur einen kleinen fünfstelligen Betrag.

Das ganze System basiert auf Freiwilligkeit – noch. Technisch sei es mittlerweile möglich, alle Mobiltelefone in einem bestimmten Bereich anzusteuern, und sinnvoll sei das auch, sagte Feuerwehrchef Gräfling. Er nannte die Zwangsaussendung von SMS an alle Mobiltelefone „vernünftig“. Dazu müsse das Telekommunikationsgesetz geändert werden, der Feuerwehrchef zeigte sich optimistisch, dass dies demnächst geschieht.

In den nächsten Tagen erhoffen sich die Berliner Behörden einige zehntausende Anmeldungen, langfristig könnte sich jeder zehnte Berliner anmelden, hofft die Feuerwehr. Informationen gab es am Sonntag für die 25 000 Besucher des Tags der offenen Tür in der Feuerwehrzentrale und dauerhaft auf der Internetseite der Feuerwehr. In Hamburg ist "Katwarn" bereits im Sommer 2011 installiert worden, seitdem hat es acht Alarmierungen dort gegeben, dort natürlich auch bei Hochwassergefahr. Gräfling sagte, dass die Nachrichten auch in Berlin nur sehr sparsam verschickt werden sollen.

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Da die Technik sich am Postleitzahlensystem orientiert, sei eine gezielte Information möglich, dies verhindere auch einen „Katastrophentourismus“ von Schaulustigen aus anderen Bezirken. Offen ist noch, ob Katwarn auch beim Fund von Weltkriegsblindgängern genutzt werden soll, wenn Anwohner aus Sicherheitsgründen ihre Häuser verlassen müssen. Innenverwaltung und Feuerwehr machten gestern gegensätzliche Angaben. Bislang räumt die Polizei betroffene Gebiete mit Lautsprecherdurchsagen, zudem wird von Tür zu Tür gegangen. Dieses Verfahren dauert bei größeren Sperrzonen teilweise Stunden, eine SMS-Evakuierung könnte dies beschleunigen, hieß es bei der Feuerwehr.

Hundertprozentig sicher ist der SMS-Alarm nicht – weil die Handynetze nicht hundertprozentig sicher sind. Vor allem bei Überlastung des Mobilfunks zum Beispiel bei Massenveranstaltungen wie Silvesterfeiern oder Fußballspielen können Nachrichten zu spät oder gar nicht ankommen.

Die Tücken der Technik hat die Polizei gerade am 1. Mai erfahren, als der neue digitale Polizeifunk in Kreuzberg massiv gestört war. Ob Linksextremisten der Polizei dazwischenfunkten oder die Technik eine Macke hatte, ist immer noch nicht geklärt.

Jörn Hasselmann

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