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Nassauer gucken kostenlos: Feuer frei in Berlin

Die Pyronale im Olympiastadion bietet wieder ein buntes Spektakel am spätsommerlichen Nachthimmel. Viele Schaulustige gucken drumherum kostenlos zu. Das Nassauern ist auch bei anderen Events beliebt.

Neulich hinter der Waldbühne: Im Gestrüpp hocken drei Männer, sie haben eine Kühltasche dabei. Darin ein paar Flaschen Bier und frische Buletten. Vor ihnen ein Zaun, dahinter ein Wachmann samt Schäferhund, der aber nicht kläfft, dabei ist es ziemlich laut. „Sex on fire“ singen gerade Kings of Leon, 60 Euro hätten die Karten in der Waldbühne gekostet – das Ticket im Wald gibt’s für null Euro. Dieses Konzert, das man nicht sieht, aber hört, wird ein ziemlich absurdes. Nur die Mücken nerven. „Ein Bier, Herr Wachmann?“

Oder beim Classic Open Air. „Vergiss die Decke nicht!“, sagt die Freundin am Telefon. Und später sitzt man mit den besten Freunden am Gendarmenmarkt vor einem Sichtschutzzaun: nicht nur mit Decke im Gepäck, sondern auch mit Wein, Käse, Feigen, Oliven. Drinnen hätte man dafür ein Vermögen bezahlt. Das gesparte Geld für Tickets samt Verköstigung wird später in ein Taxi investiert.

Oder gestern und auch heute am Maifeld, beim Feuerwerksfestival „Pyronale“. Da sparen sich Hunderte das Geld für die Karten. Vor dem Stadion nahe dem S-Bahn-Eingang entsteht traditionell der größte Picknickplatz Berlins. Überall Campingstühle, Tischchen mit Rotwein, Käse, Trauben und Schinken. Und sogar die Wurstbuden sind geöffnet. Feuerwerksraketen haben schließlich die hübsche Eigenschaft höher zu fliegen, als ein Sichtschutzzaun jemals sein kann. Nur das Bodenfeuerwerk sieht man nicht, und je nach Wind hört man die Musik schlecht. „Wir waren auch schon mal drin. Aber es ist schön, sich draußen mit Freunden zu treffen“, sagt Volker Gründel, 26, „ nur blöd, dass es keine Toiletten gibt.“ Tina Tischler, 25, ist mit acht Leuten da, mit Pflaumenkuchen und Bier.

„Wer draußen sitzt, dem fehlt das Gesamtbild“, sagt Nadine Bosch, die Sprecherin der Pyronale. „Es ist eine Mischung aus Hören und Sehen.“ Das stimmt, deshalb zahlen ja zehntausende Menschen Eintritt für das Feuerwerksspektakel. Und so ist es an diesem Wochenende auch 15 Kilometer weiter südöstlich, wo 10 000 Menschen beim  „Berlin-Festival“ auf dem Flughafen Tempelhof feiern. Als dort aber vor ein paar Wochen die Rockband Die Ärzte spielte, jubelten draußen Hunderte gratis auf der Wiese. Sie hatten sogar einen eigenen Bierstand und ein paar Toiletten.

Okay, der Sound ist nicht gut. Okay, es fehlt die Show der Künstler. In Tempelhof gibt es sogar kilometerweite Planen vor den Zäunen. Aber wenn die Konzertkarten nun mal immer teurer werden, suchen sich viele ihr Örtchen nebenan, um einen schönen Abend zu haben.

Na, habt ihr auch bezahlt? Bestimmt. Aber wer es drauf anlegt, kann die Pyronale auch genießen, ohne Geld fürs Ticket auszugeben. Heute Abend geht es übrigens weiter – am besten mit Eintrittskarte.
Na, habt ihr auch bezahlt? Bestimmt. Aber wer es drauf anlegt, kann die Pyronale auch genießen, ohne Geld fürs Ticket auszugeben. Heute Abend geht es übrigens weiter – am besten mit Eintrittskarte.
© dpa

Nadine Bosch von der Pyronale sieht das „Nassauern“, wie das Gratis-Gucken im Volksmund genannt wird, aber fürs Marketing gar nicht so negativ. „Klar, wirtschaftlich gesehen ist das ärgerlich, aber vielleicht kaufen sie im nächsten Jahr doch noch ihre Karten.“

Wer mal auf den Teufelsberg geklettert ist, von da oben ein überraschend mickriges Feuerwerk auf dem Maifeld gesehen hat und in der Dunkelheit den ganzen Berg auch wieder runter musste, der wird zumindest mal darüber nachdenken.

Heute startet um 20.45 Uhr auf dem Maifeld der zweite Teil der Feuerwerk- Meisterschaft. Philippinische, griechische und spanische Feuerwerker werden dann gegeneinander antreten. Es gibt noch Karten für 22 Euro (Stehplatz) und 45 Euro (Sitzplatz). Schluss ist um 23 Uhr.

Nassauern hat Tradition

Nassauer sind Schmarotzer, das Wort klingt nur liebevoller. Aber woher kommt eigentlich der Begriff „Nassauer“? Wer im Netz sucht, stolpert über die Formulierung „for nass“, die aus dem Berlinischen stammen soll und „umsonst“ bedeutet, aber komischerweise selbst älteren Berliner nicht so recht geläufig ist. In diversen Lexika ist die Rede vom Herzogtum Nassau, das keine Universität hatte. Wer stattdessen an der weit entfernten Uni Göttingen studierte, dem spendierte der Nassauer Herzog ein Essen. Weil nicht jeder Student das wahrnahm, setzen sich einfach andere Studenten an den Platz. Sie gaben sich als „Nassauer“ aus – und aßen gratis. Tsp

André Görke

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