Billigsilikon der Firma PIP: Fehlerhafte Brustimplantate auch in Berlin
Auch in Berlin sind Frauen fehlerhafte Brustimplantate der französischen Firma PIP eingesetzt worden. Bis zu 30 000 Euro kann es kosten, die Implantate auszutauschen - und noch ist unklar, wer das zahlt.
Auch in Berlin sind Frauen fehlerhafte Brustimplantate der französischen Firma PIP eingesetzt worden. Das berichtet der Medizinrechtler Jörg Heynemann: Allein bei ihm hätten sich in den vergangenen Tagen 20 Frauen gemeldet. Der Fachanwalt will sich demnächst mit seinen Mandantinnen besprechen. Bei rund einem Drittel der betroffenen 20 Frauen seien die minderwertigen Implantate nach einer Brustkrebstherapie eingesetzt worden. Die anderen Mandantinnen hätten sich aus rein ästhetischen Gründen operieren lassen.
In Brandenburgs Gesundheitsministerium seien noch keine Fälle bekannt geworden, sagte eine Sprecherin. Man habe die Landesärztekammer, die Landeskrankenhausgesellschaft und die Kassenärztliche Vereinigung am 23. Dezember aufgefordert, Zahlen über verwendete französische Implantate zu liefern.
Das 2010 aufgelöste Unternehmen PIP soll wegen schlechter Umsätze jahrelang billiges Industriesilikon verwendet haben. Dieses Material reißt schneller, seit 2004 sollen in Deutschland mindestens 19 PIP-Implantate gerissen sein. Das französische Gesundheitsministerium hat kürzlich 30 000 Frauen eine vorsorgliche Entfernung der Silikonkissen empfohlen. In den Niederlanden wurden 1000 Patientinnen aufgerufen, wegen der Implantate einen Arzt aufzusuchen.
Bereits vor zehn Jahren hatten die USA vor PIP-Brustimplantaten mit gepanschten Einlagen, etwa mit Kochsalz gefüllt, gewarnt. Einen Zusammenhang von PIP-Einlagen und höherem Krebsrisiko haben Mediziner nicht bestätigt.
Anders als in vielen Ländern existiert in Deutschland kein gesetzliches Implantateregister, eine Zentralerfassung gibt es nicht. Das Bundesgesundheitsministerium schloss am Mittwoch nicht aus, dass ein Register Sinn machen könnte. Mediziner schätzen, dass etwa 100 000 Berlinerinnen Brustimplantate tragen, bei Tausenden könnte PIP-Material verwendet worden sein. Auch die Senatsgesundheitsverwaltung hat keine Informationen über die Zahl von in Berlin eingesetzten Implantaten. Ein Überblick ist kaum möglich, da sich viele Frauen in Privatkliniken oder Praxen von Schönheitschirurgen behandeln lassen – oft im Ausland.
Berlins größte Kliniken, Vivantes und Charité, teilten mit, keine PIP-Produkte verwendet zu haben. Auch im Potsdamer St.-Josefs-Krankenhaus seien die Implantate nicht verwendet worden, sagte Alexander Schönborn, Facharzt für Plastische und Ästhetische Chirurgie. Er rät Betroffenen zum Implantatswechsel: „Grundsätzlich ist das kein dramatischer Eingriff.“
Noch ist unklar, was die Krankenkassen bei den notwendigen Nachoperationen bezahlen werden. Der Medizinrechtler Heynemann will versuchen, von den Nachlassverwaltern der französischen PIP neben Schadensersatz auch Schmerzensgeld zu bekommen. Allein die Behandlungskosten für die nun notwendigen Eingriffe schätzt er pro Frau auf insgesamt bis zu 30 000 Euro. Sollte man sich nicht außergerichtlich einigen, sagte Heynemann, könne er vor dem Berliner Landgericht klagen, da die Implantate hier eingesetzt worden seien. Die Kliniken selbst dürften kaum belangt werden können, auch sie gelten als von PIP getäuscht. Der Hersteller konnte nötige Zertifikate für seine Produkte vorweisen.
Das zuständige Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte hat noch keine endgültige Empfehlung getroffen. Bisher heißt es, zur „individuellen Risikoabwägung“ sollten operierte Frauen mit ihrem Arzt sprechen.
Hannes Heine, Tobias Reichelt
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