Über dem Bundesdurchschnitt: Fast jeder achte Berliner Haushalt ist überschuldet
Arm statt sexy: In der Hauptstadt können rund 200 000 Haushalte ihre Kredite nicht bedienen. Doch wer Beratung braucht, muss meist monatelang auf einen Termin warten.
Etwa 200 000 Berliner Haushalte sind so verschuldet, dass sie unter „relevanten Zahlungsschwierigkeiten“ leiden. Die Schuldnerquote lag im vergangenen Jahr bei 12 bis 13 Prozent. Das bedeutet: Jeder siebte bis achte Haushalt war überschuldet. Das ist deutlich mehr als im Bundesdurchschnitt (9 bis 10 Prozent). Nur in Bremen sind die Quoten noch etwas höher als in Berlin.
In der Antwort der Sozialverwaltung des Senats auf eine parlamentarische Anfrage der Grünen steht auch, welche Bevölkerungsgruppen von der Überschuldung besonders betroffen sind. Dies weiß man allerdings nur von den 11 600 Berlinern, die im ersten Halbjahr 2013 zu einer anerkannten Schuldner- und Insolvenzberatung gingen. Rund die Hälfte der Ratsuchenden ist 30 bis 50 Jahre alt. Zwei Drittel sind ledig oder geschieden, arbeitslos oder aus anderem Grund nicht erwerbstätig. Fast 84 Prozent derer, die sich beraten lassen, sind Deutsche.
Seit 2010 ist die Zahl der Haushalte, die ihre Kredite nicht mehr zurückzahlen können, leicht gestiegen „oder verharrte auf hohem Niveau“, teilte der Senat außerdem mit. Die Regierung bezieht ihre Informationen vom Schuldner-Atlas Creditreform und von der Schufa. Weil sich die Situation in den vergangenen Jahren noch verschlechtert hat, sind die 19 amtlich anerkannten und finanziell geförderten Beratungsstellen in der Hauptstadt stark gefordert. Träger sind Arbeiterwohlfahrt, Caritas und Diakonisches Werk, der Deutsche Familienverband, die Verbraucherzentrale Berlin und einige weniger bekannte, aber nicht minder seriöse gemeinnützige Vereine.
Betroffene müssen mehrere Monate auf Termine warten
Im Haushaltsjahr 2012 erhielten die Beratungsstellen insgesamt 6,3 Millionen Euro aus dem Landeshaushalt. Die meisten Zuschüsse wurden von Mitte, Friedrichshain-Kreuzberg, Marzahn-Hellersdorf und Neukölln vergeben. In den letzten drei Jahren musste sich jeder Berater um durchschnittlich 123 bis 135 Fälle jährlich kümmern. Um einen Termin zu bekommen, müssen die Betroffenen geduldig sein. Die durchschnittliche Wartezeit liegt bei dreieinhalb Monaten, in Pankow und Spandau sogar bei einem halben Jahr. In nachweisbaren Krisenfällen ist es aber möglich, kurzfristig einen Termin zu bekommen, und viele Beratungsstellen bieten regelmäßig offene Sprechstunden an.
Für den Berliner Schulunterricht wird derzeit ein Lernbereich „Verbraucherbildung/Stärkung von Alltagskompetenzen“ erarbeitet. Der Umgang mit Geld soll dabei eine wichtige Rolle spielen. Außerdem bietet die Verbraucherzentrale den Berlinern mit Migrationshintergrund in einigen Bezirken eine spezielle Beratung an. Die wichtigsten Themen sind Handy- und Kaufverträge. Zusätzlich gibt es ein Pilotprojekt der Türkischen Unternehmer und Handwerker (TUH), das sich an den türkisch- und arabischstämmigen Mittelstand wendet. Aber auch andere Beratungsstellen beschäftigen mehrsprachige Fachkräfte. Ausdrücklich warnt die Sozialbehörde vor unseriösen Anbietern.
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