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Nach der ersten Halbzeit waren die meisten Argentinien-Fans noch optimistisch.
© Nantke Garrelts

WM-Finale in Argentinien-Fankneipe: Fassungslos und erleichtert in Berlin

Gefasst nahmen die Argentinier die Niederlage gegen Deutschland hin. 120 Minuten hatten sie mitgefiebert, am Ende erfüllte sich ihre eigene Prognose.

Die letzten Minuten sind grausam. In der "Gloria"-Bar am Görlitzer Park macht sich eine Stimmung breit wie bei den Pathologie-Szenen in einem Fernsehkrimi: Keiner mag so richtig hinsehen, aber wegsehen kann man auch nicht. Fans in hellblau-weißen T-Shirts recken noch ein letztes Mal die Fäuste in die Luft, rufen ein letztes "Vaaamoooos, vaaamooos, Argentinaaa!" Schweinsteiger bekommt ein paar unflätige Begriffe ab, als er sich auf dem Spielfeld behandeln lässt. Der Zweckoptimismus der letzten zwei Stunden verwandelt sich langsam in gefasste Resignation. Die meisten Fans in der südamerikanischen Bar hatten überraschend pragmatische Prognosen abgegeben.

Claudio Zafarani aus Buenos Aires hat seine Deutschlandreise extra verlängert, um das Spiel hier zu sehen. Vielleicht glaubt er deshalb: "Deutschland ist der Favorit." Aber: "Ein Spiel ist ein Spiel." Also doch noch eine Chance für sein Heimatland. Ihm hat der Berliner Abend jedenfalls schon einen neuen Freund gebracht. Jonas Fensch hat ihn an seinen reservierten Tisch eingeladen, jetzt genießen die beiden Oliven, Brot und Käse. "Ich bin seit der WM 1986 Argentinien-Fan. Außerdem hat Argentinien die schönste Flagge der Welt", sagt er. Er glaubt an ein torarmes Spiel und will sich nicht auf einen Sieger festlegen. Während der nächsten 120 Minuten übertönt er selbst die enthusiastischsten Argentinier mit seinen Ausrufen. "¿Cómo?", ruft er mehrmals hintereinander und rauft sich die Haare, als das argentinische Tor in der ersten Halbzeit für ungültig erklärt wird.

Wie und warum? Das fragen sich die argentinischen Fans vor allem nach dem Tor durch Götze, das durch Buhrufe quittiert wird. Danach wird es stiller und stiller. Liv Mikaela Sanz betsellt sich erst mal einen Minztee zur Beruhigung. "Qué nervios", so eine Aufregung, sagt sie und rutscht auf dem Barhocker hin und her. Ein Elfmeterschießen wollte sie auf keinen Fall, aber über diese Wendung ist die Dänisch-Argentinierin auch nicht besonders glücklich. Kollektives Nägelkauen, die Stimmung ist so gedämpft wie das Kerzenlicht in der Bar. Der Abpfiff bringt die Erlösung: Die Gäste lächeln ungläubig, schütteln, die Köpfe und versuchen, das Spiel im Gespräch zu verarbeiten. Handys klingeln, Textnachrichten werden getippt: Die Exilargentinier tauschen sich mit Freunden und Familie daheim aus. Liv Mikaela Sanz nimmt sich jetzt lieber ein Taxi. "Ich kann es noch gar nicht glauben."

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