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40 Jahre war Klaus Schaalburg Bademeister im Columbiabad in Neukölln. Daneben habe er immer schon gezeichnet. In seiner Wohnung kann man das sehen, überall hängen seine Bilder. Hier finden Sie den dazugehörigen Artikel.
© Thilo Rückeis; Zeichnungen: Schaalburg

Freibad in Berlin-Neukölln: Fallstudien am Sprungturm im Columbiabad

40 Jahre war er Bademeister im Columbiabad. Klaus Schaalburg zeichnete, wie Neuköllns Kinder ins Wasser hüpfen. Von Kerzen, Bomben und dem Wasservesuv.

Klaus Schaalburg macht einen Katzenbuckel. „Das ist der Kater“, sagt der 73-Jährige. „So springt man und kurz vor dem Eintauchen spreizt man Arme und Beine.“ Schaalburg hat das unzählige Male gesehen. In 40 Jahren als Bademeister im Columbiabad in Neukölln hat er auch den Zehn-Meter-Turm bewacht.

Die Macht des Wassers ist sein Lebensthema. Davon zeugen auch die Wände seiner Wohnung: Im fünften Stock eines Hauses im Märkischen Viertel hängen überall seine selbst gemalten Bilder. Seit wann er malt? „Seit immer“, sagt Schaalburg. Auch seine Frau war Künstlerin. Vor zehn Jahren ist sie gestorben, aber ihre Skulpturen stehen noch in allen Ecken der Wohnung. Hinzu kommen Fotos von den zwei Kindern sowie Fotos von Schwimmern.

Seine Arbeiten zu den Turmspringern sammelt er in einer Mappe. Da leuchten seine Augen, da ist er so ins Erzählen vertieft, dass das Wasser in der Küche dreimal kochen muss, ehe er den Plan umsetzt, Tee aufzugießen. Er erinnert sich, wie Jugendliche zu Pfingsten im Columbiabad den Sprungturm besetzten. Wegen der Verletzungsgefahr rief die Leitung des Bads an drei Tagen in Folge die Polizei, um den Turm räumen zu lassen. Bei ihm sei nie etwas passiert, sagt Schaalburg. Obwohl die Springer, die er kannte, „in Kette“ hüpfen durften, einer nach dem anderen. Er hat ihnen Freiraum gelassen, ihre Springkünste zu entwickeln. „Fallstudien“ hat er betrieben. Die Neuköllner Jungs wollten nicht wie Kunstspringer ins Wasser gleiten. Fontänen wollten die „Arschbomben“.

„Wackelpudding“, „Wasservesuv“ und „Flügelgestalt“

Vor zehn Jahren ging Schaalburg in den vorzeitigen Ruhestand. Die Jahrzehnte zuvor hat es ihm gefallen zu registrieren, wie die verschiedenen Sprungarten zu unterschiedlichsten Fontänen führen. Sechs hat er insgesamt ausgemacht und die Bilder nicht ohne Ironie mit Buntstift auf Papier gebannt, fein säuberlich beschriftet. Den Figuren gab er Namen wie „Kerze“, „Wackelpudding“, „Wasservesuv“ und „Flügelgestalt“.

Schaalburg selbst ist in seinem Leben nur ein einziges Mal vom Zehn-Meter-Turm gehüpft. Das war während seiner Polizeiausbildung in Hamburg – in voller Montur, im Drillich und mit Stiefeln. „Es hat furchtbar geknallt. Ich habe die Augen zugemacht und der Magen rutschte mir hoch.“ 1964 zog Klaus Schaalburg nach Berlin. Er musste raus aus Hamburg, nachdem er bei der Flutkatastrophe 1962 in der Polizeiausbildung schreckliche Bilder gesehen hatte, die er nicht mehr los wurde. Mehr als 300 Menschen waren in Hamburg umgekommen.

In Berlin ging er in die Stadtbäder, um sich dort zu waschen. So kam er auch ins Stadtbad Neukölln. Dort sah er, wie der Bademeister ins Wasser sprang und mit minimalen Bewegungen unter Wasser dahinglitt. „Den musst du kennenlernen“, dachte sich Schaalburg. „Von dem kannst du noch was lernen.“ Der Bademeister war Deutscher Kurzstreckenmeister und Schaalburg begeistert, wie Menschen sich das Wasser erobern können.

Irgendwann springt man doch

Als er im Stadtbad Neukölln eines Tages ein Schild entdeckte – „Wir suchen Rettungsschwimmer“ –, bewarb er sich. Der Rettungsschwimmer war Teil seiner Polizeiausbildung gewesen. Ab dann arbeitete Schaalburg im Stadtbad und im Sommer im Columbiabad. Schon da faszinierte ihn der Zehn-Meter-Turm. Mit dem benachbarten Flughafen Tempelhof erhielt der eine ganz besondere Anziehungskraft. „Die Jungs stiegen immer auf den Turm und taten so, als würden sie sich an die Flugzeuge hängen.“

Eigentlich dachte er, den Bademeister-Job würde er nur vorübergehend machen. Doch dann wurden es 40 Jahre. Ende der Siebziger hat er angefangen, die Jugendlichen zu fotografieren, wie sie vom Zehn-Meter-Turm springen. Die Fotos hat er ihnen dann geschenkt. „Damit sie sehen, welches Bild da sekundenlang in der Luft hängt.“ Die Springer seien „unglaublich stolz gewesen“.

Und die, die sich nicht trauten zu springen, begleitete Bademeister Schaalburg hinauf auf den Turm – und auch wieder runter. Einfach mal dort oben zu stehen und „ihnen das Gefühl zu geben, in die Wolken fliegen zu können“ – das reichte oft schon, sagt er. „Und irgendwann springt man dann vielleicht doch.“

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