Kindeswohlgefährdung in Berlin: Fälle von sexueller Gewalt gegen Kinder steigen um 50 Prozent
In Berlin nehmen Fälle von Vernachlässigung, Misshandlung und sexueller Gewalt gegen Kinder zu. Mehr als 8200 Kinder waren 2018 betroffen.
Berlins Jugendämter stehen unter Druck: Sie mussten sich im Jahr 2018 um über 8200 Berliner Kinder kümmern, die Vernachlässigung, Misshandlung oder sexueller Gewalt ausgesetzt waren. Dies wurde am Donnerstag durch eine Anfrage der CDU-Abgeordneten Emine Demirbüken-Wegner bekannt. Diese Zahl, der von den Sozialarbeitern aufgedeckten Fälle, bedeutet einen Anstieg um mehr als 20 Prozent verglichen mit dem Vorjahr.
Auffällig ist die Steigerung bei sexueller Gewalt um 50 Prozent von 200 auf 300 Taten. Überproportional häufig taucht Spandau auf (42 Fälle), am seltensten werden Fälle aus Reinickendorf (7) gemeldet.
Wenn man alle Übergriffe zusammen betrachtet, sind die Kinder in den sozial besonders schwierigen Bezirken wie Mitte, Friedrichshain-Kreuzberg, Spandau und Neukölln wie erwartet am stärksten gefährdet: Hier summieren sich die Fälle jeweils auf mehr als 1000. Rund die Hälfte aller „akuten und latenten“ Gefährdungen entstehen durch Vernachlässigung (4400), gefolgt von psychischer Gewalt (2150) und körperlicher Gewalt (1380).
Bevor die Jugendamtsmitarbeiter - meist Sozialarbeiter - zum Schluss kommen, dass eine "latente oder akute Gefahr" vorliegt, werden so genannte "Gefährdungseinschätzungen" vorgenommen. Deren Zahl stieg zwischen 2017 und 2018 von 13.000 auf 14.850 - ein Plus von knapp 15 Prozent. Auch hier sticht die Entwicklung in Spandau hervor (s. Tabelle).
Der personelle Notstand hält schon länger an
Nach wie vor sind viele der Sozialarbeiterstellen in den Jugendämtern unbesetzt – Anfang 2020 waren es 113 von 915. Was allerdings einen Fortschritt bedeutet, denn noch vor zwei Jahren lag das Defizit zwischen finanzierten und tatsächlich besetzten Stellen bei mehr als 130 - manche Bezirke waren 2018 zu 40 Prozent unterbesetzt.
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Die CDU-Politikerin Demirbüken-Wegner, die den Jugendausschuss leitet, wollte auch wissen, worin die Gründe für den Anstieg der Fallzahlen liegen könnten. Jugendstaatssekretärin Sigrid Klebba (SPD) verwies dabei auf bundesweit gültige Erklärungen wie eine zunehmende Sensibilisierung der Gesellschaft sowie verbesserte Notdienst- und Meldestrukturen etwa durch die Hotline Kinderschutz und die Krisendienste der Jugendämter.
Diese Gründe werden für die gestiegenen Fallzahlen genannt
Verwaltungssprecher Martin Klesmann nannte auf Nachfrage als weiteren möglichen Grund für den Anstieg der Meldungen die "Auswirkungen der Me-Too-Debatte sein, in dessen Folge die Aufmerksamkeit gegenüber grenzüberschreitendem Verhalten gestiegen sei".
Den ersten großen Anstieg der Fallzahlen hatte es 2016 gegeben. Damals verwies die Bildungsverwaltung zur Begründung auch auf die große Zahl der Geflüchteten, die seit 2015 gekommen waren: Zum einen sind unter ihnen viele hilfsbedürftige unbegleitetete Kinder, zum anderen gab es - auch 2018 noch - die schwierigen Unterbringungen der Familien etwa in Turnhallen und später in Tempohomes.
Warum es in Spandau eine besonders ungünstige Entwicklung gibt, war bis Freitagabend nicht zu erfahren.
Die Anfrage mit allen Daten können Sie HIER herunterladen.